
Über Jahrzehnte war die Lebensversicherung die beliebteste Police der Deutschen. Laut Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) gibt es 91 Millionen Policen hierzulande. Rein rechnerisch hat jeder Einwohner Deutschlands mehr als einen Vertrag. Sie dienen überwiegend dem finanziellen Schutz der Hinterbliebenen im Todesfall und dem Vorsorgesparen, zum Beispiel für die Rente im Alter. 2015 zahlten die deutschen Lebensversicherer 228 Millionen Euro aus – jeden Tag. Im Jahr beziehen die Versicherten so mehr als 83 Milliarden Euro aus Lebensversicherungsverträgen.
Die Notenbankpolitik der an der Nulllinie liegenden Leitzinsen setzte der Branche in den vergangenen Jahren jedoch schwer zu. Weil die Renditen aus risikolosen Geldanlagen – eben sogenannten Rentenpapieren – immer weiter sinken, können die Versicherer auch die Sparguthaben ihrer Kunden nicht mehr so üppig verzinsen und die an die Kunden gezahlten Überschüsse gehen zurück.
Selbst alte Verträge aus den Neunzigerjahren und Fondspolicen, die das Geld der Sparer an der Börse investieren, verzeichnen vielfach sinkende Überschüsse und erreichen die prognostizierten Renditen nicht. Ein paar Beispiele, die der Verbraucherzentrale Hamburg vorliegen: Eine Police der Ergo Direkt aus dem 1996 erreichte in zwanzig Jahren lediglich eine Durchschnittsrendite von 1,57 Prozent pro Jahr. Ein Vertrag der Karlsruher von 1980 weist nur eine Beitragsrendite von 2,16 Prozent pro Jahr aus. Bei der Westfälischen Provinzial brachten zwölf Jahre mit Vertragsbeginn 2002 nur 2,27 Prozent jährlich – obwohl damals die Zinswelt noch in Ordnung war.
Raus aus der unrentablen Lebensversicherung
Wer so einen alten Vertrag hat, sucht nach Auswegen und Alternativen. Und an dieser Stelle wird es schwierig. Den Vertrag kündigen? Dann ist ein Teil der Ersparnisse weg, weil Abschlusskosten und Gebühren den Rückkaufwert der Police schmälern. Den Vertrag ruhen lassen und beitragsfrei stellen? Dann geht zwar kein Geld verloren, aber der Versicherte kommt bis zum Vertragsende nicht an das eingezahlte Geld ran. Die Police an einen Drittanbieter verkaufen? Das ist kaum besser als eine Kündigung, die Aufschläge auf den Rückkaufwert sind oft nur gering. Einzahlen bis zum bitteren Ende? Wenn die Rendite enttäuscht, ist das, als ob man gutem Geld schlechtes hinterherwürfe. Ist sie jedoch hoch, lohnt weiteres Ansparen umso mehr.
Wer eine Lebensversicherung loswerden will, muss sich also zwischen vier Möglichkeiten entscheiden: Warten auf das Laufzeitende, kündigen, verkaufen oder widerrufen. Welche Variante die beste ist, hängt stark vom Einzelfall ab. „Alle vier Möglichkeiten können sinnvoll sein, dazu gibt es keine allgemeingültige Empfehlung“, sagt Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten. Der Bund der Versicherten bietet daher ähnlich den Verbraucherzentralen seinen Mitgliedern (Jahresbeitrag 60 Euro) eine erste Einschätzung und Entscheidungshilfe an.
Wer eine Police aus der Zeit von Juli 1994 bis Dezember 2007 hat, hat vielleicht die attraktivste Chance, aus dem Vertrag rauszukommen. Enthält der Vertrag nämlich eine fehlerhafte Widerspruchsbelehrung oder fehlt diese ganz, kann er dem alten Vertrag auch heute noch widersprechen. Dann ist die Rückabwicklung des Vertrags möglich, das heißt, die Vertragspartner müssen einen Zustand herstellen, als hätte es den Vertrag nie gegeben.
Map-Report 2016: Beitragsrenditen nach 12 Jahren Laufzeit - Top 3
Anbieter: Debeka
Garantierte Rendite¹: 2,1
Erreichte Rendite²: 3,9
¹ garantiert beim Vertragsschluss vor 12 Jahren; ² Tatsächlich erreichte Ablaufleistung zum Vertragsende am 31.12.2015;
Annahmen: jeweils 1200 Euro Jahresbeitrag, Ablauftermin ist jeweils der 31. Dezember, ohne Rabatte, 100 Prozent Todesfallleistung, bei Vertragsbeginn 30-jähriger Mann (Journalist, Nichtraucher)
Quelle: map-Report, VersicherungsJournal
Anbieter: Europa
Garantierte Rendite¹: 1,8
Erreichte Rendite²: 3,9
¹ garantiert beim Vertragsschluss vor 12 Jahren; ² Tatsächlich erreichte Ablaufleistung zum Vertragsende am 31.12.2015;
Annahmen: jeweils 1200 Euro Jahresbeitrag, Ablauftermin ist jeweils der 31. Dezember, ohne Rabatte, 100 Prozent Todesfallleistung, bei Vertragsbeginn 30-jähriger Mann (Journalist, Nichtraucher)
Quelle: map-Report, VersicherungsJournal
Anbieter: DEVK Eisenbahn
Garantierte Rendite¹: 1,1
Erreichte Rendite²: 3,8
¹ garantiert beim Vertragsschluss vor 12 Jahren; ² Tatsächlich erreichte Ablaufleistung zum Vertragsende am 31.12.2015;
Annahmen: jeweils 1200 Euro Jahresbeitrag, Ablauftermin ist jeweils der 31. Dezember, ohne Rabatte, 100 Prozent Todesfallleistung, bei Vertragsbeginn 30-jähriger Mann (Journalist, Nichtraucher)
Quelle: map-Report, VersicherungsJournal
Garantierte Rendite¹: 1,1
Erreichte Rendite²: 2,8
¹ garantiert beim Vertragsschluss vor 12 Jahren; ² Tatsächlich erreichte Ablaufleistung zum Vertragsende am 31.12.2015;
Annahmen: jeweils 1200 Euro Jahresbeitrag, Ablauftermin ist jeweils der 31. Dezember, ohne Rabatte, 100 Prozent Todesfallleistung, bei Vertragsbeginn 30-jähriger Mann (Journalist, Nichtraucher)
Quelle: map-Report, VersicherungsJournal
Schon bei Immobilienfinanzierungen sorgten fehlerhafte Widerrufsbelehrungen dafür, dass viele alte Kreditverträge noch immer widerrufbar sind. Zigtausende Kreditschuldner haben sich schon auf den „Widerrufsjoker“ berufen. Wer damit Erfolg hatte, profitiert von einer Rückabwicklung und kann seine Immobilie zu den aktuellen, viel günstigeren Konditionen abschließe und viele tausend Euro sparen.
Allerdings muss der Widerruf erst durchgesetzt werden, denn die meisten Banken wehren sich vehement gegen den späten Widerruf und lassen es auf ein Gerichtsverfahren ankommen. Und die Gerichtsurteile zu diesen Fällen sind leider weder einheitlich noch höchstinstanzlich.