Freihandel mit Europa Japan hofft auf zahlungskräftige Deutsche

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Verzicht auf Importzölle

Kernpunkte der Vereinbarung mit den Europäern sind der gegenseitige Verzicht auf Importzölle. Allein für deutsche Unternehmen werden sich die Einsparungen durch den Wegfall der Zölle auf jährlich eine Milliarde Euro belaufen. Hinzu kommen auch der schrankenlose Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen und die Standardisierung von Qualitätsmanagement, Umweltauflagen, Datenschutz oder Produktkennzeichnungen.

Die EU tat sich anfangs jedoch schwer, die Zölle preiszugeben, weil diese auf die Einführung von Produkten der verarbeitenden Industrie nach Europa deutlich niedriger waren als jene nach Japan. Das Zugeständnis aus Brüssel war also größer war als das aus Tokio. Dennoch kam es zu einer Einigung, weil Japan in seinen sensiblen Bereichen den Europäern entgegenkam. Zum Beispiel bei den öffentlichen Ausschreibungen für Infrastrukturprojekte. Deutsche Konzerne wie Siemens dürfen sich berechtigte Hoffnung machen, in Japan künftig besser zum Zuge zu kommen.

Und natürlich beim Fleisch. Eine der beliebtesten japanischen Mittagsmahlzeiten ist die Eiernudelsuppe Ramen. Ihre etlichen Varianten gibt es vielfach auch mit butterzarten Scheibchen Schweinefleisch, die bestenfalls auf der Zunge schmelzen. Dieses Fleisch kann jetzt auch zunehmend aus Schlachtbetrieben deutscher Unternehmen wie Westfleisch oder Tönnies stammen. Zuvor waren diese Importe mit hohen Zöllen belegt und dämpften das Japan-Geschäft der deutschen Schlachter. In Frankreich indes hofft man auf steigende Absätze von Käse und Wein bei den Japanern.

von Mario Brück, Christian Schlesiger, Peter Steinkirchner

Ökonomin Ito ist sicher, dass Japans Konsumenten die europäischen Hoffnungen nicht enttäuschen werden. „Delikate Speisen aus Europa, aber auch hochwertige Taschen oder Schuhe sind hier sowieso schon sehr beliebt. Wenn die Waren noch günstiger werden, dürfen sich die Hersteller sicher auf höher Absatzzahlen einstellen.“

Welche Hoffnungen die japanische Regierung um Ministerpräsident Shinzo Abe in JEFTA setzt, zeigt das Engagement der staatlichen Außenhandelsorganisation JETO, das dem Ministerium für Industrie und Technologie angeschlossen ist. JETO unterstützt vor allem kleine und mittelständische Unternehmen dabei, ihnen den rechtlichen Rahmen zu schaffen, die eine optimale Nutzung des Freihandelsabkommens ermöglichen. Die mittelständischen Unternehmen bilden das Rückgrat der japanischen Wirtschaft. Ihnen fehlt es aber oft an Know-how, Personal und Geld, um die komplizierten Anforderungen des Freihandels zu erfüllen. Das beginnt häufig schon bei der Dokumentation von Lokalisierungsquoten ihrer Produkte, die sie nachweisen müssen.

Deshalb waren es eher die großen Firmen des Landes, die ihre Regierung auf eine schnelle Einigung mit den Europäern gedrängt hatten. Ein Beispiel: die Automobilindustrie. Nachdem sich die EU bereits 2011 auf ein Freihandelsabkommen mit Südkorea geeinigt hatte, gerieten japanische Hersteller in Europa zunehmend unter Preisdruck. Toyota produziert heute zwar 80 Prozent seiner in Europa verkauften Einheiten sowieso auf dem Kontinent, doch jedes fünfte Auto wird importiert. Das läppert sich angesichts der Masse an Fahrzeugen, die Toyota in Europa absetzt. Mazda dagegen unterhält keinerlei Fertigungen in Europa. Jedes verkaufte Auto war mit Zöllen belegt. Nissan hat zwei Fertigungen in Europa, eine davon in England. Durch den Brexit würden dann wieder zehn Prozent Importzölle in der EU anfallen. Der Hersteller hat angekündigt, für diesen Fall seine Produktion in Europa einzustellen.

Die deutsche Autoindustrie wird umgekehrt von JEFTA eher weniger profitieren. Die heimischen Hersteller diktieren den Markt der Mittelklasse- und Hybridfahrzeuge. Es würde wenig Sinn ergeben, die Platzhirsche dort anzugreifen. Deutsche Luxusautos indes verkauften sich auch mit Zöllen in Japan traditionell sehr ordentlich.

So sehr die EU sich als einheitlicher Wirtschaftsraum präsentieren möchte, so sehr bleibt die unterschiedliche Wahrnehmung in Japan über die einzelnen Mitgliedsstaaten bislang noch erhalten. Ökonomin Ito, die regelmäßig in Frankfurt ist, um sich über die Vorgänge der Europäischen Zentralbank auf dem Laufende zu halten, betont die Bedeutung deutscher Fertigung für japanische Kunden. „Das Label Made in Germany ist deutlicher angesiedelt als ein Label Made in Europe. Da könnte dann ja auch Griechenland und Rumänien drinstecken.“



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