
Eigentlich hatte ich mir fest vorgenommen, diese Woche über den „Biggest Short“ zu schreiben. Den ultimativen Deal, mit dem man aus dem nächsten Einbruch an den Finanzmärkten Gewinn schlagen kann. In Anlehnung an den Bestseller von Michael Lewis, der eindrücklich den „Big Short“, die erfolgreiche Wette gegen den US-Immobilienmarkt und die Weltfinanzmärkte, vor nunmehr acht Jahren beschreibt. Doch muss das Thema warten. Zu dramatisch ist das, was sich seit mehreren Jahren mit den Aktien von Banken, allen voran der Deutschen Bank ereignet.
Wer den Kursverlauf der Deutschen Bank seit 2006 betrachtet, muss unweigerlich denken, es wäre schon der Big Short gewesen. Immerhin stand die Aktie im Jahre 2006 kurzzeitig einmal über 100 Euro. Nun, acht Jahre und einige Kapitalerhöhungen später, nähert sie sich einem Wert von Null. Wenn der Verfall der Deutschen Bank nicht das ultimative Zeichen für eine massive Krise ist, was dann?
Natürlich war es unfair, dass der Internationale Währungsfonds ausgerechnet der Deutschen Bank den Titel der "gefährlichsten Bank der Welt" verlieh – gerade in einer Branche, die von nichts so sehr abhängt wie von Vertrauen. Ein geradezu ungeheuerlicher Vorgang. Natürlich gehen die Amerikaner mit unliebsamen Mittbewerbern rabiater um, wenn es um Strafen für Fehlverhalten geht – siehe auch Volkswagen.
WirtschaftsWoche Club-Event am 17.11. in Frankfurt
Seien Sie dabei, wenn Dr. Daniel Stelter von Stefan Hajek zum Thema "Geldanlage in Zeiten der ungelösten Schuldenkrise" interviewt wird. Im Anschluss wird das Thema unter Einbeziehung des Publikums diskutiert.
Wir stecken in der schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise seit dem 2. Weltkrieg, meint Makroökonom, Strategieberater und Autor Dr. Daniel Stelter. Er war von 1990 bis 2013 führender Unternehmensberater bei der internationalen Strategieberatung The Boston Consulting Group (BCG), zuletzt als Senior Partner, Managing Director und Mitglied des BCG Global Executive Committee.
Er gründete einen Thinktank, der Politik, Konzerne und Investmentfirmen berät. Zuletzt schrieb er einige viel beachtete Bücher zu den drängendsten ökonomischen Themen unserer Zeit; als Redner und Kolumnist beschäftigt sich Stelter regelmäßig mit dem Thema Schulden. Seine Analyse der Weltlage bietet mehr als nur die Vogelperspektive, Anleger können auch konkrete Rückschlüsse für ihre eigene Geldanlage ziehen.
Top-Speaker: Dr. Daniel Stelter, Gründer und Leiter des Thinktanks „beyond the obvious“, Stefan Hajek, Redakteur Geld, WirtschaftsWoche
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Natürlich kann niemand sagen, die Deutsche Bank sei insolvent. Doch das Gegenteil beweisen kann man so richtig auch nicht. Die Bilanz ist von außen nicht zu verstehen. Es ist und bleibt der Glaube an die Rechtschaffenheit des Managements, auf dem das Vertrauen in die Bilanz und Solidität der Bank beruht. Und so sehr man dem heutigen Management vertrauen sollte, niemand weiß, was die Vorgänger noch als Zeitbomben hinterlassen haben.





Würde ich die Aktien der Deutschen Bank heute kaufen? Nein. Aber ich kaufe ohnehin keine Aktien von Banken in Europa, wie ich an dieser Stelle immer und immer wieder betont habe. Ich bin kein Spieler, sondern langfristig denkender Investor. Zu gut erinnere ich mich an eine Diskussion mit meinem Sparring-Partner in Sachen Geldanlage am Freitag dem 12. September 2008. Wir haben darüber gesprochen, eine Position in Lehman Brothers einzugehen. Schließlich würde die US-Regierung wie schon im Fall von Bear Stearns einen Konkurs verhindern, so unsere Einschätzung. Das Verlustrisiko war nach dem deutlichen Fall der Aktie also gering.
Es hat mich gereizt. Ich habe es aber nicht getan, weil ich das Risiko nicht einschätzen konnte und vor allem das Ergebnis nicht zu analysieren war. Es war ein politischer Entscheid und von der Politik halte ich – auch das wissen die Leser dieser Zeilen gut – herzlich wenig. Vor acht Jahren hat mir das einen Totalverlust über das Wochenende erspart.
Das sagten Experten zur drohenden US-Strafe für die Deutsche Bank (vor der Entscheidung)
"Die Deutsche Bank wird diese Strafe nicht ohne Kapitalerhöhung bezahlen können. Das Eigenkapital von derzeit gut 60 Milliarden Euro sollte nicht weiter sinken. Das würde das Vertrauen in die Solidität weiter erschüttern. Die Gewinne der Bank sind derzeit so niedrig, dass sie kaum ausreichen werden, die Lücke zu füllen. Jetzt rächt sich, dass Bankenaufsicht und Bankenregulierer in den letzten Jahren nicht auf eine stärkere Erhöhung des Eigenkapitals der Deutschen Bank gedrängt haben."
"Jetzt kommt es mit Blick auf die Bank und die Beschäftigten darauf an, dass die Rechtsstreitigkeiten und damit verbundenen Unsicherheiten schnell gelöst werden. Wir erwarten, dass man einen angemessenen Kompromiss finden wird."
"Ich rechne damit, dass die Deutsche Bank am Ende vier bis 5,5 Milliarden Dollar bezahlen muss - das ist etwas mehr als bisher erwartet. Da wir im US-Wahlkampf sind, kann die Summe aber auch höher ausfallen - etwa sechs oder sieben Milliarden Dollar. Auch der Streit der EU mit Apple und Google kann durchaus dazu führen, dass die Summe höher ausfällt als vergleichbare Strafzahlungen von US-Banken.
Alles über sieben Milliarden Dollar wäre für die Deutsche Bank sehr gefährdend. Die Deutsche Bank müsste sich dann Gedanken machen, ob sie im normalen Geschäft noch mehr Risiken abbauen kann. Wenn alle Stricke reißen, müsste die Deutschen Bank ihre Kronjuwelen verkaufen - die Vermögensverwaltung - oder eine Kapitalerhöhung in Angriff nehmen. Die Deutsche Bank muss die Probleme in jedem Fall aus eigener Kraft bewältigen. Ich bin ziemlich sicher, dass es keine Staatshilfen geben wird.
Die deutsche Politik sollte sich nicht in die Verhandlungen über die Höhe der Strafe einmischen. Frankreich hat einst Öl ins Feuer gegossen, als es bei einer Milliarden-Strafe für BNP Paribas in den USA intervenierte. Das hat nichts gebracht, sondern die ganze Sache nur noch verschärft."
"Wenn die Strafe am Ende fünf Milliarden Euro oder mehr beträgt, wird die Deutsche Bank nicht um eine Kapitalerhöhung herumkommen. Investoren wollen nicht, dass die Kapitalquote der Bank zu nah an den Mindestanforderungen der Regulierer liegt."
"Wir erwarten, dass das mögliche Verhandlungsergebnis deutlich unterhalb des ersten Vergleichsvorschlags liegen wird. Eine Strafzahlung von rund 2,5 Milliarden Dollar würden wir als akzeptables Ergebnis einstufen. Eine Strafzahlung oberhalb der bestehenden Rückstellungen würde die Wahrscheinlichkeit einer Kapitalerhöhung unseres Erachtens erhöhen."
"Das Justizministerium hat die Deutsche Bank dazu auserkoren, ihren Teil beim Stopfen des enormen US-Haushaltsdefizits beizutragen."
"Angesichts der prekären Finanzlage einiger europäischer Banken, von denen die Deutsche eine des risikobehaftetsten und systemrelevantesten ist, ist dies verstörend und wirkt kurzsichtig und unnötig strafend." Selbst ein Drittel der angedrohten Strafe von 14 Milliarden Dollar wäre eine schwere Last für eine Firma mit einem Börsenwert von rund 18 Milliarden Euro. "Gigantische Forderungen unterminieren Banken, drohen einige der am meisten globalisierten, systemrelevanten Institute zu destabilisieren, just als ein Cocktail neuer Regulierungen und ultra-niedriger Zinsen die Ertragskraft zerstören. Es gibt Spekulationen um eine neue Ära der 'Auge-um-Auge'-Handelskriege. Die Deutsche Bank könnte der Prügelknabe für den Angriff der EU-Kommission auf Apple sein."
So hoffe ich, dass es der Deutschen Bank besser geht als der Markt befürchtet, und dass sie allen Beteuerungen zum Trotz doch von der Politik gerettet wird, sollte dem nicht so sein. Würde sie es nicht, hätten wir eine neue Krise, die die Ereignisse der Jahre 2008/9 wie einen Kindergeburtstag aussehen lassen würde. Keines, aber auch wirklich keines der Probleme, die zur Finanzkrise geführt haben, wurde gelöst. Zur Erinnerung:
- Die Gesamtverschuldung liegt fast überall über dem Niveau von 2008.
- Die europäischen Banken sind immer noch überdimensioniert und unterkapitalisiert.
- Die Realwirtschaft in der Eurozone hat erst vor wenigen Monaten das Niveau von 2008 wieder erreicht – einige Länder wie Italien sind weit davon entfernt.
- Die Zinsen sind negativ und die Notenbanken der Welt sind mit ihrem Latein am Ende. Bei der nächsten Krise bleibt nur noch die direkte Staatsfinanzierung, vulgo „Helikopter-Geld“.
- Die Möglichkeit zu politischer Kooperation zur Krisenbewältigung ist deutlich gesunken: Brexit, Trump, Cinque Stelle, Front National, AfD, ...überall zeigen sich die Folgen einer Politik, der es nicht mehr gelingt den Wohlstand der breiten Bevölkerungsschichten zu steigern und Antworten auf die drängenden Fragen der Zeit zu geben.
- Die herrschende Politik hat derweil den lauten Weckruf immer noch nicht erhört, spielt weiter auf Zeit und hofft auf ein Wunder. Das Wunder wird nicht kommen.