Görlachs Gedanken
Klimaschutz: Jugendliche im Zentrum einer neuen Öko-Bewegung Quelle: dpa

Die neue Öko-Bewegung

Der Klima-Aktionismus ist zurück, auf beiden Seiten des Atlantiks. Kinder und Jugendliche versuchen, die politisch Verantwortlichen ins Gebet zu nehmen. Was können sie bewirken?

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Der Klima-Aktionismus ist zurück, auf beiden Seiten des Atlantiks. Hier wie dort versuchen Kinder und Jugendliche, die politisch Verantwortlichen ins Gebet zu nehmen. Die einen schwänzen die Schule, um zu demonstrieren, die anderen übergeben einen Brief an eine Senatorin. Ausgelöst wurde diese neue Welle jugendlichen Verantwortungsbewusstseins von Greta Thunberg, einem Mädchen, das den Mächtigen in Davos die Leviten las: entweder ihr tut jetzt etwas gegen den Klimawandel oder lasst es bleiben.

Ein Vorteil am älter werden ist, dass man auf eine eigene Lebensgeschichte zurückschauen und erkennen kann, was wie in welchen Wellenbewegungen wiederkehrt. Auch wir haben in den Achtziger- und Neunzigerjahren demonstriert, gegen sauren Regen, gegen die Abwässer im Rhein, gegen das Ozon-Loch. Der politische Aktionismus damals ging einher mit deutlichen Kaufempfehlungen: nichts mehr mit FCKW in die Luft sprühen, Autos bekamen bleifreies Benzin und Kühlschränke wurden effizienter. Im Jahr 2007 kam das Intergovernmental Panel zum Klimawandel, das bei den Vereinten Nationen angesiedelt ist, zu dem Schluss, dass der Klimakollaps nur dann aufzuhalten sein würde, wenn die Erderwärmung unterhalb von zwei Grad Celsius gedrosselt würde. Damals wurde Knut der Eisbär zum Gesicht der neuen Öko-Bewegung und die Kanzlerin und ihr Umweltminister Sigmar Gabriel fuhren ins Ewige Eis, um dessen Wegbrechen zu betrauern.

Nun ist es zehn Jahre später, das Eis ist an vielen Stellen weg und in den USA ist ein Präsident an die Macht gekommen, der Klimawandel für eine Erfindung hält. Dabei verbraucht ein US-Amerikaner immer noch drei Mal so viel an Ressourcen wie ein Chinese und acht bis zehn Mal so viel wie ein Afrikaner. Das heißt, dass das Problem Erderwärmung nicht ohne die USA zu lösen sein wird. Die Schülerinnen und Schüler, die die Senatorin Dianne Feinstein zum Thema stellen wollten und ihr eine Petition überreichten, mussten am eigenen Leib das spüren, was die Erwachsenen Real-Politik nennen. Die Politikerin hat in dem Punkt Recht, dass man natürlich nicht einfach so bei einem Politiker einmarschieren und verlangen kann, dass diese oder jene Politik nun und sofort umgesetzt gehört. Wenn solche Erwartungen bei Heranwachsenden genährt werden, wird diese Generation nicht genügend Geduld mitbringen, um einmal Politik zu gestalten. Gleichzeitig ist es das Privileg der Jugend, zu rebellieren und den Umsturz zu proben. Wo sonst sollen Gesellschaften den Impetus und das Verständnis für die Dringlichkeit von Wandel hernehmen?

Klimaschützerin bei EU-Konferenz - Wir räumen Eure Sauerei auf

Auf beiden Seiten des Atlantiks geht es um den neuen Green Deal, ein neues Miteinander von Ökonomie und Ökologie. In Deutschland wird diese Debatte ebenso geführt wie in den Vereinigten Staaten. Hierbei fordert die FDP Augenmaß und die Grünen eiserne Faust. Die Frage, welche Technologien auf dem Markt die größten Chancen haben, und wie man bei der Antwort auf diese Frage Ideologie von Fakten trennt, ist alles andere als trivial. Die Deutschen streiten aus diesem Grund über das Ende des Diesel-Motors. Das ist nur die Debatte im Kleinen, die es eigentlich zu führen gilt. Die Franzosen leben seit Wochen mit den Protesten der Gelbwesten, die sich im Kern an einer Benzinpreiserhöhung entzündet hat, hinter der aber die noch größere Frage nach Fairness und Gerechtigkeit in einer Gesellschaft knapper werdender Ressourcen steckt. Damit sind also nicht nur das Feld der Umweltpolitik berührt, sondern auch die Wirtschaftspolitik, die Steuerpolitik, die Bildungspolitik.

Der neue Green Deal ist daher eigentlich noch zu klein gedacht: es geht um ein Wirtschaftsmodell, dass sich von den bekannten Konstanten wie dem Bruttoinlandsprodukt löst und Effizienz als Umweltfreundlichkeit deutet und nicht zuerst als Produktivitätssteigerung. In einer solchen effizienten Welt machen aber Maschinen zunehmend die Arbeit, und nicht mehr Menschen. Besteuert wird aber bislang nur die Arbeit von Menschen. Auch das muss sich ändern. Und es kann auch nicht sein, dass ein Konzern wie Amazon, dessen Geschäftsmodell – welches nicht? – sich im Hinblick auf Klimafreundlichkeit befragen lassen muss, trotz satter Gewinne keine Steuern zahlt.

Die Jugendlichen, die nun demonstrieren, haben ja Recht: das Nichts-Tun, besser das nicht genug oder nicht das Richtige tun, wird Auswirkungen auf sie haben, die heute noch nicht wählen dürfen. Wie ist das mit meiner Generation? Wir haben den deutschen Wald gerettet, im Rhein schwimmen wieder Fische und das Ozonloch schließt sich wieder. Das sind gute Nachrichten, Aktionismus, der die Politik zum Handeln zwingt, zahlt sich eben doch aus. Man braucht einen langen Atem. Die heute 14-Jährigen werden auch einmal vierzig sein und so wie der Autor dieser Zeilen darüber nachdenken, was man eigentlich wirklich bewirken kann.

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