Winzer Günther Jauch "Wein verkaufen ist weniger glamourös als "Wer wird Millionär?""

Günther Jauch auf seinem Weingut Quelle: Presse

Günther Jauch ist nicht nur der beliebteste Deutsche – sondern auch Betreiber eines der ältesten und renommiertesten Weingüter. Ein Gespräch über Wein, Unternehmertum und die Kunst des richtigen Rauschs.

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Als Günther Jauch an diesem Morgen vor seiner besten Lage steht, ist der Boden weich. In den vergangenen Tagen hat es geregnet, und das kann er gerade jetzt überhaupt nicht brauchen. Es ist mitten in der Weinlese. Wenn die Trauben nun zu viel Wasser abbekommen, beginnen sie zu faulen. Aus einem Jahrgang wird dann schnell eine Herausforderung. „Aber es sieht gut aus“, sagt Jauch und guckt in den Himmel, als habe er nie etwas anderes gemacht, als das Wetter an der Saar zu beobachten.

Vor sieben Jahren hat sich Jauch ein Weingut gekauft, das über Generationen seinen Vorfahren gehörte. Alle paar Wochen schaut er vorbei, hier in Kanzem an der Saar, wenige Autominuten von Trier entfernt.

Jauch meint das ernst mit dem Weingut. Tauscht sich mit dem Kellermeister aus, grübelt über das richtige Marketing für seinen Wein, hilft mit, dass der Gutsname von Othegraven wieder strahlt. Wie er da zwischen dem pittoresken, in den Fünfzigerjahren gebauten Stammhaus und dem Altenberg, der längsten zusammenhängenden Steillage Europas herumstiefelt, unterscheidet sich der Fernsehmoderator sichtlich von jenen Promis, die Weingüter nur als Trophäe für die Spätphase eines erfolgreichen Lebens sammeln.

Zur Person

WirtschaftsWoche: Herr Jauch, Sie betreiben eines der besten Weingüter an der Saar, obwohl Sie früher gar keinen Wein getrunken haben. Was hat Sie daran gestört?
Günther Jauch: Ich habe bis zum 30. Lebensjahr gar keinen Alkohol getrunken, weil er mir nicht geschmeckt hat. Ich war da allerdings schon zehn Jahre in Bayern und habe mich regelmäßig damit unbeliebt gemacht, dass ich Florida Boy bestellt habe, während alle anderen Weißbier tranken.

Florida Boy?
So eine Orangenlimonade, die beliebt war. Irgendwann hatte ich genug davon, dass die anderen mich dafür auslachen, und habe mit Weißbier begonnen. Aber Wein trinke ich erst seit meinem 40. Lebensjahr.

Wie hat das angefangen?
Ich habe eine klassische Weinanfänger-Sozialisierung durchlaufen. Am Anfang habe ich nur Rotweine getrunken, gerne die Fruchtbomben aus der neuen Welt. Dann kam irgendwann der Weißwein dazu, und auch da beginnt man im Allgemeinen mit den breiteren, fetteren, burgundischen Weintypen. Erst durch mehr und gleichzeitig bedächtigeres Trinken schätzt man andere Dinge. Wenn ich als absoluter Anfänger auf Weine von unserem heutigen Weingut von Othegraven getroffen wäre, hätten die mir nicht auf Anhieb geschmeckt.

Der Durchschnittsdeutsche trinkt eine halbe Flasche Wein pro Woche. Wie viel Sie?
Ich müsste nachzählen. Das schwankt sicher ...

Trinken Sie denn jeden Tag Wein?
Nein.

Und trinken Sie nur eigenen?
Gerade nicht, den kenne ich ja. Ich trinke mit großer Freude andere Weine. Auch um zu lernen, wie die Kollegen es machen.

"Schlanke und mineralische Weine"

Nach welchen Kriterien entscheiden Sie sich für einen Wein?
Wir lassen uns sehr gerne beraten. Auch auf die Gefahr hin, dass der dann doch keine Offenbarung ist. Beim Wein sollte man immer neugierig sein, immer experimentieren.

Insgesamt ist der Alkoholkonsum ja rückläufig, auch der Rausch an sich ist nicht mehr salonfähig.
Eindeutig. Aber das kommt unseren Weinen sehr entgegen.

Warum?
Weil die nicht so viel Alkohol haben. Das sind schlanke und mineralische Weine, keine Bomben. Nach einer Flasche Saarriesling mit einem dicken Kopf aufzuwachen ist schon eine Kunst.

Was darf, was muss, was kann auf einem Weinetikett stehen?

Haben Sie nicht gerne mal einen sitzen?
Aber nicht um den Preis des Kontrollverlusts. Und wenn Sie trinken wollen, um ordentlich einen sitzen zu haben, können Sie das billiger haben als mit gutem Wein.

Es geht ja darum, stilvoll einen sitzen zu haben.
Das ist ja die leichteste Arbeit, das können Sie über die Menge steuern. Wenn Sie zwei Flaschen von unserer Spätlese trinken, haben Sie ja immer noch weniger intus als mit einer Flasche Amarone, die zuweilen bei über 15 Prozent liegt. Gerade unseren leichten Weinen wird nachgesagt, dass nach der ersten schnell die zweite Flasche bestellt wird, weil die so schön unkompliziert sind, ohne trotzdem auf Raffinesse und Eleganz zu verzichten.

Im Gegensatz zum Rest der Weinbranche, meinen Sie?
Ich kann mich über Wein in die letzte Verästelung unterhalten. Doch ganz ehrlich: Sie können das auch bis ins Absurde übertreiben. Dabei weiß ein jeder, vom Anfänger bis zum önologischen Connaisseur, ob ihm der Wein schmeckt oder nicht.

Doch wenn der Wein besonders teuer ist, trauen sich die wenigsten, ihre ehrliche Meinung zu sagen.
Das mag sein. Gelegentlich wird zum Beispiel Russen nachgesagt, die rarsten Château Pétrus mit Cola aufzufüllen. Als ich mich einmal darüber mokierte, sagte mir ein Freund: Die Asiaten gucken auf uns herab, wenn wir Milch in den Tee gießen. Da soll jeder nach seiner Fasson selig werden.

Warum ist Wein kultivierter als anderer Alkohol?
Sie haben eine Bandbreite an Bearbeitung, an Aromen, an Faktoren, die auf den Wein wirken. Und beim Riesling, den wir hier ausschließlich anbauen, ist das noch mal vielschichtiger. Ich habe nichts gegen einen netten Grauburgunder, aber was Sie beim Riesling hier bei uns an Bandbreite und Geschmacksvariationen auf höchstem Niveau kriegen, ist enorm. Dieses Alleinstellungsmerkmal führte vor 100 Jahren dazu, dass speziell unsere Weine die teuersten der Welt waren.

Jauch betritt die Kelterhalle. Am Vortag wurden die Trauben der Lage Bockstein geerntet und gepresst. Der Saft ist erst wenige Stunden im Fass, als ein Mitarbeiter eine Probe abzapft. Goldgelber Traubenmost, aus Riesling, wie alle Weine von Günther Jauch. Die Kellerarbeit erledigt für ihn Andreas Barth, eine anerkannte Instanz in der Branche. Jauch kostet ein Probeglas, nickt seinem Mitarbeiter anerkennend zu. Der Saft ist so extraktreich, dass klar ist: Daraus wird ein großer Wein.

Die Fokussierung auf Riesling hat Tradition, wie so vieles im Betrieb: der Ausbau leichter Weine etwa, oder dass es in der Kollektion mindestens einen Wein geben muss, der erst nach Jahren richtig ausgereift ist. Solche Weine bringen nicht nur viel Anerkennung in Weinratings, sondern auch mehr Geld.

"Vom Wein als Anlageobjekt rate ich eher ab"

Im September hat Ihr Kollege Egon Müller einen Wein für mehr als 1000 Euro pro Flasche verkauft. Was halten Sie von Wein als Anlageobjekt?
Wir stellen eine sprunghaft gestiegene Nachfrage nach gereiften Weinen fest. Wir haben auf der gleichen Auktion unsere Spätlese immerhin komplett verkauft, für 100 Euro brutto die Flasche. Das finde ich schon gewaltig. Vom Wein als Anlageobjekt rate ich aber eher ab. Da müssen Sie ein absoluter Profi sein. Ansonsten bringt Sie eine Überschwemmung im Keller oder falsche Lagerung schnell um Ihr Vermögen.

Wie erklären Sie einem Laien, dass der Wein 100 Euro wert ist?
Weil Menschen den mit Recht als etwas Besonderes empfinden. In dem Fall war das so: Es gab sofort ein Bietgefecht, weil gleich mehrere unbedingt die ganze Partie haben wollten. Dann sollte ich wegen der hohen Nachfrage noch zusätzliche Flaschen in die Auktion geben. Das wollte ich aber nicht. Was selten ist, soll selten bleiben.

Bis zu welcher Grenze sind solche Preise objektiv nachvollziehbar?
Es gibt zwei Möglichkeiten der Erklärbarkeit. Das eine ist der Aufwand, der betrieben werden muss, um eine Flasche Wein zu erzeugen. Das ist natürlich relativ einfach zu berechnen. Was anderes ist es, zu würdigen, wie Wein schmeckt, wie Boden, Klima, die Arbeit im Weinberg und der Kellermeister etwas zu einem großen Wein beitragen. Wenn wir dann auch über Weine reden, die sich ihren Namen über Jahre verdient haben, dann greifen natürlich schwerer zu greifende Grundsätze, was die Preisgestaltung angeht. Das ist wie bei der Kunst: Am Ende glauben Sie an die Faszination von besonders bemalten Leinwänden oder eben besonders behandelten Traubensäften.

Weine, die über Jahrzehnte an Wert gewinnen, ein Weingut mit Jahrhunderten Geschichte – dabei kommen Sie aus dem flüchtigen Fernsehgeschäft. Haben Sie den Gegensatz bewusst gesucht?
Beim Fernsehen kriegen Sie den Erfolgsnachweis über die Quote ja sofort am nächsten Tag. Dann können Sie unmittelbar anfangen, die Stellschrauben zu drehen. Hier ist das allein durch die Vorgabe der Natur viel träger. Im Weingut bekomme ich maximal drei Mal im Jahr eine Quote: Wie ist die Ernte? Wie reift der Wein im Keller? Und wie nehmen die Menschen den Wein an?

Was ist erfüllender: ein Topjahrgang oder eine Topquote?
Fernsehen mache ich seit 40 Jahren, da kenne ich mich aus. Da habe ich vom großen Flop bis zu absoluten Dauerbrennern alles erlebt. Aber hier, wenn man mit der Natur zu tun hat, muss man einsehen, dass man an seine Grenze stößt. Ich habe hier vor sieben Jahren als völlig Ahnungsloser begonnen und schon gelernt, dass ich noch mal eine richtige Neugier entwickeln musste.

Ist Ihnen die Rückversetzung zum Lehrling schwergefallen?
Ich lerne ja immer noch. Hier ist jeder Tag etwas anders. Und sei es, dass meine Frau und ich wie Staubsaugervertreter mit unserem Köfferchen voller Weine über Land ziehen und die in der Spitzengastronomie vorstellen. Das ist natürlich weniger glamourös als „Wer wird Millionär?“.

… wobei es auch auf einer Art Bühne stattfindet …
Aber auf einer deutlich kleineren. Und der Applaus kommt zeitversetzter. Dort ist es eine Form von Erfolg, wenn man feststellt: Unsere Weine sind begehrt.

"Kein Hobby"

Warum verstecken Sie Ihren Namen auf den Weinflaschen?
Als das hier losging, kamen ungefragt Dutzende Berater auf mich zu und wollte mir erklären, wie das hier geht. Einer wollte das Weingut in „Jauch“ umbenennen, das Millionärssiegel und mein Foto vorne draufkleben. Klar hätte man das schnell machen können. Aber bei von Othegraven habe ich mich ganz bewusst entschieden, es bei der Tradition zu belassen.

Das Weingut von Othegraven ist seit mehr als 200 Jahren in Familienbesitz. Zuletzt wurde es von Jauchs Tante und Onkel geführt. Als Kind kam Jauch oft hierher, heute bewohnt er mit seiner Frau das Eckzimmer des Anwesens mit Blick auf den parkähnlichen Garten. In diesen Tagen ist er häufiger da als sonst, zumindest wenn keine TV-Sendungen anstehen.

Es ist gerade Mittagszeit, als rund 30 Menschen in den Hof kommen. Die Erntehelfer machen Mittagspause und grüßen ihren Chef. Sechs Leute arbeiten fest auf dem Weingut und kümmern sich um Keller und Weinberge.

Was haben Sie denn in den vergangenen sieben Jahren konkret getan, um das Weingut zukunftsfähig zu machen?
Das Gut hier war in allen Bereichen auf dem Stand der Fünfzigerjahre. Da wussten wir, dass wir die Weichen anders stellen müssen, dass wir zum einen hier sanieren, dann aber auch rausgehen, das Gut öffnen mussten. Trotzdem geht so was in so einem Weingut langsam. Deswegen haben wir uns am Anfang entschlossen, sofort Gas zu geben und nicht alle paar Jahre was zu machen. Und nun sieht es zum Glück gut aus.

Wie teuer ist Ihnen dieses Hobby?
Es ist eben kein Hobby. Wir haben das Glück, dass wir von dem Weingut an sich nicht leben müssen. Es gibt nun Freunde, die sagen: Es ist doch völlig egal, was das hier kostet und ob das funktioniert, Hauptsache, ihr habt es schön und sitzt abends auf der Terrasse und haut eine Spätlese nach der nächsten weg. Nur, so ist es zum Glück in Wirklichkeit nicht. Es würde keine Freude bereiten, einen Betrieb zu haben, von dem Sie wissen, dass er langfristig nicht überlebensfähig ist. Das macht ihn ja auch nicht zukunftsfähig. An wen wollen Sie denn irgendwann einmal einen solchen Betrieb übergeben?

Der Klimawandel verändert den Weinanbau
Bei vier Grad Erwärmung lägen die Bedingungen der Champagne in England.
An der Südküste Australiens würde die Weinqualität leiden.
Auch in den USA würden sich die idealen Anbaugebiete verlagern.
Und in Neuseeland würde es für Weinanbau im Norden zu heiß.

An wen würden Sie das Weingut denn gerne übergeben?
Das ist momentan noch völlig offen. Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir am Markt erfolgreich sind.

Haben Sie manchmal Angst, dass Sie etwas zu spät mit dem Wein angefangen haben?
Meine Frau und ich haben mit Mitte 50 sicher spät angefangen. Eigentlich muss man das mit Mitte 30 machen und sagen: Jetzt lege ich den Grundstein für die nächsten 35, 40 Jahre. Aber Rumjammern bringt nichts. Vorher hätte ich es wegen meiner ganzen TV-Verpflichtungen gar nicht machen können. Deswegen empfinde ich das auch als Glück der späten Jahre, dass es noch mal auf mich zugekommen ist und meine Frau und ich die Chance haben, das mit Leben zu füllen.

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