Schwarzwaldstube „Sterne-Küche ist realistischer geworden“

Torsten Michel Quelle: Daniel Delang für WirtschaftsWoche

Torsten Michel führt nach dem Streit mit seinem Vorgänger Harald Wohlfahrt seit einigen Monaten Deutschlands bestes Restaurant. Von Küchen-Trends hält er wenig, dafür von Mitarbeiterführung und Luxus auf dem Teller.

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„Die überraschendste Restaurant-Hauptstadt der Welt“ hat die New York Times das Schwarzwald-Örtchen Baiersbronn getauft. In der Tat tummeln sich in dem 16.000-Einwohner Ort zwei Restaurant des höchsten Kategorie 3 Sterne und ein weiteres Sterne-Restaurant. So sicher wie die Exzellenz war dabei in den vergangenen Jahrzehnten in Baiersbronn nur eins: Dass man dort diskret seinen Gastro-Geschäften nachging. Bis im vergangenen Jahr.

Im Sommer verließ der Küchenchef von Deutschlands derzeit renommiertesten Restaurant Schwarzwaldstube, Harald Wohlfahrt, im Streit seinen Posten. Nachdem er zuvor 25 Jahre lang hintereinander seine drei Sterne verteidigt hatte. Zwar stand mit Torsten Michel seit zwölf Jahren ein Nachfolger fest – dennoch überraschte den 40-Jährigen die Plötzlichkeit der Amtsübernahme. Er konzentrierte sich zunächst auf die Küche, verteidigte die drei Michelin-Sterne des Restaurants – und spricht nun über seine Pläne.

Herr Michel, was muss ich unbedingt essen, wenn ich bei Ihnen in der Schwarzwaldstube zu Gast bin?
Wir stehen hinter jedem Gericht unserer Karte. Das sind wir. Ich würde da nie etwas hervorheben.

Aber was ist Ihr persönliches Lieblingsessen?
Ich kann mich für vieles begeistern. Aber die gebeizte Bernstein-Makrele mit Entenmuscheln und Seeigeln ist schon etwas besonderes. Oder Steinbutt im Algensalzteig. Ich würde immer eher extra kleine Portionen bestellen, damit noch Platz ist für anderes. Nur auswählen fällt mir schwer. Ich tue halt nicht gerne einzelnen Produkten unrecht, indem ich andere bevorzuge.

Wie würden Sie Ihren Küchenstil charakterisieren?
Das ist eine klassische französische Küche, zeitgemäß und leicht interpretiert, aus dem Besten der Saison.

Sie wirkt vor allem extrem unaufgeregt.
Wir sind hier in Tonbach und nicht in einer Metropole. Ich verstehe unaufgeregte Küche deswegen als Kompliment, weil man dann mit Produktqualität und raffinierter Zubereitung glänzen muss. Es ist eine tolle Motivation, dass die Gäste gezielt hierherkommen.

Reizt es Sie nicht dennoch manchmal, stärker gewissen Trends zu folgen?
Natürlich würde ich mit einem Trend irgendwen erreichen. Aber was ist mit den vielen Leuten, die genau wegen der Unaufgeregtheit hierherkommen? Viele Gäste sind schon mit Ihren Eltern hergekommen und nun Stammgäste. Jedes Konzept hat an einem Platz seine Berechtigung. Als ich das erste Mal im Noma war, war ich geblendet. Aber so eine Küche können Sie nur in der Großstadt oder eben dem richtigen Ort dafür machen.

Empfinden Sie das als Einschränkung?
Nein. Das ist keine Einschränkung sondern eine Herausforderung. Wir haben ein sehr esserfahrenes Publikum, die wissen, was an Qualität und Zubereitung möglich ist. Wir dürfen uns keine Qualitätsschwankungen erlauben und müssen die Menüs behutsam entwickeln. Das ist aber keine Belastung. Wenn Gäste immer wieder kommen, ist das das schönste Kompliment.

Wie experimentierfreudig ist Ihre Kundschaft?
Unsere Gäste sind sehr, sehr offen. Aber wir können auch schon einschätzen, mit was wir auf Missverständnis stoßen

Zum Beispiel?
Das wäre ungerecht, wenn ich dazu jetzt was sage. Ich arbeite hier schon so lange, weil mich die französische Küche in der Perfektion seit vielen Jahren fasziniert. Diese französischen Wurzeln und der Spielraum, den wir links und rechts haben. Das ist toll. Brauchen wir mehr Mut? Das wird die Zeit zeigen. Wir müssen da unsere eigenen Erfahrungen sammeln.

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