Amerikas Schicksalsentscheidung In Georgia steht Bidens Wirtschaftsagenda auf dem Spiel

Am Dienstag schließen die Wahllokale im US-Bundesstaat Georgia. Bei dem Wahlausgang steht die Zukunft der Biden-Präsidentschaft auf dem Spiel. Quelle: imago images

Dienstag schließen die Wahllokale im US-Bundesstaat Georgia. Für die Senatswahl wurden enorme Summen an Spendengeldern ausgegeben – vergleichbar eher mit Präsidentschaftswahlen. Wenig überraschend. Denn bei der Wahl steht die Zukunft der Biden-Präsidentschaft auf dem Spiel.

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Wenn am Dienstag die Wahllokale im US-Bundesstaat Georgia schließen, wird die massivste Materialschlacht in der Geschichte des amerikanischen Senats endlich an ihr Ende kommen. Die Stichwahl um zwei Sitze in der oberen Kongresskammer hat in den vergangenen Wochen enorme Summen an Spendengeldern angezogen – vergleichbar eher mit den traditionell äußerst teuren Präsidentschaftswahlkämpfen in den Vereinigten Staaten als mit Wettbewerben in einem Staat mit knapp elf Millionen Einwohnern. Doch die Unterstützung für die Kandidaten aus allen Landesteilen kommt nicht von ungefähr. Schließlich steht beim Wahlausgang im tiefen Süden nicht weniger als die Zukunft der Biden-Präsidentschaft auf dem Spiel. Das machte Georgia in den vergangenen Wochen zum Zentrum des politischen Universums der USA.

Eine Konstellation wie diese hat es noch nie gegeben: Durch einen Rücktritt stehen nicht nur ein, sondern gleich zwei Sitze zur Abstimmung. Und angesichts der bisherigen Mehrheitsverhältnisse im Senat entscheidet der Ausgang nicht nur über die Repräsentanten des Staates in Washington, sondern auch gleich über die Kontrolle der oberen Kongresskammer.

Derzeit führen die Republikaner dort mit 50 zu 48. Können die Demokraten in dem Südstaat gewinnen, ziehen sie gleich. Laut Verfassung entscheidet bei einem Patt der Vize-Präsident – und das wird ab dem 20. Januar die Demokratin Kamala Harris sein. Damit hätte die Partei des designierten Staatsoberhaupts Joe Biden die Kontrolle über den Senat. Allerdings nur denkbar knapp.

Trotzdem wären die Auswirkungen enorm. Denn der Mehrheitsführer im Senat kontrolliert die Tagesordnung der Kammer. Bleibt der Republikaner Mitch McConnell im Amt, kann sich Biden von seiner Agenda weitestgehend verabschieden. Selbst wenn es überparteiliche Mehrheiten etwa zur Verabschiedung einer Einwanderungsreform oder eines Klimagesetzes finden würden – der Senator aus Kentucky kann sie verhindern. Er muss einfach nichts tun. Abstimmungen sind zwar theoretisch erzwingbar, in der Praxis kommt das jedoch so gut wie nie vor. Das heißt: Will McConnell blockieren, dann kann er das tun. Im Zweifel könnte er sogar große Teile von Bidens Kabinett ablehnen. Die Vergabe der Ministerposten bedarf der Zustimmung des Senats.

Das ist mehr als eine theoretische Möglichkeit: McConnell führt die republikanische Mehrheit im Senat bereits seit 2015. Damals, in den letzten Jahren der Obama-Administration, blockierte er so gut wie alle Vorstöße des demokratischen Präsidenten und enthielt ihm auch die Abstimmung über die Besetzung einflussreicher Richterposten vor. Das ermöglichte es Donald Trump, die Gerichte mit seinen ideologischen Vertrauten zu besetzen – ein Erbe, das die USA noch über Jahrzehnte begleiten wird.

Heute steht jedoch vor allem Bidens Wirtschaftsagenda auf dem Spiel. Im Wahlkampf verpasste sich seine Partei eines der progressivsten Programme seit langem. Die Administration kann zwar viel allein entscheiden, im Bereich Steuerpolitik oder beim Aufsetzen eines Infrastrukturprogramms ist sie jedoch auf den Kongress angewiesen. Mit einem republikanisch kontrollierten Senat wird von Bidens Prioritäten nicht viel übrigbleiben. Schwer wird es für den künftigen Präsidenten jedoch in jedem Fall – selbst, wenn die Demokraten die Kongresskammer gewinnen.



Denn das bei 50-50 im Senat plötzlich der Sozialismus ausbrechen wird, wie es manche Republikaner mit Blick auf die Wahlen in Georgia bereits beschwören, ist nicht zu erwarten. Gewinnt die Partei im Süden, dann fällt die Macht an die Hardcore-Zentristen. Senatoren wie Joe Manchin aus West Virginia etwa, Vertreter eines der trumpigsten Staaten der USA, wird künftig bei allen Verhandlungen das letzte Wort haben – denn Abweichungen in der Mitte kann sich das Weiße Haus nicht erlauben. Am linken Rand hingegen schon, wenn einige Senatoren der Republikaner sich hinter ein Vorhaben stellen.

Manchin demonstrierte seinen möglichen Einfluss bereits in den vergangenen Wochen, als er gemeinsam mit moderaten republikanischen Kollegen den Rahmen für das Corona-Hilfspaket verhandelte – ein Deal, der vom linken Flügel der Demokraten eher widerwillig akzeptiert wurde. Doch kleine Fortschritte der demokratischen Agenda dürften derzeit das einzige sein, was überhaupt Gelegenheit hat, durch den Kongress zu kommen. Die Alternative lautet Totalblockade. Um diese zu verhindern, müssen die Demokraten zunächst die Wahlen gewinnen.

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