An der Börse regiert in diesen Wochen der plötzliche Stimmungsumschwung: Man malt sich die Welt an manchen Tagen rosarot und sieht sie Stunden später vanta-schwarz. Man handelt morgens voller Zuversicht und versinkt abends in Trübsinn oder umgekehrt – zu widersprüchlich ist die Weltlage, zu volatil der Nachrichtenfluss.
Die Optimisten unter den Anlageprofis warnen vor Schwarzmalerei. Sie gehen davon aus, dass die drohenden Rezessionsrisiken in den Aktienkursen eingepreist sind – und dass es bald wieder aufwärtsgeht. Die Pessimisten halten dagegen: Wenn die Notenbanken die Inflation nicht in den Griff bekommen, der Krieg in der Ukraine andauert und die Energiepreise weiter steigen, seien noch deutlich tiefere Kurse drin. Der Kurvenverlauf des ersten Halbjahres spiegelt die Unsicherheit der Märkte. Im Frühjahr der Ausverkauf. Im Juli drehten die Kurse. Mitte August kippte die Stimmung erneut.
Anleger setzen in unruhigen Zeiten gern auf Fonds, die in mehrere Anlageklassen investieren. Deren Manager streben danach, Verluste in einem Bereich durch Gewinne in anderen auszugleichen – und mit einem klugen Mix aus Aktien und Anleihen, manchmal auch durch den Einsatz von Rohstoffinvestments in der Krise schmale Renditen zu erwirtschaften. Zwischen Januar und Juni haben Privatanleger in Deutschland 16,3 Milliarden Euro neu in solche Mischfonds investiert. Die Strategie geht nicht immer auf, etwa wenn Aktien- und Anleihekurse im Gleichtakt fallen. Manchen Mischfonds gelingt es aber, selbst in unruhigsten Zeiten Mehrwert zu schaffen – und dabei auch noch nachhaltig zu investieren. Die WirtschaftsWoche hat die Besten prämiert.
Das Arnsberger Beratungshaus MMD Analyse & Advisory hat exklusiv für die WirtschaftsWoche 1331 Mischfonds unter die Lupe genommen, deren Manager üblicherweise besonders auf einen Vermögenserhalt und einen langfristigen Wertzuwachs achten. Unterteilt in drei Kategorien, die sich vor allem durch die Höhe des Aktienanteils unterscheiden, durchliefen alle Fonds die gleichen Prüfungen: Im ersten Schritt analysierte MMD, ob Fondsmanager über fünf Jahre hinweg nicht nur ordentliche Renditen erwirtschafteten, sondern auch Risikokennziffern wie den maximalen Kursverlust im Rahmen hielten. Im zweiten Schritt prüfte Datenspezialist Mountain-View Data die Nachhaltigkeit der Portfolios (siehe Methodik).
Methodik
Für den Vergleich analysiert wurden 1331 vermögensverwaltende Fonds, die Anlegergeld in Aktien, Zinspapiere, Derivate, ETFs oder auch Edelmetalle investieren können und die in Deutschland verkauft werden dürfen. Ein Rendite-Risiko-Vergleich über fünf Jahre gibt Aufschluss darüber, wer unter den Geldmanagern ein gutes Gespür für den Markt in Aufschwung- und Abschwungphasen bewiesen hat.
Anschließend wurden alle Fonds, die bei der ersten Stufe der Bewertung auf den vorderen Rängen landeten, einem Nachhaltigkeitscheck unterzogen. Die Berücksichtigung im Ranking ist nicht davon abhängig, ob der Fonds tatsächlich Nachhaltigkeitsfaktoren in seiner Auswahl anwendet. Allerdings muss ein Fonds im Nachhaltigkeitscheck wenigstens 70 Punkte auf einer Skala bis 100 erreichen, um zu den Top-Fonds zählen zu können.
Globale Spezialitäten
Einen Allrounder für Vorsichtige bietet die Evangelische Bank mit dem EB Sustainable Multi Asset Invest. Mit 10,6 Prozent plus in den vergangenen fünf Jahren weist er für einen defensiven Fonds mit niedrigem Aktienanteil eine beachtliche Wertentwicklung auf. Die Evangelische Bank zählt zu den Pionierinnen der nachhaltigen Geldanlage. Die Nachhaltigkeitshürde im Ranking war für die Experten der Fondstochter namens EB-SIM deshalb kein Problem.
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Glaube, Hoffnung, Liebe – das sind wichtige Werte für die Kirche. Bei EB-SIM kommt es allerdings eher auf Zahlen an. Im Frankfurter Büro der Investmentgesellschaft sieht es nicht nach Kirche aus, sondern wie überall in der modernen Bürowelt. Glaswände trennen die Büros, Sofas sorgen für etwas Flair. Als sich das Fondsmanagementteam am 24. Februar dort um Investmentchef Oliver Pfeil versammelte, ging es auch nicht um ein Morgengebet. Nach dem Einmarsch der Russen in der Ukraine diskutierten die Anlageprofis stattdessen stundenlang über mögliche Folgen für die Märkte.
EB-SIM-Fondsmanager Sebastian Kösters darf maximal 30 Prozent des von ihm verwalteten Geldes in Aktien investieren. Das soll das Portfolio vor hohen Wertschwankungen bewahren. Nach Russlands Überfall auf die Ukraine sorgte aber die rasant kletternde Inflation für Verwerfungen an den Anleihemärkten. Gut für Kösters, dass er sich nicht auf Euro-Anleihen beschränkt: Seit Jahren hat er auch Spezialitäten wie Anleihen aus Schwellenländern, Wandel- und Katastrophenanleihen im Depot. Manche der Papiere konnten sich dem Absturz im Frühjahr entziehen.
Dank seines breit gestreuten Portfolios bleibt Kösters mit Blick auf die Zukunft gelassen, allen Unsicherheiten zum Trotz: „Vielleicht gibt es eine Rezession in Deutschland. Aber wir haben den globalen Markt im Fonds und damit viele Möglichkeiten, dem auszuweichen.“ Auf der Aktienseite hat der Manager unter anderem dividendenstarke britische Titel im Depot, etwa Unilever. Der Konsumgüterriese ist ein Weltkonzern und damit nicht komplett der stark steigenden Inflation in Großbritannien ausgesetzt – für den Herbst rechnen manche dort mit 18 Prozent Teuerungsrate.
Für Nachhaltigkeit im Portfolio sorgen Aktien mehrerer nordamerikanischer Unternehmen, darunter der Wasserreinigungsspezialist Xylem, der Entsorger Waste Management sowie Brookfield Renewable Partners, ein Betreiber von Anlagen für saubere Energieerzeugung. Auch mit direkten Beteiligungen an Wind- und Solarparks kommt Kösters dem Nachhaltigkeitsversprechen der Evangelischen Bank nach – und drückt zudem die Wertschwankungen seines Portfolios: Der Wert der Beteiligungen wird nicht täglich ermittelt, das beruhigt den Blick auf die Kurse.
Der Anlageautomat
Das Anlagekonzept des Mischfonds Arero ist deutlich simpler. Trotzdem hat es der Fonds unter die zehn besten dynamischen Mischfonds geschafft, also jene Fonds, deren Manager bis zu 100 Prozent des Fondsvermögens in Aktien investieren dürfen.
Das Gesicht des Arero, dessen Name sich aus den Anfangsbuchstaben der Anlageklassen Aktien, Renten und Rohstoffe zusammensetzt, ist sein Gründungsvater: der Mannheimer BWL-Professor Martin Weber. Er rief den Fonds im Jahr 2008 ins Leben. Damals wie heute steht ihm Christine Laudenbach zur Seite, die inzwischen als Professorin an der Frankfurter Goethe-Universität lehrt und zu Geldanlagen und zum Risikoverhalten von Anlegern forscht.
Die Finanzwirtschaftlerin und der Betriebswirtschaftler haben aus der berühmten Portfoliotheorie des Nobelpreisträgers Harry Markowitz ein idealtypisches Depot entwickelt, das Renditechancen und Verlustrisiken ausbalancieren soll. Es besteht aus 60 Prozent globalen Aktien, 25 Prozent Euro-Rentenpapieren und 15 Prozent Rohstoffen. Investiert wird direkt in Tausende Aktien und Hunderte Anleihen aus verschiedenen Indizes. Damit sich die Quoten der Anlageklassen nicht zu stark verändern, wird zweimal im Jahr nachjustiert.
Der Arero illustriert die Vorteile einer breiten Streuung über mehrere Anlageklassen. So waren etwa die Rohstoffe im Depot lange eine Belastung für die Wertentwicklung des Fonds, während Aktien gut liefen. Zuletzt brachten Rohstoffe aber ordentliche Renditen, während die Aktienseite des Portfolios schwächelte. Dass ausgerechnet ein Krieg Rohstoffe so teuer werden lässt, bedauert Laudenbach zwar. Als Wissenschaftlerin freut sie sich allerdings darüber, dass die Vorteile der Diversifikation in ihrem Fonds jetzt klar zu Tage treten.