Verkehrte (Finanz)Welt

Das Geld der Zukunft. Die Zukunft des Geldes.

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Die Tücken des virtuellen Geldes

Künftig soll das Bezahlen noch schneller und immer häufiger ohne menschlichen Intermediär möglich sein. Biometrische Erkennung, Fingerabdruck, Gesichtserkennung oder Iris-Scan lösen Passwörter zur Authentifizierung ab. Mit der vollkommenen Digitalisierung aller Zahlungsströme lassen sich unsere Lebensgewohnheiten im Detail nachvollziehen und modellieren. Vor dieser Preisgabe der Privatsphäre beim Übergang auf reines Buchgeld warnen Datenschützer. Viele Verbraucherschützer sehen das Bargeld zudem als Schutzwall und Untergrenze gegen die derzeitigen Niedrig- und Negativzinsen. Anthropologen geben zu bedenken, dass eine „Entstofflichung“ der Zahlungsmittel zu einem leichtfertigen Umgang mit Geld – und damit mehr Verschuldungen – führen könnte.

Neue Währungen und die Hoheit über das Geld

Die Interessenlage ist teilweise ambivalent. So dient die geschilderte Entwicklung im politischen Raum den Möglichkeiten staatlicher Kontrolle – etwa um per Knopfdruck einzelne Personen oder Gruppen vom Zahlungsverkehr auszuschließen. Gleichsam setzt die Digitalisierung des Geldes die staatliche Souveränität, nicht zuletzt die Zentralbanken, unter Druck.

von Christian Ramthun, Cordula Tutt, Malte Fischer, Max Haerder, Sven Böll

Mit dem technologischen Fortschritt erwachsen gänzlich neue Wettbewerber. Bitcoins und Kryptowährungen entwickeln bereits Infrastrukturen zur Übertragung und Verwahrung von Vermögenswerten mittels Blockchain-Lösungen. Projekte privater Anbieter mit digitalen Tokens, wie etwa Libra (beteiligt sind unter anderem Facebook, Uber, Spotify und Vodafone), stehen in den Startlöchern und treten als Alternative zu staatlichen Währungen an. Zahlreiche Vertreter aus dem europäischen Regulierungsumfeld haben sich mit dem Verweis auf die Preisgabe von Daten an private Organisationen bereits gegen entstaatlichtes Geld positioniert. Noch wichtiger dürfte allerdings die Befürchtung sein, mit dem Aufstieg neuer Währungen die Kontrolle über die Geldmenge innerhalb einer Volkswirtschaft zu verlieren.

Ausblick

Zu einem Zeitpunkt, da die Politik der EZB die öffentliche Meinung spaltet, gar ehemalige Zentralbanker den Übergang von Geld- zu Fiskal- und Wirtschaftspolitik und monetärer Staatsfinanzierung beanstanden, bietet sich privaten Anbietern wie Libra vermeintlich ein Gelegenheitsfenster, um für eigene Interessen zu lobbyieren. Kostengünstig sollen die neuen Währungen sein, effizient und unerreicht schnell, so die Werbeversprechen. Gleichzeitig würde die von zahlreichen EZB-Skeptikern hervorgebrachte Kritik an der „Umverteilung durch die Hintertür“ hier vermutlich auf einem anderen, noch weniger transparenten Wege erfolgen, wenn private Großkonzerne Kontrolle über eine Weltwährung ausüben könnten. Die staatlichen Notenbanken werden sich entlang ihrer skizzierten Funktion (Transaktion, Wertaufbewahrung und Buchhaltung) zunehmend mit neuen Fragen und Wettbewerbern rund um die „Selbstverständlichkeit des Geldes“ auseinandersetzen müssen.

Unser Geld verändert sich. Viele dieser Veränderungen machen unser Leben einfacher. Es gibt jedoch kritische Stimmen, die ihre Berechtigung haben. Für unsere Gesellschaft ist es daher wichtig, frühzeitig Antworten auf die sozialen und individuellen Risiken der Virtualisierung des Geldes zu finden.

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