Die Deutschen sparen fleißiger als die US-Amerikaner. Die langfristige Sparquote liegt mit über einem Zehntel (circa 12 Prozent) des verfügbaren Einkommens rund 50 Prozent höher als in den USA. Trotzdem sind die amerikanischen Privathaushalte beim Aufbau von Finanzvermögen erfolgreicher als die Deutschen. Das Nettofinanzvermögen auf der anderen Seite des Atlantiks rangiert mit rund 253.000 Euro viermal so hoch wie das in Deutschland. Wie passt dies zusammen?
Die Ergebnisse einer aktuellen Studie von Allianz Global Investors deuten darauf hin, dass durchschnittlich gut gebildete Anleger in Deutschland eine reale Rendite (nach Inflation) von circa 3 Prozent auf Ihre Finanzanlage erwirtschaften. Die vergleichbare Gruppe aus Nordamerika kommt auf circa 7 Prozent.
Diese Unterschiede lassen sich durch die unterschiedlichen Asset Allokationen erklären. Die kulturelle Prägung in unserem Land ist ursächlich dafür, dass die Vermögensstruktur stärker aus Cash, Lebensversicherungen und (entschuldeten) Immobilien besteht. Die Amerikaner setzen hingegen stärker auf Aktien. Der größte Teil ihres Vermögensaufbaus erfolgt durch Kapitalrenditen.
Zur Person
Jan Mitzscherlich, CFA, ist engagiertes Mitglied der CFA Society Germany, Co-Founder von FinAdvisors und Vermögens- und Unternehmensberater bei der Mitzscherlich GmbH & Co. KG. Er ist auf die Beratung von vermögenden Privatkunden mit Betriebsvermögen spezialisiert.
Relevante Unterschiede
Die Vermögensstruktur der Amerikaner ist also „wertpapierlastiger“. Doch was machen die Amerikaner noch anders als die Deutschen? Zum einen sprechen sie offen über Geld. Geldanlage ist in Amerika ein Small-Talk-Thema. Zudem sind die Amerikaner für ihre Altersvorsorge viel stärker selbstverantwortlich als wir Deutschen. Einzige Ausnahme bilden hierzulande die Selbständigen und Unternehmer, die nicht in einem Versorgungswerk organisiert sind oder in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen.
Ein wichtiger weiterer Punkt: Amerikaner haben einen gewissen „Heimvorteil“ bei Aktien. Der sogenannte „Home Bias“, also das Setzen auf Investments im eigenen Land, ist für Amerikaner weniger problematisch. Schließlich steht der amerikanische Aktienmarkt für rund zwei Drittel der weltweiten Marktkapitalisierung. Auch beim Thema Immobilien sind US-Amerikaner zumeist pragmatischer. Man zieht häufiger um, wohnt aber trotzdem weniger zur Miete. Immobilien werden in Amerika stärker gehebelt und schneller wieder verkauft. In Deutschland ist der Immobilienkauf viel stärker mit Emotionen besetzt. Bei den Finanzanlagen fällt auf: Die Amerikaner nutzen häufiger Geldmarktfonds, deren Rendite in etwa dem Niveau der Zentralbankrate entspricht. Einlagen auf deutschen Giro- sowie Tages- und Festgeldkonten rentieren zumeist geringer.
Vermögensstruktur kritisch überprüfen: 6 Empfehlungen
Aus den skizzierten Beobachtungen lässt sich ableiten, dass viele deutsche Haushalte ihre Vermögensstruktur stärker auf renditestarke Anlageklassen ausrichten sollten. Wichtig: Dies sollte immer mit einer Überprüfung der Risikoeinstellung einhergehen. Dazu nachstehend sechs Empfehlungen:
Tipp 1: Stellen Sie Transparenz über Ihr Vermögen her
Listen Sie ihre wichtigsten Vermögensteile auf und ordnen diesen einen Wert zu. Idealerweise können Sie jeweils eine Renditeerwartung vermerken.
Tipp 2: Setzen Sie sich Ziele für den Vermögensaufbau
Formulieren Sie konkrete Ziele, welchen Vermögenszuwachs Sie bis zu einem konkreten Datum in der Zukunft erreichen wollen. Überlegen Sie, welcher Teil davon realistisch aus Sparleistungen und welcher durch Renditen erzielt wird.
Tipp 3: Überprüfen Sie Ihre Glaubenssätze in Bezug auf Immobilienbesitz
Verfügen Sie über vermietete Immobilien? Ermitteln Sie die aktuelle und zukünftige Rendite. Machen Sie sich mit den Risiken und möglichen Nachteilen vertraut. Wägen Sie ab, ob die ermittelte Rendite zu dem hohen Klumpenrisiko in einem vernünftigen Verhältnis steht.
Tipp 4: Hinterfragen Sie Ihre Risikoeinstellung in Bezug auf Aktien
Aktien bieten langfristig eine gute Möglichkeit, die Renditeaussichten im eigenen Vermögen zu erhöhen. Haben Sie Vorbehalte gegen den Aktienmarkt, sollten Sie diese überprüfen. Vergleichen Sie die Risiken und Transaktionskosten eines breit gestreuten Aktienportfolios mit denen von vermieteten Immobilien.
Tipp 5: Informieren Sie sich über Alternativen zum Tages- oder Festgeld
Informieren Sie sich über Alternativen zu Tages- und Festgeld. Geldmarktfonds (etwa in Form günstiger ETFs) bieten oftmals höhere Zinsen, sind einfach zu handhaben und bieten eine gute Lösung für den risikoarmen Teil des Vermögens.
Tipp 6: Planen Sie die Umsetzung und holen Sie sich unabhängigen Rat
Tauschen Sie sich zu dem Thema aus. Suchen Sie sich zum Beispiel einen unabhängigen Vermögensberater oder Finanzcoach. Stellen Sie eine Liste mit konkreten Maßnahmen auf.
Fazit
Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass amerikanische Haushalte zwar weniger sparen, dafür aber viel stärker die Märkte für sich arbeiten lassen. Deutsche Finanzvermögen sind oftmals defensiver ausgerichtet, als sie sein müssten. Auch das hat kulturelle Gründe. Durch eine Anpassung der Vermögensstruktur haben deutsche Haushalte die Möglichkeit, ihrem Vermögensaufbau mehr Dynamik zu verleihen.
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Die Kolumne „Verkehrte Finanzwelt„ entsteht in Zusammenarbeit mit der CFA Society Germany.