Mittlerweile findet die Methodik breitere Anwendung. Führend ist der auf die Auswahl von Qualitätswerten spezialisierte Schweizer Assetmanager CEAMS, gegründet unter anderem von einem früheren Kollegen von BCG. Jedes Jahr analysiert CEAMS die Kursentwicklung an den Börsen und berechnet den Beitrag der einzelnen Faktoren: Wachstum, Margenverbesserung, Bilanzverkürzung, Dividende und eben Erwartungsprämie.
So auch in diesem Jahr. Das Ergebnis ist eindeutig und gibt zu denken.
In den USA ist der Großteil des Wertzuwachses der letzten Jahre von einer Zunahme der Erwartungsprämie getrieben. Die Märkte setzten schon vor dem Trump Boom auf eine deutliche Verbesserung der Ertragskraft der Unternehmen. Übersetzt bedeutet dies, dass die US-Unternehmen nun liefern müssen. Dabei genügt es nicht, Umsätze und Margen wie erwartet zu steigern. Um weiterhin eine Outperformance zu rechtfertigen, müssen die US-Unternehmen die Erwartungen noch übertreffen. Angesichts rekordhoher Margen und immer noch geringem Wachstums ist das mehr als unwahrscheinlich.
Enttäuschungen sind also programmiert. Dabei lehrt die Vergangenheit, dass enttäuschte Erwartungsprämien regelmäßig zu einem Überschießen in die andere Richtung führen. Die US-Börsen stehen also vor einem schweren zweiten Halbjahr. Und damit auch der US-Dollar.
Japan und Schwellenländer ein Kauf
Ganz anders sieht das in Japan und den Schwellenländern aus. Zwar sind hier die früheren Wachstumsraten auch wegen des schwachen Wachstums in Europa und den USA nicht wieder in Sicht. Die Bewertung ist jedoch deutlich günstiger als in den USA und vor allem ist die Entwicklung durch die fundamentale Performance der Unternehmen gedeckt.
Wer also an Aktienkäufe denkt, sollte dies in diesen Regionen umsetzen. Natürlich besteht trotz des geringen Bewertungsniveaus das Risiko von Rückschlägen vor allem wenn es von den USA ausgehend zu Turbulenzen kommen sollte. Dennoch dürften Qualitätsunternehmen nach unten abgesichert sein. Alle Investitionen – nicht nur die in Japan – sollten angesichts des sich anzeichnenden Währungskriegs entsprechend abgesichert sein. In Japan zeichnet sich derweil das geldpolitische Endspiel ab, dessen Ausgang ungewiss ist.
Problemfall Europa
Bleibt die Frage nach Europa. Die Daten von CEAMS geben zwei klare Antworten. Zum einen gibt es keine großen Erwartungen, zum anderen ist fundamental auch nicht viel los. Dividenden waren der stabilisierende Faktor in der letzten Zeit. Europäische Aktien sind sicherlich verglichen mit dem Rest der Welt günstig. Die Underperformance verglichen mit den USA seit 2008 ist eklatant. Angesichts der geringen Risiken im Vergleich zu den Schwellenländern spricht viel für eine deutliche Übergewichtung in unserer Region.
Dagegen sprechen die politischen Risiken. Zu groß ist die Angst der Investoren vor einem Unfall in der Eurozone. Dabei ist diese Angst mit Blick auf Aktien nur teilweise berechtigt. Tritt ein Land aus dem Euro aus, dürften die lokalen Aktienmärkte boomen, vor allem Unternehmen, die einen hohen Exportanteil haben. Aktien aus Frankreich und Italien sollten deshalb bei einer Korrektur auf der Einkaufsliste stehen. Deutsche Aktien weniger, weil wir im Falle eines Zerfalls der Eurozone mit einer heftigen Rezession konfrontiert wären.
Unabhängig von der Europroblematik gibt es einen weiteren Grund in Europa untergewichtet zu bleiben: das strukturell geringe Wachstum. Bei einer schrumpfenden Erwerbsbevölkerung und anämischen Produktivitätsfortschritten kann man weder hohe Wachstumsraten noch höhere Zinsen noch boomende Aktienmärkte erwarten. Nachdem wir alle ohnehin in Europa übergewichtet sind, wenn man das Gesamtvermögen analysiert, gilt trotz der günstigen Bewertung: Anleger: Vorsicht mit Europa.