Handelsstreit „Eskalation wäre für China sehr viel teurer als für die USA“

April 2017: Donald Trump, Präsident der USA, und Chinas Staatschef Xi Jinping gehen spazieren nach einem bilateralen Treffen in Trumps Domizil Mar-a-Lago in Palm Beach. Quelle: dpa

Erstmals steht ein Ende des Handelsstreits zwischen den USA und China in Aussicht. Das beflügelt die Börsen. Ökonomen zeigen sich im Gespräch allerdings weit weniger optimistisch.

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Börsianer sind in Aufruhr. Könnte der Handelsstreit der USA mit China noch in diesem Monat beigelegt werden? Laut Informationen von Bloomberg streben US-Präsident Donald Trump und Chinas Präsident Xi Jinping eine Einigung an bis zum G20-Gipfel Ende November in Argentinien. Demnach habe Trump bereits sein Kabinett beauftragt, einen Entwurf für ein Handelsabkommen vorzubereiten. Auf Twitter schrieb der US-Präsident, er habe am Donnerstag ein „sehr gutes“ Telefonat mit Xi geführt. Auch Chinas Außenministerium sprach von „positiven Gesprächen“.

Die USA haben mittlerweile die Hälfte aller China-Importe mit Strafzöllen belegt. Betroffen sind Waren im Wert von 250 Milliarden US-Dollar pro Jahr. China hält mit Strafzöllen auf US-Güter im Wert von 110 Milliarden Dollar dagegen, importiert aber auch nur Waren im Wert von 130 Milliarden Dollar pro Jahr aus den USA. Die Chinesen haben also nicht mehr viel Spielraum – im Gegensatz zu den USA. Die hatten erst Anfang dieser Woche angekündigt, notfalls ab 2019 sämtliche Waren aus China mit Zöllen zu versehen.

US-Präsident Trump stört das große Handelsdefizit der USA im Warenaustausch mit China. Er wirft der Volksrepublik Technologiediebstahl, Dumpingpreise und weitere unfaire Handelspraktiken vor. China weist die Vorwürfe zurück. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Handelsstreit und einem möglichen Handelsabkommen.

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1. Ist so schnell überhaupt ein belastbares Handelsabkommen auszuhandeln?

Die Börsen reagierten prompt auf die Ankündigung von Trump. Der Dax gewann in der Spitze 1,6 Prozent und sprang auf 11.651 Zähler, der EuroStoxx50 rückte um 1,4 Prozent vor. Auch die Wall Street und die asiatische Börse legten kräftig zu. Ob das Tauwetter zwischen den USA und China allerdings von Dauer ist, bleibt offen. Ebenso, ob überhaupt ein Abkommen zustande kommt.

In der Kürze der Zeit dürfte sich kaum ein belastbares Handelsabkommen aushandeln lassen, sagt Gabriel Felbermayr, Leiter des Zentrums für Außenwirtschaft am ifo-Institut in München. „Das ist vollkommen unrealistisch, zumal die Sachlage extrem kompliziert ist.“

Ähnlich sieht das Rolf Langhammer, ehemaliger Vizepräsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel (IfW) und früherer Berater des Bundeswirtschaftsministeriums: „In der kurzen Zeit lässt sich bestenfalls ein verbindlicher Fahrplan für Verhandlungen fixieren, beginnend mit den einfachsten Problemen, den Güterzöllen, und endend mit den schwierigsten.“ Dazu zählt Langhammer erzwungene Technologietransfers, Zugangsregeln für Direktinvestitionen, den Schutz geistigen Eigentums und Wechselkursmanipulationen.

Weniger pessimistisch zeigt sich Sebastian Dullien, Volkswirt und Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin: „Bei dem möglichen Abkommen geht es nicht um ein Freihandelsabkommen wie es TTIP, TPP oder CETA sind, sondern um ein Abkommen, in dem die beiden Länder bilateral einzelne Maßnahmen vereinbaren, unter anderem die Rücknahme der Strafzölle der USA.“ Ein solches Abkommen könne schnell verhandelt werden. „Zumal Trump ja auch die Strafzölle ohne Abstimmung im Kongress wieder kassieren kann.“

2. Wie hoch ist die Chance, dass ein Handelsabkommen zwischen den USA und China zustande kommt?

Ob überhaupt ein Abkommen zustande kommt, halten die Experten für offen. „Die Chancen stehen 50:50“, sagt Felbermayr. „Beide Seiten könnten durch einen Deal profitieren, verlieren damit aber ein Feindbild, das innenpolitisch nützlich ist.“

Volkswirt Dullien glaubt zwar, dass sich beide Länder kurzfristig einigen können, sagt aber auch: „Wie lange das Abkommen dann hält, wäre eine andere Frage.“ Eine öffentlichkeitswirksame Einigung sieht auch er als nützlich für beide Seiten an.

„Ein enges Abkommen über den Zollabbau bei Gütern, vielleicht sogar beschränkt auf bestimmte Kategorien kann ich mir vorstellen, obwohl letzteres unvereinbar mit den WTO-Regeln ist“, sagt Langhammer. „Je näher wir an die Frage der Behandlung der Direktinvestitionen und dem geistigen Eigentum kommen, desto schwieriger wird es.“

Trump will sich als Dealmaker positionieren

3. Geht es Trump um einen Waffenstillstand im Handelskrieg oder um seine Inszenierung als Dealmaker vor den Kongress- und Senatswahlen?

Auffällig ist, dass Trump seine Charmeoffensive gegenüber China so kurz vor den Kongress- und Senatswahlen am 6. November gestartet hat. Auch wenn der Präsident selbst nicht direkt zur Wahl steht, steht für ihn viel auf dem Spiel. Zum einen sind die Wahlen ein erster Lackmustest für Trump nach zwei Jahren im Weißen Haus. Zum andern könnte ein Verlust des Repräsentantenhauses oder des Senats an die Demokraten die Bewegungsfreiheit des Präsidenten stark einschränken. „Es geht ihm eindeutig darum, sich als Dealmaker zu präsentieren und innenpolitisch zu punkten“, sagt Felbermayr. „Trump scheint langsam zu verstehen, dass er mit handelspolitischen Maßnahmen ohnehin kaum etwas am Handelsdefizit der USA ändern kann.“

Auch Laura von Daniels, Expertin für Handelspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, sieht in Trumps Charmeoffensive vor allem ein Wahlkampfmanöver. Sie verweist auf Umfragen, die zeigen, dass Trump Wählerinnen und Wähler aus Regionen verliert, die von den bereits eingeführten US-Importzöllen und von den Gegenzöllen getroffen werden. „Ein Beispiel dafür sind die Farmer, deren Exporteinnahmen zurückgehen, nachdem China kein Soja mehr aus den USA importiert.“

China ist der größte Abnehmer von Sojabohnen weltweit, für die USA wiederum sind Sojabohnen das wichtigste Agrarexportgut. Für Peking sind die Farmer deswegen ein Hebel, um Präsident Trump unter Druck zu setzen. Sojabohnen werden vor allem in Staaten wie Iowa, Illinois, Minnesota und Ohio angebaut, in denen viele von Trumps treuesten Wähler sitzen. Im vergangenen Jahr gingen fast die Hälfte der US-Sojabohnenexporte nach China.

Der Berliner Professor Dullien ist sich weniger sicher: „Es ist schwer zu sagen, welche Intentionen Trump wirklich in der Handelspolitik verfolgt. Es ist ja noch nicht einmal klar, ob Trump einen besseren Marktzugang in China für US-Unternehmen will, oder ob er lediglich den Aufholprozess der chinesischen Wirtschaft bremsen will.“ Kurzfristig, glaubt Dullien, dürfte Trump es aber vor allem um die Symbolik vor den Wahlen gehen und weniger um konkrete Inhalte.

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4. Wer hat ein solches Abkommen aktuell nötiger: Xi oder Trump?

Die US-Wirtschaft leidet unter dem Handelskonflikt. So stieg das Bruttoinlandsprodukt laut Handelsministerium zwischen Juli und September mit einer auf das Jahr hochgerechneten Rate von 3,5 Prozent. Das Plus lag im Frühjahr noch bei 4,2 Prozent.

Dennoch sieht Langhammer Trump am längeren Hebel. Die starke US-Konjunktur, der starke Dollar, die hohe Verschuldung chinesischer Unternehmen in Dollar, die schwache Nachfrage in China und der schwache Yuan spielten Trump momentan in die Karten. „Diktieren wird er die Verhandlungen nicht, da die Chinesen keinen Gesichtsverlust zulassen“, sagt Langhammer. „Aber er ist in einer besseren Position als noch vor zwei Jahren bei seinem Amtsantritt.“

Felbermayr sieht das ähnlich: „Xi hat ein Abkommen nötiger als Trump, denn in der chinesischen Wirtschaft mehren sich die Schwächezeichen“, sagt der Leiter des Zentrums für Außenwirtschaft am ifo-Institut. „Eine weitere Eskalation wäre für China sehr viel teurer als für die USA.“

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5. Welche Konsequenzen hätte ein mögliches Handelsabkommen für Europa und Deutschland?

„Letztlich geht es nicht nur um Zölle, ob auf Stahl oder Autos. Es geht darum, wer die Regeln, die rechtlichen Standards für den Welthandel in diesem Jahrhundert schreibt“, sagt SWP-Expertin von Daniels. „Für die EU wird es schwierig, wenn am Ende ein Abkommen zwischen den USA und China entstünde, das in Teilen über die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) hinweg gehen sollte. Das wäre für die gesamte globale Ordnung ein Problem.“

Felbermayr glaubt, ein mögliches Handelsabkommen würde die hohe Unsicherheit reduzieren, die auf der weltwirtschaftlichen Entwicklung laste. „Das wäre sicher positiv zu bewerten für Europa und für Deutschland.“

Laut Langhammer könnten insbesondere deutsche und europäische Unternehmen profitieren, die in China oder den USA tätig sind und ins jeweils andere Land exportieren oder von dort importieren. Allerdings seien die USA und China auch in der Lage, Regeln im Welthandel festzulegen, die prägend für den Rest der Welt wären. „Die EU liefe Gefahr, handelspolitisch an den Rand gedrängt zu werden und bei der Regelsetzung nicht ihre Vorstellungen durchsetzen zu können“, sagt Langhammer. „Sie müsste ihrerseits ihre Verhandlungen mit beiden Ländern sichtbar beschleunigen.“

6. Welche Auswirkungen hätte ein Handelsabkommen zwischen den USA und China auf den Welthandel?

Allzu große Auswirkungen auf den Welthandel erwarten die Experten von einem möglichen Abkommen zwischen den USA und China nicht. „Eine Einigung im Handelskonflikt würde dem Welthandel einen gewissen Schub geben, allerdings dürfte der Effekt recht gering bleiben“, vermutet Dullien.

Sollte das Abkommen ähnlich protektionistisch ausgestaltet sein, wie das zwischen den USA, Kanada und Mexiko, dann dürfte es den bilateralen Handel eher dämpfen, sagt Felbermayr. „Daraus erwachsen aber durchaus Chancen für Anbieter aus Drittstaaten wie Deutschland. Der Gesamteffekt für den Welthandel wäre dann wohl neutral.“

Langhammer befürchtet vor allem, dass ein Abkommen zwischen den USA und China den Trend zu bilateralen Deals stärken könnte – und das zulasten globaler oder regionaler Abkommen.

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