Karriereleiter Souverän streiten in der Videokonferenz

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Wir müssen lernen, die Ungewissheit auszuhalten

Was also tun? Ich kenne das aus meinem Job als Fernsehmoderator: Als ich dort vom Studio aus meine ersten von mir als witzig empfundenen Pointen in die Kamera abgefeuert habe, da kam natürlich null Feedback von den Zuschauern daheim. Saßen die Leute dann nun hunderttausendfach auf dem Sofa und haben sich die Bäuche gehalten vor Lachen oder dachten sie sich: was für ein blöder Gag?

Ich musste lernen, diese Ungewissheit auszuhalten. Und sie durch Selbstvertrauen zu ersetzen: Ich finde es witzig, ich kenne mein Publikum, die halten sich also die Bäuche. Basta.

Soll für Online-Konferenzen heißen: Wenn unser Standpunkt gut ist, dann ist er es auch digital, selbst wenn keiner hörbar direkt darauf mit Jauchzern der Euphorie reagiert. Und vielleicht gibt es berechtigte Kritik, auch wenn diese nur kleinlaut angedeutet wird.

von Konrad Fischer, Thomas Kuhn, Christian Schlesiger

Deshalb: Führen Sie eine digitale Streitkultur ein. Ich würde es so machen:

1. Überwinden Sie die Scheu und schalten Sie die Kamera ein. Die Cam ist kein Firlefanz, sondern Sie bekommen mit Bild ein unbezahlbares kommunikatives Geschenk geliefert: lächelnde Augen, grübelnde Stirne, schmollende Münder, gerunzelte Nasenrücken, angespanntes Zappeln, aufgeblasene Backen, hochgezogene Augenbrauen, das ganze Repertoire der Mimik und einen Großteil der Körpersprache. Das lässt Sie alle ganz nah zusammenrücken. Wenn Sie es entscheiden dürfen: Überreden Sie Ihre Mitarbeiter zur Kamera. Was am Anfang ungewohnt ist und auch mal ablenkend sein mag, weil man denkt, man ist da irgendwie die ganzen Zeit auf Sendung, das wird ganz normal. Sich beim Gespräch zu sehen, ist ja auch eigentlich nichts Neues.

2. Kompensieren Sie fehlendes spontanes akustisches Feedback wegen der abgeschalteten Mikros durch deutliche optische Gesten. Zustimmende Gesten während einzelner Wortbeiträge funktionieren dann ja ohne dazwischenzureden über die Cam. Nicken Sie oder recken Sie den Daumen, wenn Sie zustimmen wollen. Widersprechen Sie durch entsetzte Mimik. Ohne was zu sagen. So spürt der Redner, wie seine Zuhörer auf seine Einlassungen reagieren. Auch ohne etwas zu hören.

3. Ernennen Sie einen Moderator. Am besten nicht den Chef oder die Chefin. Denn sonst richtet sich die Koordination des Gesprächs schnell nur danach, was das Alphatier gerade für sinnvoll hält und was es nervt. Dieser Moderator hat nämlich nicht nur die Aufgabe, die Konferenz kurz und strukturiert zu halten und Diskussionen abzuwürgen. Sondern er sollte genau zu dem auffordern, was sich viele nun intuitiv leider verkneifen: einen lebendigen Meinungsaustausch trotz aller technischer Hindernisse. Aber nicht irgendwie.

4. Verabreden Sie klare Regeln dafür. Und kompensieren Sie damit die Nachteile der Technik. Ein ganz großer Knackpunkt ist das Durcheinandergequatsche. Wir kennen das ja auch aus Fernsehtalkshows. Wenn da zwei Streithähne durcheinander reden, versteht man nix mehr. Weil wir anders als in einem dreidimensionalen Raum nicht orten können, welcher Schall von wem kommt. Online fließt alles gleichwertig zu einem Audiosignal zusammen. Solange sich das nicht technisch lösen lässt, muss gelten: einer nach dem anderen. So schwer es fällt, wenn der Puls hochgeht.

von Varinia Bernau, Stefan Hajek, Michael Kroker, Nora Schareika

5. Wenn Sie selbst mit Reden dran waren und sich unsicher sind, wie Ihr Standpunkt angekommen ist, dann fordern Sie anschließend aktiv Feedback ein: „Stimmt ihr mir zu?“ - „Sieht es jemand anders?“ Und dann können Sie darauf reagieren. Und die Moderatorin sollte gerade die traditionell Wortkargen ins Gespräch mit einbeziehen: „Laura, wie findest du das?“

6. Wen Sie zugehört haben: Sagen Sie dazu, wenn Sie lachen mussten, wenn Sie gestutzt haben, wenn Sie voller Begeisterung zugehört haben. Schildern Sie Ihre Gefühlsregungen, die den anderen wegen der technischen Hürden entgehen. Damit Differenzen direkt im Call besprochen werden können und sich nicht heimlich und unausgesprochen durchs Team fressen.

7. Lassen Sie sich von technischen Querelen nicht dazu verleiten, Diskussionen zu beerdigen, bevor alles Wichtige gesagt wurde. Etwa so: „Ach, der Ton ist jetzt so oft unterbrochen worden, jetzt ist es mir auch egal.“ Die Technik ist, wie sie ist. Und sie ändert nichts an der Relevanz der Diskussion. Schlechte Tonqualität rechtfertigt nicht, Redner mundtot zu machen. Denken wir daran: Die Alternative des persönlichen Gesprächs in einem echten Raum steht zurzeit oftmals einfach nicht zur Verfügung. Im Zweifel muss die Diskussion verschoben werden. Aber drängen Sie nicht die Anliegen des Teams, nur weil Deutschland digitales Entwicklungsland ist, in die Vergessenheit.

8. Überzeugen Sie durch Blickkontakt. Viele neigen zum Herumschwirrenlassen der Blicke und vergessen, dass ihnen dabei zugeguckt wird. Also: Digital-Disziplin bitte. Zu Ihre eigenen Gunsten. Bei einem Redebeitrag vor Publikum in einem Saal blicken Sie die Anderen ja auch an. Hier muss es eben die Kamera sein. Oder zumindest der Blick knapp dran vorbei auf die Zuhörer auf dem Bildschirm. Das macht Sie überzeugender und Sie wirken nahbarer. Das stärkt Ihre Position.

Online diskutiere und streiten. Das geht. Und das muss gehen. Im Sinne der Sache. In Ihrem Sinne, wenn Sie die Anderen von Ihrem Standpunkt überzeugen wollen. Und wenn in den neuen Zeiten wichtige Argumente nicht ungehört bleiben sollen. Wenn sich das in Ihrem Unternehmen richtig einspielt, dann macht das richtig Spaß. Viel Erfolg. Und bis zum nächsten Mal.

Ihr Marcus Werner

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