Zschabers Börsenblick
New York: Blick auf die Technologiebörse Nasdaq. Quelle: imago images

Warum die USA für Anleger interessant sind – mit oder ohne Trump

Es fällt schwer, in den Medien an der US-Präsidentschaftswahl im November vorbeizukommen. Als Börsianer sollte man es dennoch versuchen. Denn der US-Aktienmarkt bietet unabhängig vom Wahlausgang viel Potenzial.

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Donald Trump in diesen Tagen bei einer Bewertung der Weltbörsen, speziell aber des US-Aktienmarkts außer Acht zu lassen, ist eigentlich nahezu unmöglich. Er selbst meldet sich aktuell noch häufiger als sonst via Twitter zu Wort und bewegt manchmal auch Kurse damit. Im gefühlten Minutentakt äußert er sich zu chinesischen Videoplattformen, zu Wahlterminverschiebungen und zu Sprengstoffanschlägen im Nahen Osten, als hätte er Angst, man könnte ihn vergessen.

Oder als glaubte er, den im Zuge seines fragwürdigen Corona-Krisenmanagements offenbar massiv gebröckelten Zuspruch seiner Fans mit Tweet-Masse kitten zu müssen. Doch auch wenn es schwerfällt angesichts des Umstands, dass es sich in wenigen Wochen entscheidet, ob er nochmal vier Jahre regieren darf oder nicht: Schieben wir Trump und das ihm eigene Ballyhoo einmal kurz beiseite – wie er es einst auf dem Nato-Gipfel mit Montenegros Duško Marković tat.

Als Anleger, ob professionell oder privat, sollte man sich bekanntlich ab und an die imaginären Kopfhörer aufsetzen und die zu hohen Töne ausblenden. Abseits von wildem Gezwitscher und Wahlkampfgetöse bietet der US-Markt dann Fakten, die trotz verschiedener potenzieller Störfeuer für eine Menge Potenzial sprechen.

Bei dessen Bewertung hilft ein Blick in die jüngste Vergangenheit ebenso wie auf die lange Geschichte der Wirtschaftsnation USA. So darf man selbst bei der größten „America-First“-Müdigkeit nicht vergessen: Die USA sind nach wie vor die unangefochtene Wirtschaftsmacht Nr. 1 – und dürften dies auch noch eine Zeitlang bleiben. Auch wenn China rasant aufholt: Keine andere Volkswirtschaft weist ein derart hohes Bruttoinlandsprodukt auf wie die Vereinigten Staaten.

So wären allein schon die Größe der US-Wirtschaft und ihr Entwicklungsstand ein Argument dafür, dass Börsianer diesen wichtigen Investmentmarkt immer auf dem Zettel haben sollten. Doch etwas ist unter Umständen sogar ein noch entscheidenderes Argument: Der flexible und zeitnah reagierende Arbeitsmarkt, den die USA in der Geschichte immer wieder gezeigt haben, kann eine enorme Kraft entfalten – nimmt die Wirtschaft nach einer Krise wieder Fahrt auf, schlägt sich das in der Regel auch direkt in wachsenden Beschäftigungszahlen nieder.

Vor diesem Hintergrund sind auch die jüngsten Daten zu sehen: Die Juni-Arbeitslosenquote in den USA lag bei 11,1 Prozent. Das wäre zwar in normalen Zeiten beileibe keine Nachricht, die zu allzu großer Euphorie verleiten würde. Im Jahr 2020 wird sie aber förmlich gefeiert, da Covid-19 die Maßstäbe verschoben hat und da die Erwartungen im Vorfeld sehr niedrig waren – und weil man aus Erfahrung weiß, dass sich Arbeitsmarktdaten in den USA schnell zum Positiven wenden können, wenn das Umfeld stimmt.

Und danach sieht es zumindest ansatzweise aus. So lagen die Einzelhandelsumsätze im Juni ebenfalls über dem, was die Experten geschätzt hatten, und auch der ISM-Einkaufsmanagerindex für Dienstleistungen im Juni weckt Hoffnungen: Er verzeichnete einen Wert von 57 und deutete damit auf starkes Wachstum hin. Zwar sollte man nicht denselben Fehler machen, den einige Volkswirte im vergangenen Monat begingen, indem sie angesichts der Zahlen die jüngste Rezession schon für beendet erklärten. Vor dem Hintergrund der nach wie vor schwelenden Brände ist es schließlich grundsätzlich deutlich zu früh für Begeisterungsstürme: Nicht nur schwebt das Damoklesschwert einer zweiten Corona-Welle über der Wirtschaft – wobei die erste in den USA noch nicht einmal vorüber zu sein scheint -, zudem nimmt der Handelskonflikt mit China wieder an Schärfe zu, ebenfalls alles andere als ein stabilisierendes Moment.

Dennoch ist das schnelle Erholungspotenzial der US-Wirtschaft ein Plus, das sich Anleger zunutze machen sollten. Zwar sollten sie durchaus auf dem Schirm haben, dass die US-Märkte schon gut gelaufen sind seit dem Tiefpunkt der Coronakrise. Doch gerade aus diesem Grund bietet sich der Nasdaq für ein Investment an. Der Technologieindex ist zwar alles andere als spottbillig – unter optischen Aspekten ist er, der zuletzt sogar ein neues Rekordhoch markierte, noch teurer als Dow Jones und S&P 500, die beide unterhalb ihrer Prä-Corona-Niveaus notieren –, dafür enthält er aber viele Unternehmen, die in Branchen tätig sind, denen die Zukunft gehören dürfte. Und bekanntermaßen rechtfertigen aussichtsreiche Werte an der Börse auch eine höhere Bewertung.

Ganz nebenbei sichert man sich als Anleger mit einem ETF auf den Nasdaq die für das Risikomanagement so notwendige Streuung über mehrere Branchen. Und last but not least ist der Index weitestgehend unabhängig vom Ausgang der Wahl im November – egal wer gewinnt, technologischen Fortschritt wird keiner der beiden Kandidaten verhindern wollen oder können. Herrn Marković kann man vielleicht noch verdrängen – den Siegeszug von Digitalisierung, Biotech und Co aber nicht.

Übrigens auch nicht, wenn man Trump heißt.

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