Zschabers Börsenblick
Die Börse in Mailand Quelle: imago images

Italienische Börse ignoriert Dauerchaos – noch

An der Mailänder Börse ist es vergleichsweise ruhig, dabei gibt es Unruheherde zur Genüge: In Italien stehen wegweisende Parlamentswahlen an. Womit Anleger rechnen müssen.

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Anleger, die gern investieren, wenn die Kanonen donnern, dürften in den vergangenen Monaten des Öfteren am italienischen Aktienmarkt tätig geworden sein. So sieht der Leitindex des Landes, der MIB der Mailänder Börse, trotz einer ganzen Reihe an Problemen verhältnismäßig gut aus. Dass der am meisten gefürchtete Zustand an der Börse Unsicherheit heißt, spielt dort derzeit offenbar nur eine untergeordnete Rolle – und dies, obwohl der politische und ökonomische Alltag in Italien zurzeit voll davon ist.

Populistische Parteien gewinnen an Bedeutung

So ist in erster Linie unsicher, welchen Ausgang die Anfang März anstehenden Parlamentswahlen nehmen werden. Klar dürfte bislang nur sein, dass dem Betrachter dann die ganze Fragmentierung des italienischen Parteiensystems vor Augen geführt werden wird. Hochwasser haben die inzwischen im römischen Parlament überwiegenden populistischen Kräfte nicht zuletzt durch rassistische Anschläge wie den jüngsten in Macerata bekommen. Davon könnten neben der Lega Nord und Forza Italia auch die Fünf-Sterne-Bewegung um Luigi di Maio profitieren, der von manch einem Beobachter große Chancen eingeräumt werden.

Zwar bezeichnet sich die populistische Protestpartei als politisch neutral, doch hat Spitzenkandidat di Maio in der Vergangenheit den einen oder anderen rassistischen Kommentar von sich gegeben. Dass er quasi nebenbei auch die EU immer wieder kritisiert, verwundert daher kaum.

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Was zusätzlich für einen turbulenten Wahlkampf sprechen dürfte, ist das Comeback einer besonders schillernden Figur: Der frühere Dauer-Ministerpräsident, Medienunternehmer und verurteilte Straftäter Silvio Berlusconi will das Umfeld für seine Rückkehr auf das politische Parkett nutzen. Ob es angesichts dieser Rahmenbedingungen für eine stabile Regierung rund um Matteo Renzis Demokratische Partei reichen wird, darf wohl bezweifelt werden.

Italien hinkt dem Euroraum hinterher

Dabei würde etwas Stabilität in Form einer handlungsfähigen Regierung Italien nicht nur gut tun, sie wäre eigentlich zwingend notwendig. Momentan lässt sich der Status quo der Apenninenhalbinsel am besten mit „gefühltem Dauerchaos“ beschreiben.

Die Ursachen sind dabei größtenteils hausgemacht. Italien hat – anders als frühere europäische Sorgenkinder, die ihre Probleme mittlerweile aktiv angegangen sind – einige notwendige Reformen immer wieder auf die lange Bank geschoben. Die Folgen sind augenscheinlich: eine hohe Arbeitslosenquote, ein niedriges Produktionsniveau und ein vergleichsweise schwaches Wirtschaftswachstum. Während der IWF für den Euroraum 2017 ein Wachstum von 2,1 Prozent prognostiziert, erwarten die IWF-Ökonomen für Italien lediglich einen Zuwachs der Wirtschaftskraft um 1,5 Prozent. Mit jeder weiteren Verschleppung von Reformen büßt die drittgrößte Volkswirtschaft im Euro-Raum immer mehr an Wettbewerbsfähigkeit ein.

Was 2018 auf Europa zukommt
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Bankenunion Quelle: dpa

Auch an einer weiteren Front hätten die neuen Verantwortlichen in Rom ab März einiges zu tun. Es geht um nichts Anderes als um Italiens Bankensystem, das ein ums andere Mal ein desaströses Bild abgibt. Hier wurde zuletzt im Sommer viel Vertrauen verspielt, als gegen die von der europäischen Bankenaufsicht aufgestellten Regeln verstoßen wurde und es zu einem „Bail-out“ kam, einer Übernahme der Kosten des Zusammenbruchs zweier Banken durch öffentliche Mittel. Allein schon angesichts der noch immer kritischen Lage rund um seine Finanzinstitute muss das Land schnellstmöglich wieder handlungsfähig sein.

Erpressung statt Austritt

Dass mit der Parlamentswahl und den zu erwartenden Koalitionsverhandlungen einige Unruhe verbunden sein dürfte, die auch mit Schwankungen an den europäischen Börsen zusammenhängen könnten, davon dürfen Anleger jetzt fast schon ausgehen. Und auch wenn Italien aller Voraussicht nach nicht aus der Eurozone austreten wird, könnten Euro-Kritiker mit Regierungsbeteiligung künftig als „Erpresser“ immer wieder für Unruhe in der Währungsunion sorgen.

Was soll der Anleger tun

Es bleibt dabei, das „A und O“ neben der Analyse der großen politischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge bleiben die Auswahl der Investments, die Qualität und die Diversifikation die entscheidenden Kriterien, um auch diese politischen Strömungen mittelfristig zu umgehen. An erstklassigen Unternehmen - mit einem starken Geschäftsmodell, einem sehr guten Management und einer substanzstarken Bilanz - kommt der Anleger auch 2018 nicht vorbei.

Im aktuellen Umfeld sollten Italien-Investoren Bankaktien eher mit Vorsicht genießen und ihr Augenmerk stattdessen auf weniger spekulative Unternehmen etwa aus dem Energiesektor wie den Ölkonzern Eni oder den Kabelzulieferer Prysmian richten.

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