Aufschub für Strafzölle Nur eine Atempause für die EU – der Handelsstreit mit Trump bleibt heiß

Donald Trump verschiebt Strafzölle: Nur eine Atempause für die EU Quelle: dpa

Donald Trump hat seine Entscheidung über Strafzölle verschoben. Die Gefahr eines Handelskrieg ist damit nicht gebannt. Der Druck auf die EU wächst.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Donald Trump zürnt und wütet über Einfuhren aus dem Ausland, selbst engen Partnern wie Deutschland droht er seit Monaten mit einem Handelskrieg. Doch jetzt hat seine Regierung in letzter Minute erneut ihre Entscheidung über Strafzölle auf Stahl und Aluminium verschoben.

Nur wenige Stunden vor Ablauf einer Verhandlungsfrist in der Nacht zum Dienstag teilte das Weiße Haus mit, man werde der Europäischen Union, Kanada und Mexiko weitere 30 Tage Aufschub gewähren. Mit Argentinien, Australien und Brasilien habe man sich bereits auf eine Befreiung verständigt. Details wollte die US-Regierung in Kürze bekanntgeben.

Trump hatte am 23. März weltweite Zölle auf Stahl- und Aluminium-Einfuhren angekündigt und sieben Verbündeten kurzfristige Ausnahmen gewährt. Einzig Südkorea hatte sich früh mit Washington auf einen Kompromiss geeinigt, die anderen Betroffenen harren im Ungewissen.

Wie kann Europa auf die Strafzölle reagieren?

Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron hatten sich in der vergangenen Woche mit Trump getroffen, um ihn zu Zugeständnissen zu bewegen. Beide reisten ohne klare Ansage ab. Nun verschafft der US-Präsident seinen EU-Partnern zumindest eine Atempause. Doch die Gefahr eines Handelskriegs, der den kräftigsten globalen Aufschwung seit Jahren untergraben könnte, verschwindet damit nicht. Das Ringen um eine Lösung im Handelskonflikt geht in die Verlängerung. Gleichzeitig wächst der Druck auf die EU, sich mit den USA zu arrangieren.

Quoten statt Strafzölle?

Im Fall von Kanada und Mexiko ist eine rasche Einigung möglich. Die USA führen mit ihren Nachbarn Gespräche über die Zukunft des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (Nafta), das Trump als „miesen Deal“ bezeichnet. Offiziell sind die Strafzölle nicht Teil davon. Doch gibt es einen Durchbruch bei Nafta, ist auch ein Kompromiss bei den Zöllen wahrscheinlich – und umgekehrt.

Eine Einigung mit der EU ist deutlich komplizierter – auch, weil die US-Regierung Schwierigkeiten damit hat, die 28 Mitgliedsstaaten als Block zu behandeln. Länder wie Frankreich werden von Trump für ihre Handelspolitik gelobt, Deutschland hingegen kritisiert der US-Präsident wegen seines Exportüberschusses.

Brüssel und Berlin betrachten mit Sorge, dass man sich von Fristverlängerung zu Fristverlängerung hangelt, was Hersteller, Händler, Investoren und Konsumenten verunsichert. Unklar ist auch, was genau die EU für eine Befreiung tun müsste – und inwiefern sie sich überhaupt auf Bedingungen einlassen will. Laut Trumps Handelsminister Wilbur Ross müssen sich Staaten für eine Option entscheiden: Exportquoten oder Strafzölle. „Wir verlangen von allen Ländern Quoten, wenn es keine Zölle gibt“, sagte Ross am Freitag. Südkorea etwa wird seine Metallexporte künftig auf 70 Prozent des Jahresdurchschnitts seit 2015 beschränken. Ähnliches kommt für die EU nicht in Frage. „Wir haben den USA nichts angeboten, wir werden ihnen nichts anbieten, das unserer Meinung nach nicht den Regeln der WTO entspricht“, erklärte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström im Vorfeld der Fristverlängerung.

Larry Kudlow, Direktor des Nationalen Wirtschaftsrats im Weißen Haus, forderte „Zugeständnisse in Bezug auf Handelspraktiken, Zölle und Steuern“. Pläne für eine EU-Digitalsteuer sorgen für Verstimmung in den USA. Auch europäische Zölle auf US-Autoimporte führte Kudlow als Beispiel an. „Hier würden wir gern Bewegung von Europa sehen.“ Solche Szenarien bügelt die EU bislang ab und drängt auf eine dauerhafte Befreiung ohne Auflagen.

Trump selbst hatte seine Zollpläne an die Höhe internationaler Rüstungskosten gekoppelt. „Wir gucken, wer seine Rechnungen bezahlt und wer nicht. Das wird in unsere Entscheidung mit einfließen“, sagte der US-Präsident Ende März. Deutschland sei eines der Länder, das die USA im Handel und in der Verteidigung „über die Jahre enorm ausgenutzt“ hätte.

Chaos in der US-Regierung

Merkel hatte bei ihrem Besuch in Washington die Option eines neuen transatlantischen Handelsabkommens nicht ausgeschlossen. So ein Deal, der Jahre in Anspruch nehmen könnte, würde für bestimmte Produkte Zölle neu verhandeln. Ähnliche Bemühungen waren in der Vergangenheit gescheitert, das sogenannte TTIP-Abkommen kam nie zustande.

Erschwerend kommt hinzu, dass die US-Regierung gespalten ist über einen gangbaren Weg. Wenige Stunden vor Ablauf der Frist zum 1. Mai herrschte Chaos im Weißen Haus, Trumps Entscheidung für eine weitere Fristverlängerung fiel kurz vor Schluss.

Freihandelsbefürworter wie Finanzminister Steven Mnuchin drängten auf mehr Zeit für Verhandlungen. Außerdem wollte er vermeiden, dass es erneut, wie schon nach den ersten Drohungen im März, zu Marktturbulenzen kommt. Hardliner wie der Wirtschaftsstratege Peter Navarro hingegen warnten davor, die protektionistische Wirkung durch Ausnahmen zu verwässern.

„Die EU sollte stärker mit einer Stimme sprechen“
Laut Ifo-Präsident Clemens Fuest erlebt das internationale Handelssystem zurzeit die schwerste Krise seit Jahrzehnten. Quelle: dpa
Arbeitgeber-Präsident Ingo Kramer fordert umfassende Handelsgespräche mit den USA. Quelle: dpa
Die Wirtschaftsvereinigung Stahl spricht von einer kurzen Atempause. Quelle: dpa
Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) kritisiert den Aufschub bei den US-Zöllen. Quelle: dpa
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) begrüßt die Verlängerung der Schonfrist für die EU. Quelle: dpa
Der Maschinenbau-Verband VDMA fordert die EU auf, jetzt die gewonnene Zeit dazu zu nutzen, um in Verhandlungen mit der US-Regierung die strittigen Punkte aus dem Weg zu räumen. "Die EU sollte in die Offensive gehen und versuchen, mit neuen transatlantischen Freihandelsgesprächen die Themen Zölle, Ursprungsregeln und nicht-tarifäre Handelshemmnisse zu lösen", sagt VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann. Quelle: VDMA
BGA-Präsident Holger Bingmann Quelle: dpa

Mnuchin, Navarro, Kudlow und der Handelsbeauftragte Robert Lighthizer werden am Donnerstag nach China reisen, um Spielräume im Handelskonflikt auszuloten. Die Metallzölle treffen China besonders, erwogen werden zusätzliche Zölle in Höhe von 150 Millionen Dollar wegen des Verdachts des Diebstahls geistigen Eigentums. Trump steht auch in den Reihen seiner Partei unter Druck. Viele Republikaner sehen kritisch, dass die USA ausgerechnet Nato-Partner wie Deutschland verprellen will. Und Politiker aus ländlichen Regionen fürchten, dass der Agrarsektor unter chinesischen Vergeltungszöllen auf Mandeln oder Sojabohnen leidet. Die EU-Kommission will für den Fall, dass die USA ernst machen, amerikanisches Obst, Whiskey oder Harley-Davidson-Motorräder mit Zöllen belegen. Das Problem des voranschreitenden US-Abschottungskurses wird man damit allerdings nicht lösen.

Die Metallzölle könnten nur der Anfang für härtere Handelshemmnisse sein, fürchtet man in Berlin und Brüssel – etwa für Barrieren gegen europäische Autos, die in den USA ein beliebtes Massenprodukt sind. „Trump kann den Grad der Unsicherheit ewig aufrechterhalten“, twitterte der US-Handelsexperte Chad Bown am Dienstagmorgen. Der Präsident kann fast uneingeschränkt Handelsbarrieren beschließen, ohne den Kongress mit einzubeziehen.

„Erpresser-Diplomatie” der USA

Laut Marie Kasperek von der Washingtoner Denkfabrik Atlantic Council ist der Schaden trotz der Hängepartie angerichtet. Sie schrieb in einem Blogpost von einer „Erpresser-Diplomatie” der USA.

EU plant Strafzölle für diese ungewöhnlichen US-Exportschlager
10. Platz: Kau- und SchnupftabakIn Deutschland gibt es den einen oder anderen prominenten Schnupftabak-Fan. Wer Nationaltorhüterlegende Sepp Maier (r.) kennt, weiß, dass er leidenschaftlich gerne „schnupft“. Auch der ehemalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering erlaubt sich hier und da mal ein „Näschen“. Dabei hätte die EU das Genussmittel beinahe verboten. Ein gewisser Edmund Stoiber, heute CSU-Ehrenvorsitzender, machte sich in Brüssel dafür stark, dass die Prisen legal bleiben. Im vergangen Jahr wurden Schnupf- und Kautabakerzeugnisse im Wert von insgesamt 200.000 Euro aus den USA nach Europa importiert. Quelle: dpa Picture-Alliance
9. Platz: WasserpfeifentabakImmer weniger junge Menschen greifen in Deutschland regelmäßig zur Zigarette. Aktuelle Zahlen belegen jedoch auch, dass bunte und peppige Wasserpfeifen und Shishas eine große Anziehungskraft auf Kinder und Jugendliche ausüben – eine besorgniserregende Entwicklung. Beim Konsum in geschlossenen Räumen kann es zu lebensgefährlichen Kohlenmonoxid-Vergiftungen kommen. Zuletzt gab es in der ganzen Republik mehrere schwere Zwischenfälle. Das hat einige Städte und Kommunen dazu veranlasst, neue Regeln für „Shisha-Bars“ einzuführen, um die unsichtbare Gefahr zu bannen. Im Jahr 2017 wurde aus den Vereinigten Staaten Wasserpfeifentabak im Wert von 1,75 Millionen Euro in die EU eingeführt. Quelle: dpa Picture-Alliance
8. Platz: Aufblasbare BooteEine Seglerin fährt auf der „boot“ in Düsseldorf eine aufblasbare Segeljolle. Die Messe gilt als das Mekka der internationalen Wassersportszene. Rund 1900 Aussteller aus 65 Ländern stellten im Januar auf der „boot“ Neuigkeiten für den Wassersport vor. US-Importe von aufblasbaren Booten zu Sport- und Vergnügungszwecken in die Europäische Union beliefen sich im vergangenen Jahr auf einen Wert von zwei Millionen Euro. Quelle: dpa Picture-Alliance
7. Platz: JeansDas beliebte Bekleidungsstück hat in der EU-Kommission seine eigene Kategorie: Lange Hosen aus Denim, einschließlich Kniebundhosen. Hiervon wurden Waren im Wert von 5,75 Millionen Euro aus den USA importiert. Quelle: dpa Picture-Alliance
6. Platz: OrangensaftDer Frühstücksklassiker ist mit einem jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von 7,5 Litern neben Apfelsaft der meistgetrunkene Saft in Deutschland. Nicht nur als purer Saft macht er sich gut auf dem Frühstückstisch, sondern auch als Zutat im morgendlichen Smoothie oder den derzeit schwer angesagten „Overnight Oats“. Laut EU-Kommission wurde im Jahr 2017 Orangensaft aus den Vereinigten Staaten im Wert von über 15 Millionen Euro in Europa eingeführt. Quelle: dpa Picture-Alliance
5. Platz: ErdnussbutterAmerikaner lieben die hellbraune Creme in allen Varianten. Die Firma „Peanut Butter & Co.“ stellt eine ganze Palette unterschiedlicher Erdnussbutterprodukte her. Bis zum Jahr 2016 betrieb das Unternehmen auch ein Restaurant in New York, den „Peanutbutter & Co. Sandwich Shop“. Auch die Europäer lecken sich die Finger nach dem gehaltvollen Aufstrich. Aus den USA wurde vergangenes Jahr Erdnussbutter im Wert von fast 23 Millionen Euro eingeführt. Quelle: dpa Picture-Alliance
4. Platz: Arbeits- und BerufslatzhosenGenerationen von jungen TV-Zuschauern sind mit diesem Latzhosenträger großgeworden. In „Löwenzahn“ erklärte der inzwischen verstorbene Peter Lustig (r.) die Welt, 25 Jahre lang. Mit spannenden Experimenten führte er seine Zuschauer an Natur und Technik heran. Ob er sein Lieblingskleidungsstück aus den Vereinigten Staaten bezog, ist nicht überliefert. Sicher ist jedoch, dass die Amerikaner letztes Jahr Arbeitslatzhosen und Berufslatzhosen für knapp 26 Millionen Euro in die Staatengemeinschaft einführten. Quelle: dpa Picture-Alliance

Tatsächlich sind die Auswirkungen von Trumps Protektionismus jetzt schon spürbar. Länder wie Brasilien, die Türkei, Russland, Südkorea, Ägypten und China haben ihre Exporte auf den europäischen Markt erhöht, um amerikanische Handelsbarrieren zu umgehen. Die Stahlimporte in der EU stiegen im ersten Quartal 2018 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 300.000 Tonnen auf 2,9 Millionen Tonnen an. Die EU prüft nun Schutzmaßnahmen, um ihre Märkte von einer Produkt-Überschwemmung abzuschirmen. „Andere Länder werden wahrscheinlich ähnliche Schritte unternehmen, wodurch die Märkte insgesamt weniger offen werden“, so Kasperek. Doch auch in den USA führen Trumps Strafzölle zu erheblichen Anstrengungen. Das Handelsministerium kämpft mit einer Flut von Anträgen amerikanischer Firmen, die auf Metallimporte aus dem Ausland angewiesen sind und für die zu erwartenden Mehrkosten entschädigt werden wollen.

Die Behörde musste die Zahl der Mitarbeiter, die sich um die aktuell 3500 Anträge kümmern, in den letzten Wochen verdreifachen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%