Leitzins bei 0,25 Prozent Die größten Verlierer der Zinssenkung

Die EZB hat mit ihrer Zinssenkung gemischte Reaktionen ausgelöst. Beifall aus den Krisenländern mischt sich mit dem Unmut der deutschen Sparer. Wie sich der Minizins auf Ihr Geld auswirkt.

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Für den Sparer sieht es nach dem Zinsentscheid düster aus. Quelle: dpa

Mit ihrer Zinssenkung am Donnerstag hat die Europäische Zentralbank (EZB) ganz Europa wachgerüttelt. EZB-Chef Mario Draghi zeigt einmal mehr, dass er auch handelt, wenn kaum einer damit rechnet. Viele Beobachter waren der Meinung, dass die Zentralbank ihr Repertoire an Maßnahmen bereits fast vollkommen ausgeschöpft hat. Draghi dagegen stellt klar, dass das Ende des Tunnels noch nicht erreicht ist. Im Gegenteil: "Wir könnten den Zins auch auf Null senken", erklärte der Italiener. Vorerst begnügte sich die Notenbank, den Leitzins auf ein Rekordtief von 0,25 Prozent zu senken.

Als Grund für die überraschende Zinssenkung verweist die EZB auf die niedrigen Inflationsraten im Euro-Raum. Im Oktober stiegen die Preise im Vergleich zum Vorjahr nur noch um 0,7 Prozent. "Draghi hat wieder gezeigt, dass er zupacken kann", erklärt Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater gegenüber WirtschaftsWoche Online. Allerdings sei der Schritt in Ordnung, die EZB erfülle damit ihr ursprüngliches Mandat stabiler Preise. Unumstritten war die Entscheidung trotzdem nicht. Angeblich soll ein Viertel der insgesamt 23 EZB-Ratsmitglieder dagegen gewesen sein. Draghi erklärte, man habe sich einstimmig dafür ausgesprochen, dass die EZB angesichts der niedrigen Inflationsraten handeln müsse. Umstritten sei lediglich der Zeitpunkt gewesen. Einige Notenbanker wollten eine Zinssenkung bis Dezember aufschieben, um die nächsten Konjunkturdaten abzuwarten. Bisher galt Bundesbank-Chef Jens Weidmann als größter Widersacher Draghis im EZB-Rat. Bei der Zinsfrage seien die Fronten allerdings längst nicht so klar wie bei anderen Themen, so Kater.

Möglicherweise war das nicht das letzte Kapitel in Draghis Niedrigzins-Roman. „Die Signalwirkung dieser Entscheidung ist hoch“, erklärt der Ökonom. Es sei klar, dass es sich nicht um einen normalen Niedrigzins-Zyklus handelt. Diese Phase niedriger Zinsen dürfte laut Kater extrem langwierig werden. „Wer bei seiner Geldanlage auf steigende Zinsen setzt, könnte sich geschnitten haben“.

Auslöffeln müssen die Niedrig-Zins-Suppe vor allem die deutschen Sparer. Die fürchten um ihr Erspartes. Denn bei nahezu Nullzinsen und einer Inflationsrate von derzeit 1,6 Prozent in Deutschland fahren Anleger mit den meisten Anlageformen reale Verluste ein. Wie sich die lange anhaltenden Minizinsen auf die einzelnen Anlageformen auswirken und was Anleger jetzt beachten müssen.

Immobilien

Ist viel billiges Geld im Umlauf, fürchten Anleger über kurz oder lang steigende Preise. Sachwerte gelten als sicherer Hafen - allen voran Immobilien. Da die Deutschen weiterhin wenig Vertrauen in Aktien haben, streben sie umso stärker in Immobilien. Schon jetzt sind die Preise in Ballungsräumen sehr hoch. Die Bundesbank sieht gerade Wohnungen in Städten um bis zu 20 Prozent überbewertet. Experten fürchten deshalb bereits seit längerem Blasen am Immobilienmarkt. "Mittel- bis längerfristig nehmen die Risiken der Niedrigzinspolitik weiter zu - insbesondere die Gefahr von falschen Risikoeinschätzungen, verzerrten Investitionsentscheidungen und Vermögenspreisblasen", sagt Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes BdB.

Noch gibt die Bundesbank Entwarnung. "Wir können bisher nicht feststellen, dass Banken ihre Kreditvergabe erhöhen oder ihre Vergabestandards senken", erklärte Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret vor kurzem im Interview mit der WirtschaftsWoche. Erst wenn die Zahl der vergebenen Kredite merklich steigt und die Banken ihre Anforderungen an die Darlehensnehmer senken wird es wirklich gefährlich.

Immobilienkredite werden günstiger

Diese Aktien verweigern sich der Rally

Hinzu kommt, dass die Immobilienmärkte in den Ballungsgebieten nahezu gesättigt sind. Käufer finden kaum noch bezahlbare, freie Immobilien. Trotzdem spricht einiges dafür, dass die Nachfrage hoch bleibt. Die Zinssenkung sorgt dafür, dass Immobilienkredite noch günstiger werden. Häuslebauer finanzieren sich also zu so guten Konditionen wie schon lange nicht mehr. Dennoch dürften Anleger mit einem Immobilieninvestment mittlerweile zu spät dran sein. „Anleger müssen ihre Einnahmeströme ins Verhältnis zum Preis setzen“, sagt Kater. Durch die hohen Preise seien auch bei Wohnimmobilien kaum noch Renditen jenseits der zwei Prozent zu holen.

Glücklich schätzen sich dagegen Hausbesitzer, die für ihre Immobiliendarlehen in Kürze eine Anschlussfinanzierung brauchen. Wer es sich leisten kann, gleicht die niedrigen Zinsen mit höheren Tilgungsraten aus und ist seinen Immobilienkredit damit schneller los als geplant.

Aktien

Für die Börse ist die Entscheidung der EZB ein klarer Vorteil. Denn andere Anlageklassen wie Anleihen oder Tagesgeld werden noch unattraktiver. Da das Geld aber irgendwo angelegt werden muss, sehen viele Investoren keine andere Möglichkeit mehr, als ihre Aktienquote zu erhöhen. Selbst einige institutionelle Anleger wie Versorgungskassen, die eigentlich in vermeintlich sicheren Anlagen wie Staatsanleihen investieren müssen, schwenken mittlerweile auf höhere Aktienquoten um. Mangels Alternativen sind die Börsen daher der große Profiteur des billigen Geldes. Wer Rendite erzielen will, kommt um Aktieninvestments kaum herum.

Nicht nur den deutschen Leitindex Dax treibt Draghi zu immer neuen Höchstständen, weltweit erklimmen die Börsen Rekorde. Auch kurz nach Bekanntwerden der Leitzinssenkung schoss der Dax auf einen neuen Rekord von 9.193 Punkten. Mittlerweile hat er seine Gewinne aber größtenteils wieder abgegeben - möglicherweise hat auch die Börse Zweifel an der Wirkung von Draghis Manöver. Normalerweise profitieren vor allem Finanztitel vom billigen Geld. Die gelten allerdings schon lange nicht mehr als Liebling der Anleger, die Skepsis dürfte trotz Billiggeld hoch bleiben. Dafür sorgen unter anderem regelmäßige Ankündigungen neuer Strafen gegen Großbanken wie die Deutsche Bank.

Euro

Unmittelbar nachdem die EZB um 13.45 Uhr mitteilte, den Leitzins zu senken, fiel der Euro in den nächsten drei Minuten um zwei Cent gegenüber der amerikanischen Leitwährung - von 1,35 US-Dollar auf 1,33 Euro. Eine starke Reaktion, wie sie auch beim deutschen Aktienindex DAX zu beobachten war.

Zwar sind die Sparer nicht unmittelbar von der Schwächung des Euro betroffen. Langfristig könnte davon natürlich vor allem die exportstarke deutsche Wirtschaft profitieren und mit ihr die Unternehmen an der Börse.

Ende Oktober hatte die europäische Gemeinschaftswährung noch ihren Jahreshöchststand mit 1,38 US-Dollar erreicht. Einen schwächeren Wechselkurs zu erzielen könnte also durchaus hinter der Entscheidung Draghis stehen, den Leitzins zu senken und die europäische Wirtschaft anzukurbeln. Denn der Internationale Währungsfonds (IWF) prognostiziert für die Euro-Zone in diesem Jahr einen Wachstumseinbruch von 0,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Für die deutsche Entwicklung gehen die Volkswirte der Allianz in ihrer Konjunkturprognose für das kommende Jahr davon aus, dass die Ausfuhren nach nur einem Prozent Wachstum 2013 wieder um fünf Prozent zulegen könnten. Vor allem dann, wenn der Euro seinen Außenwert reduziert.

Altersvorsorge-Sparer als größter Verlierer

Zehn Geldanlage-Tipps
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Sparbuch und Geldscheine
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Ein Kugelschreiber, Geld, ein Taschenrechner und ein Blatt Papier
Eine Lupe vergrößert das Wort Kontoauszug Quelle: dpa

Altersvorsorge

Bei Lebensversicherungen oder Sparkonten schlagen die niedrigen Zinsen kräftig auf das Gemüt der Sparer. Weithin gilt der Altersvorsorge-Sparer als größter Verlierer des billigen Geldes. Die Zinsen sind so niedrig, dass die Anleger real Verluste in Kauf nehmen müssen. Dadurch wird das Sparen fürs Alter immer unattraktiver, Sparer kehren Riesterpolicen oder anderen Rentenverträgen den Rücken zu. Wer noch gut verzinste Altverträge im Köcher hat kann sich glücklich schätzen. Wer allerdings neu in die Altersvorsorge starten will, hat die Qual der Wahl. Riester und Co. lohnen sich für die wenigsten, zu den niedrigen Zinsen kommen hohe Abschlussgebühren.

Auch Versicherer leiden unter der EZB-Entscheidung. Je weiter die Zinsen sinken, desto schwerer wird es für sie, ihre garantierten Zinsleistungen zu erwirtschaften. Einige Versicherer, darunter die Allianz und die Düsseldorfer Ergo, bieten deshalb bereits Lebensversicherungen ohne Garantiezins an. Der Bund der Versicherten (BdV) fürchtet bereits, dass einige Assekuranzen daraus Konsequenzen ziehen werden. "Wir befürchten, dass sich zukünftig immer mehr Lebensversicherer aus dem aktiven Geschäft verabschieden werden und nur noch die Bestände verwalten wollen", sagt Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des BdV. Einen Ausweg aus der Niedrigzinsfalle gibt es für die Versicherer kaum, denn sie sind zu einem moderaten Risiko gezwungen und dürfen nicht zu viel Kapital in Aktien umschichten. "Dadurch, dass die Versicherer auf dem Kapitalmarkt jetzt noch weniger Zinsen erwirtschaften, wird das Geschäftsmodell der deutschen Lebensversicherer weiter auf die Probe gestellt", erklärt Kleinlein. Leidtragender ist vor allem der Sparer, auf den die Versicherer die schlechteren Konditionen abwälzen.

Gold

Normalerweise stärkt die expansive Geldpolitik der Notenbanken Gold in seiner Funktion als sicheren Schutz vor Inflation. Ein steigender Goldpreis wäre entsprechend nachvollziehbar. Am Donnerstag gab der Preis des Edelmetalls allerdings nach und notierte zeitweise unter der Marke von 1300 Dollar je Feinunze. Dafür hatten vor allem Spekulationen gesorgt, die USA könnten mit dem Abbau ihrer Konjunkturmaßnahmen beginnen. Sollte die amerikanische Notenbank Fed früher als erwartet mit ihrem Tapering beginnen, also früher aus der expansiven Geldpolitik aussteigen, dürfte das den Goldpreis belasten. Entsprechend drückt auch ein Anstieg des Dollar den Goldpreis - am Donnerstag beflügelten Wachstumsdaten aus den USA den Greenback und drückten damit den Goldpreis.

Für diejenigen, die aufgrund des billigen Geldes langfristig mit hohen Inflationsraten rechnen, bleibt Gold trotzdem erste Wahl. Für Experten ist physisches Gold weiterhin die beste Absicherung gegen Geldentwertung. Das Edelmetall gilt als Wertspeicher, da es eben anders als Euro oder Dollar nicht beliebig nachgedruckt werden kann. Lediglich wenn es trotz der Zinssenkung zu einer Deflation kommt, dürfte der Goldpreis weiter unter Druck geraten.

Abschlag aufs Tagesgeld

Tagesgeld

Wer flexibel Geld zur Seite legen möchte und auf täglicher Verfügbarkeit beharrt, kommt um ein Tagesgeldkonto fast nicht herum. Dafür müssen Anleger seit Jahren aber schon niedrigste Zinsen in Kauf nehmen. Auch der aktuelle Zinsentscheid dürfte die Sätze auf Tagesgeldkonten wieder nach unten drücken. „Aktuell ist bei den Banken noch nichts passiert“, sagt Sigrid Herbst von der FMH Finanzberatung. Eine kleine Zinssenkung auf die Tagesgeldkonten sieht sie aber in den nächsten zwei bis vier Wochen kommen: „Ich denke, dass wir einen erneuten Abschlag von 0,1 Prozentpunkten sehen werden.“

Aktuell liegen die Zinsen für ein täglich verfügbares Konto bei maximal 1,5 Prozent, oft sind dies aber besondere Angebote für Neukunden von Banken in den Niederlanden oder Frankreich. Der Einlagensicherung bis 100.000 Euro unterliegen sie genauso, wie deutsche Konten.  Der Großteil aller Tagesgelder hierzulande bietet aber Zinsen nur unter einem Prozent. „Wer täglich über sein Geld verfügen möchte, hat keine Alternativen“, sagt Sigrid Herbst.

Privatkunden deutscher Banken hatten im September 905 Milliarden Euro auf Tagesgeldkonten untergebracht, zeigen Daten der Finanzberatung Barkow Consulting. Vor gut einem Jahr lag dieser Wert gerade noch bei 800 Milliarden. Für Sigrid Herbst nur verständlich: „Man sieht die Leute regelrecht suchen, wie sie ihr Geld angemessen unterbringen können. Das Tagesgeld bietet immerhin mehr Zinsen als ein Girokonto.“ Die Topzinssätze für etwas langfristigere Festgelder liegen bei rund 2,1 Prozent. „Sein Geld unter den jetzigen Bedingungen langfristig zu binden, ist natürlich unsinnig“, sagt aber Finanzexpertin Herbst.

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