Stelter strategisch

Explosiver Mix aus Rezession, Handelskrieg und Rekordbörse

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Spiel mit dem Feuer

Dabei ist es nicht nur die Nachfrage der Investoren nach diesen „Momentumaktien“ (Aktien, die im Kurs steigen), die hinter der Entwicklung steht. Es sind auch die fehlgeschlagenen Wetten auf fallende Kurse. Netflix, Tesla und Co. bieten sich offensichtlich für eine Spekulation auf einen Kurseinbruch an. Doch bewahrheitet sich hier die Erkenntnis, die der britische Ökonom John Maynard Keynes schon in den 1920er Jahren formulierte: die Märkte können länger irrational sein, als man selber Geld hat gegen sie zu wetten.

Der Goldman Sachs Most Shorted Index – der die Aktien mit dem größten Anteil an Baissespekulationen umfasst – hat seit Mai den breiten Markt deutlich geschlagen. Dahinter steht ein „short squeeze“. Gemeint ist, dass die Spekulanten, die Aktien leer verkauft haben, also auf fallende Kurse gesetzt haben, gezwungen waren, die Aktien zu höheren Kursen zurückzukaufen. Diese Nachfrage treibt die Kurse zusätzlich nach oben und vergrößert nicht nur die Verluste für die Spekulanten, sondern treibt die schon zuvor teuren Aktien auf ein noch teureres Niveau.

Während die anderen Börsen der Welt schon seit langem hinterherhinken, ziehen einige wenig Aktien in den USA den Markt weiter nach oben. Die Frage ist: wie lange noch?

Gewinnaussichten schwächer, Geldpolitik restriktiver

Da den Aktienrückkäufen und Übernahmen eine entscheidende Bedeutung für die Entwicklung des breiteren Marktes an der Wall Street zukommt, ist die Gewinnentwicklung von wesentlicher Bedeutung. Sah es zunächst in Folge der Steuerreformen der US-Regierung danach aus, als würden wir nachhaltig steigende Gewinne sehen, so mehren sich jetzt die Anzeichen für eine Abschwächung der Weltkonjunktur. Nicht nur der deutsche Ifo-Index signalisiert eine Abkühlung, auch die Einkaufsmanager-Indizes in der Euro-Zone sind rückläufig. Die Entwicklung der südkoreanischen Exporte ist eng mit der Gewinnentwicklung an der Wall Street korreliert. Zuletzt sind die Exporte hier so stark eingebrochen, wie zu Beginn der Finanzkrise.

Kein Wunder, dass konjunktursensible Werte wie Caterpillar und Alcoa, aber auch die deutschen Exportwerte deutlich unter ihren Höchstständen notieren. Es riecht zunehmend nach einer Abkühlung der Weltkonjunktur, es fehlt nicht viel zu einer neuen Rezession.

Die US-Notenbank Fed hält derweil an ihrer Politik der Geldverknappung fest. Seit Beginn des Zinserhöhungszyklus im Dezember 2015 hat die Fed den Zins um 1,7 Prozent erhöht. Rechnet man die Wirkung der Bilanzverkürzung hinzu, ergibt sich eine Erhöhung der Zinsen um 4,7 Prozent laut einer Analyse der Société Générale. Dies entspräche der Zinserhöhung in vergangenen Zyklen. Setzt die US-Notenbank den angekündigten Weg fort und erhöht um weitere 1,7 Prozent, würde die Geldpolitik so restriktiv, wie in den letzten 30 Jahren nicht mehr.

Das Zinsniveau wäre dann zwar immer noch deutlich tiefer als in früheren Phasen, die Verknappung der Geldversorgung jedoch relativ höher. Angesichts der rekordhohen Verschuldung, nicht nur des Unternehmenssektors, wird dies erhebliche Auswirkungen auf die Gewinne und die Bewertung der Unternehmen haben. Gut möglich, dass die Fed wieder einmal die Geldverknappung übertreibt und die Wirtschaft in eine Rezession und die Börsen in die Baisse stürzt. Besser kann man nicht beschreiben, wohin uns dreißig Jahre billigen Geldes und Dauerintervention der Notenbanken geführt haben.

In dieses Szenario platzt nun der Handelskrieg Donald Trumps gegen den Rest der Welt. Wie schon vor zwei Wochen an dieser Stelle geschrieben, wird Trump künftig für Weltrezession und – davon abgeleitet – die nächste (endgültige?) Krise des Euro verantwortlich gemacht. Dabei ist er nur der Auslöser, nicht die Ursache dieser Entwicklung. Rekordhohe Verschuldung, stagnierende Produktivitätszuwächse, ungezügeltes Finanzcasino und eine dysfunktionale Währungsunion gäbe es auch ohne den US-Präsidenten. Er beschleunigt mit seiner Handelspolitik jedoch den Niedergang.

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