Görlachs Gedanken
China: Pekings Plan für Hongkong Quelle: dpa

Pekings Plan für Hongkong

China arbeitet im Hintergrund an einem Ende der Krise in Hongkong. Dabei hofft die Volksrepublik auf gewalttätige Demonstranten und setzt auf Wohlfahrtsmaßnahmen. So sollen Sympathisanten der Proteste besänftigt werden.

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Die Volksrepublik China, so war in der US-amerikanischen Zeitschrift „Foreign Affairs“ unter Berufung auf wohlinformierte Experten in Peking zu lesen, werde es in Hongkong nicht zu einer Eskalation kommen lassen. Nach Auffassung dieser Kenner des kommunistischen Regimes geht die Zentralregierung in Peking davon aus, dass sich mit zunehmender Gewalt mehr und mehr Hongkonger von den Protesten entfremden und distanzieren werden. Gleichzeitig habe Peking damit begonnen, die Gründe für den sozialen Unfrieden in Hongkong – damit sind vor allem die völlig außer Kontrolle geratenen Mietpreise gemeint – anzugehen.

Damit diese Rechnung aufgeht, braucht Peking vor allem eins: immer weiter ins Gewalttätige hinein eskalierende Proteste in Hongkong. Das Vermummungsverbot, das einem Ausnahmerecht der britischen Kolonialzeit entnommen ist, scheint diese Aufgabe zu erfüllen. Die Demonstrationen am vergangenen Wochenende wurden daraufhin massiver. Die Aggression von einigen Protestierenden richtet sich gegen Gegenstände. Mülleimer und Bushaltestellen gingen in Flammen auf. Die U-Bahn in der Stadt hört zeitweise auf zu fahren,

Hongkong: Wie die Proteste die Wirtschaft treffen




Die Regierungschefin Hongkongs, Carrie Lam, hat in er Zwischenzeit zu einem Bürgerdialog aufgerufen und sich erstmals dem Zorn der Öffentlichkeit gestellt. Auch dies könnte einen Teil der Demonstrierenden dazu bewegen davon abzulassen, auf die Straße zu gehen, und vielmehr Hoffnung auf eine geläuterte Regierung zu setzen. Gleichzeitig stellt Lam klar, dass ein Angreifen Pekings zur Beruhigung der Proteste nicht auszuschließen sei.

Dass die Stadt in der 18. Protestwoche gelähmt ist, wird niemand bestreiten wollen – egal auf welcher Seite er oder sie in dem Konflikt steht. Hongkong mag eine Welle von Emmigration derer sehen, die es in diesem angespannten Zustand nicht mehr aushalten. Das benachbarte Taiwan könnte ein sicherer Hafen sein. Auf dem Eiland wird im Januar gewählt und das Thema Flüchtlinge ist dort, wie an vielen anderen Orten, ein kritisches. In der Hauptstadt Taipei gingen zuletzt Tausende in Solidarität mit dem bedrängten Hongkong auf die Straßen. Gleichzeitig gibt es in Taiwan kein Gesetz, das ein Asyl für politisch Verfolgte oder die Aufnahme Flüchtender regelt. Präsidentin Tsai Ing-wen selbst hat nicht viel unternommen, dass es unter ihrer Ägide zu einem solchen Gesetz kommt. Gleichzeitig inszeniert sich sich öffentlich als Unterstützerin der Hongkonger Demokratiebewegung.

In der Finanzmetropole wird die Rhetorik gegenüber dem Mainland, gegenüber den Han-Chinesen, die die Mehrheit der chinesischen Ethnien stellen, immer harscher. Das ist betrüblich, denn Hongkong ist eine kosmopolitische Stadt, der Rassismus und Ausgrenzung schlecht zu Gesicht steht. Hier geht es unter anderem um die Zugezogenen aus der Volksrepublik, die für die steigenden Wohnungspreise verantwortlich gemacht werden. Ein politisches Argument würde demnach vorgeschoben, um ein ökonomisches zu kaschieren.

So könnte Pekings Rechnung aufgehen. Einer der größten Immobilien-Tykoone hat angekündigt, der Stadt Land zu schenken, auf dem sozialer Wohnungsbau errichtet werden kann. Pekings Idee von Menschenwürde und Menschenrechten ist es, soziale Möglichkeiten, also Arbeit und Wohnraum, zu schaffen. Bürgerliche Freiheiten hingegen stehen nicht auf dem Programm. Diese rein ökonomische Sicht auf den Menschen propagiert die Volksrepublik zunehmend auch in den Vereinten Nationen. Sollte es Peking gelingen, mit entsprechenden auf die Wohlfahrt der Menschen ausgerichteten Maßnahmen Stabilität zurück nach Hongkong zu bringen, wird man sich dort in seinem Kurs bestätigt sehen. Die Demonstranten könnten so ihren Kampf für politische Rechte verlieren.

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