Verkehrte (Finanz)welt
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EU-Konsultation: Wie sollen Unternehmen künftig berichten?

Wie relevant die Qualität der Unternehmensberichterstattung ist, hat nicht zuletzt der Fall Wirecard in Deutschland gezeigt. Eine Umfrage unter Finanzexperten deutet auf Handlungsbedarf hin. Bis zum 18. Februar 2022 kann man sich an der EU-Konsultation zur Unternehmensberichterstattung beteiligen.

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Noch bis zum 18. Februar läuft die öffentliche Konsultation der Europäischen Kommission zur Verbesserung der Qualität und Durchsetzung der Unternehmensberichterstattung. Ziel dieser Konsultation ist es, mögliche Probleme und Lösungsansätze zu identifizieren und zu bewerten, um langfristig die Kapitalmarktunion attraktiver zu gestalten und den Anlegerschutz zu stärken. Neben Unternehmen, Abschlussprüfern, Behörden und institutionellen Kapitalmarktteilnehmern sind auch Privatanleger eingeladen, sich an einer Onlineumfrage zu beteiligen. Auch wenn der Fragebogen nicht besonders benutzerfreundlich erscheint und teilweise regulatorisches Wissen voraussetzt, kann man mit einer Teilnahme Einfluss auf die EU-Politik nehmen.

Der Fall Wirecard hat exemplarisch gezeigt, dass allen gesetzlichen Vorschriften und Empfehlungen zum Trotz, Verbesserungspotenzial bei der Unternehmensberichterstattung besteht. Der deutsche Gesetzgeber hat daraufhin im vergangenen Jahr mit dem Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) versucht, Defizite im Bereich der Corporate Governance, Abschlussprüfung und der staatlichen Aufsicht auf nationaler Ebene zu adressieren. So wurden zum Beispiel bei Unternehmen von öffentlichem Interesse höhere Anforderungen an den Sachverstand des Aufsichtsrats sowie die Pflicht zur Bildung eines Prüfungsausschusses gesetzlich verankert, die Mandatshöchstlaufzeit von Abschlussprüfern stärker begrenzt und deren zivilrechtliche Haftung verschärft oder das Enforcement-Verfahren reformiert.

Beispiel Abschlussprüfungsqualität

Eine Befragung speziell zur Abschlussprüfung unter den Mitgliedern der CFA Society Germany, welche mehrheitlich professionelle Anleger, Finanzanalysten und Investment Manager umfasst, deutet auf weiteren Handlungsbedarf hin. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Abschlussprüfungsqualität mehrheitlich als nicht ausreichend hoch wahrgenommen wird. Bemerkenswert ist auch, dass nicht einmal 20 Prozent der Befragten angaben, dass sie über ausreichend öffentlich zugängliche Informationen verfügen, um die Abschlussprüfungsqualität beurteilen zu können. Auf den ersten Blick scheint dieses Ergebnis überraschend, da der Bestätigungsvermerk von Unternehmen von öffentlichem Interesse mittlerweile um zusätzliche Informationen zu den besonders wichtigen Prüfungssachverhalten (Key Audit Matters) erweitert ist. Darüber hinaus sind Abschlussprüfer von Unternehmen von öffentlichem Interesse verpflichtet, Transparenzberichte zu veröffentlichen, in denen unter anderem die Rechts- und Eigentümerstruktur, das interne Qualitätssicherungssystem oder aber auch aufgeschlüsselte Angaben zum Gesamtumsatz des Abschlussprüfers bzw. der Prüfungsgesellschaft beschrieben werden.

Interessanterweise nutzt jedoch eine deutliche Mehrheit der befragten Mitglieder keine Transparenzberichte zur Beurteilung der Abschlussprüfungsqualität. Einer der Hauptgründe: die Transparenzberichte enthalten nicht ausreichend relevante Informationen zur Beurteilung der Abschlussprüfungsqualität. Folglich ist es schwieriger, die Qualität der Unternehmensberichterstattung zu beurteilen.

Wünschen würden sich die Befragten detailliertere Informationen über Interessenskonflikte, nicht nur zwischen dem Abschlussprüfer und dem geprüften Unternehmen, sondern auch innerhalb des Prüfungsteams. Zudem wird empfohlen, dass Erläuterungen zur Zusammensetzung und Erfahrung des Prüfungsteams veröffentlicht werden. Schließlich wären zusätzliche Informationen über die durchgeführten Prüfungsverfahren, einschließlich der verwendeten Wesentlichkeitsschwellen, und den für die Prüfung benötigten Zeitaufwand von Interesse.

Kritik und Vorschläge gewünscht

Insgesamt fordern die befragten Finanzexperten mehr auftragsspezifische Informationen über die durchgeführte Prüfung und die beteiligten Personen; also Informationen, die über den bisherigen erweiterten Bestätigungsvermerk sowie das aggregierte Reporting zum Abschlussprüfer bzw. zur Prüfungsgesellschaft hinausgehen.

Eine Fortentwicklung der Regulierung zur Unternehmensberichterstattung ist jedoch nicht nur bei der Abschlussprüfung, sondern auch der Corporate Governance und der staatlichen Aufsicht wünschenswert, wie auch die Stellungnahmen zahlreicher Stakeholder zum FISG verdeutlichen.

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Nicht alle Vorschläge dieser Stellungnahmen hat der deutsche Gesetzgeber berücksichtigt. Die öffentliche Konsultation der Europäischen Kommission zur Unternehmensberichterstattung bietet eine weitere Gelegenheit, die bisherige Regulierung kritisch zu begleiten. Dies umfasst alle Kapitalmarktteilnehmer, auch Privatanleger, ganz nach dem Wunsch der Europäischen Kommission: „Machen Sie Vorschläge, wie das EU-Recht zukunftsfähig und effizienter werden kann!“ Bis zum 18. Februar haben Anleger noch die Chance dazu.

Mehr zum Thema: Ex-Firmenchef Markus Braun gibt sich als Opfer, Staatsanwältin Hildegard Bäumler-Hösl will seine Schuld beweisen. Ein Blick auf die sechs zentralen Figuren im Fall Wirecardund was 2022 für sie auf dem Spiel steht.

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