Handelsstreit „Eskalation wäre für China sehr viel teurer als für die USA“

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Trump will sich als Dealmaker positionieren

3. Geht es Trump um einen Waffenstillstand im Handelskrieg oder um seine Inszenierung als Dealmaker vor den Kongress- und Senatswahlen?

Auffällig ist, dass Trump seine Charmeoffensive gegenüber China so kurz vor den Kongress- und Senatswahlen am 6. November gestartet hat. Auch wenn der Präsident selbst nicht direkt zur Wahl steht, steht für ihn viel auf dem Spiel. Zum einen sind die Wahlen ein erster Lackmustest für Trump nach zwei Jahren im Weißen Haus. Zum andern könnte ein Verlust des Repräsentantenhauses oder des Senats an die Demokraten die Bewegungsfreiheit des Präsidenten stark einschränken. „Es geht ihm eindeutig darum, sich als Dealmaker zu präsentieren und innenpolitisch zu punkten“, sagt Felbermayr. „Trump scheint langsam zu verstehen, dass er mit handelspolitischen Maßnahmen ohnehin kaum etwas am Handelsdefizit der USA ändern kann.“

Auch Laura von Daniels, Expertin für Handelspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, sieht in Trumps Charmeoffensive vor allem ein Wahlkampfmanöver. Sie verweist auf Umfragen, die zeigen, dass Trump Wählerinnen und Wähler aus Regionen verliert, die von den bereits eingeführten US-Importzöllen und von den Gegenzöllen getroffen werden. „Ein Beispiel dafür sind die Farmer, deren Exporteinnahmen zurückgehen, nachdem China kein Soja mehr aus den USA importiert.“

China ist der größte Abnehmer von Sojabohnen weltweit, für die USA wiederum sind Sojabohnen das wichtigste Agrarexportgut. Für Peking sind die Farmer deswegen ein Hebel, um Präsident Trump unter Druck zu setzen. Sojabohnen werden vor allem in Staaten wie Iowa, Illinois, Minnesota und Ohio angebaut, in denen viele von Trumps treuesten Wähler sitzen. Im vergangenen Jahr gingen fast die Hälfte der US-Sojabohnenexporte nach China.

Der Berliner Professor Dullien ist sich weniger sicher: „Es ist schwer zu sagen, welche Intentionen Trump wirklich in der Handelspolitik verfolgt. Es ist ja noch nicht einmal klar, ob Trump einen besseren Marktzugang in China für US-Unternehmen will, oder ob er lediglich den Aufholprozess der chinesischen Wirtschaft bremsen will.“ Kurzfristig, glaubt Dullien, dürfte Trump es aber vor allem um die Symbolik vor den Wahlen gehen und weniger um konkrete Inhalte.

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von Beat Balzli

4. Wer hat ein solches Abkommen aktuell nötiger: Xi oder Trump?

Die US-Wirtschaft leidet unter dem Handelskonflikt. So stieg das Bruttoinlandsprodukt laut Handelsministerium zwischen Juli und September mit einer auf das Jahr hochgerechneten Rate von 3,5 Prozent. Das Plus lag im Frühjahr noch bei 4,2 Prozent.

Dennoch sieht Langhammer Trump am längeren Hebel. Die starke US-Konjunktur, der starke Dollar, die hohe Verschuldung chinesischer Unternehmen in Dollar, die schwache Nachfrage in China und der schwache Yuan spielten Trump momentan in die Karten. „Diktieren wird er die Verhandlungen nicht, da die Chinesen keinen Gesichtsverlust zulassen“, sagt Langhammer. „Aber er ist in einer besseren Position als noch vor zwei Jahren bei seinem Amtsantritt.“

Felbermayr sieht das ähnlich: „Xi hat ein Abkommen nötiger als Trump, denn in der chinesischen Wirtschaft mehren sich die Schwächezeichen“, sagt der Leiter des Zentrums für Außenwirtschaft am ifo-Institut. „Eine weitere Eskalation wäre für China sehr viel teurer als für die USA.“

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5. Welche Konsequenzen hätte ein mögliches Handelsabkommen für Europa und Deutschland?

„Letztlich geht es nicht nur um Zölle, ob auf Stahl oder Autos. Es geht darum, wer die Regeln, die rechtlichen Standards für den Welthandel in diesem Jahrhundert schreibt“, sagt SWP-Expertin von Daniels. „Für die EU wird es schwierig, wenn am Ende ein Abkommen zwischen den USA und China entstünde, das in Teilen über die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) hinweg gehen sollte. Das wäre für die gesamte globale Ordnung ein Problem.“

Felbermayr glaubt, ein mögliches Handelsabkommen würde die hohe Unsicherheit reduzieren, die auf der weltwirtschaftlichen Entwicklung laste. „Das wäre sicher positiv zu bewerten für Europa und für Deutschland.“

Laut Langhammer könnten insbesondere deutsche und europäische Unternehmen profitieren, die in China oder den USA tätig sind und ins jeweils andere Land exportieren oder von dort importieren. Allerdings seien die USA und China auch in der Lage, Regeln im Welthandel festzulegen, die prägend für den Rest der Welt wären. „Die EU liefe Gefahr, handelspolitisch an den Rand gedrängt zu werden und bei der Regelsetzung nicht ihre Vorstellungen durchsetzen zu können“, sagt Langhammer. „Sie müsste ihrerseits ihre Verhandlungen mit beiden Ländern sichtbar beschleunigen.“

6. Welche Auswirkungen hätte ein Handelsabkommen zwischen den USA und China auf den Welthandel?

Allzu große Auswirkungen auf den Welthandel erwarten die Experten von einem möglichen Abkommen zwischen den USA und China nicht. „Eine Einigung im Handelskonflikt würde dem Welthandel einen gewissen Schub geben, allerdings dürfte der Effekt recht gering bleiben“, vermutet Dullien.

Sollte das Abkommen ähnlich protektionistisch ausgestaltet sein, wie das zwischen den USA, Kanada und Mexiko, dann dürfte es den bilateralen Handel eher dämpfen, sagt Felbermayr. „Daraus erwachsen aber durchaus Chancen für Anbieter aus Drittstaaten wie Deutschland. Der Gesamteffekt für den Welthandel wäre dann wohl neutral.“

Langhammer befürchtet vor allem, dass ein Abkommen zwischen den USA und China den Trend zu bilateralen Deals stärken könnte – und das zulasten globaler oder regionaler Abkommen.

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