Infrastruktur-Investitionen aus China „Wo soll denn die Gefahr liegen?“

Seite 2/2

„Altmaier musste bei 50Hertz auf einen faulen Trick zurückgreifen“

Der chinesische Staatskonzern State Grid Corporation of China wollte dem australischen Investor IFM im vergangenen Jahr eine 20-Prozent-Beteiligung am Stromnetzbetreiber 50Hertz abkaufen. Peter Altmaier, der Bundesminister für Wirtschaft und Energie, hat das unterbunden.
Mit den Mitteln der Außenwirtschaftsverordnung konnte Altmaier das nicht verhindern, also griff er auf einen faulen Trick zurück und ließ die KfW die Beteiligung kaufen. Ich vermute, damit die Bundesregierung sich eine solche Blöße nicht noch einmal geben muss, hat sie den Schwellenwert auf zehn Prozent herabgesetzt. Aber der Schwellenwert ist aus meiner Sicht unwesentlich. Der Punkt ist, dass für einen Eingriff durch die Bundesregierung eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder die öffentliche Ordnung vorliegen muss. Und diese Gefahr muss bewiesen werden. Bei 50Hertz hat das Wirtschaftsministerium kein Wort dazu gesagt, worin die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegen soll, wenn Chinesen 20 Prozent an einem Stromnetzbetreiber halten. In einer Untersagungsverfügung hätte das Wirtschaftsministerium darlegen müssen, worin diese Gefahr besteht. Es scheint mir eher, dass Altmaier auf etwas anderes abzielt.

Und worauf?
In dem Moment, in dem ein Verfahren eingeleitet wird, ziehen sich viele Investoren – nicht nur chinesische – schon zurück, weil eine erhebliche Verzögerung der Akquisition inakzeptabel ist. Wenn der Investor hört, dass er ein monatelanges Prüfverfahren durchlaufen soll, vergeht sein Interesse oft sehr schnell. Das habe ich selbst schon erlebt.

Sie sehen kein begründetes Sicherheitsinteresse darin, die Kontrolle über die Energieinfrastruktur zu behalten?
Was heißt denn „die Kontrolle behalten“? Alle möglichen ausländischen Investoren können sich in unsere Infrastruktur einkaufen – Australier, Amerikaner, EU-Staaten. Wenn ein französischer oder ungarischer Investor 20 Prozent eines Energieunternehmens kaufen will, dann hat die deutsche Regierung keine Kontrolle. Der Gedanke, dass ein chinesischer Anteilseigner auf einmal alles an sich reißt und das Management austauscht gegen Leute, die uns eines nachts den Strom abschalten, ist doch absurd. Wo soll denn die Gefahr liegen? Warum sollte hier von einem chinesischen Investor mehr Gefahr ausgehen als zum Beispiel von einem ungarischen? Ich kann das Misstrauen ja verstehen bei Unternehmen wie Kuka, wo durch eine Übernahme in der Tat ganz legal relevante Zukunftstechnologie abfließen könnte. Aber gerade den Abfluss von Technologie kann die Außenwirtschaftsverordnung nicht verhindern, weil das zwar die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft bedroht, aber nicht die öffentliche Sicherheit und Ordnung.

Die größten M&A-Deals chinesischer Firmen in Europa

Ein Unterschied ist, bei Investoren aus Frankreich oder Ungarn ist klar, ob der Staat dahintersteckt oder Investoren aus der Privatwirtschaft. Bei Übernahmen durch chinesische Firmen ist das nie ganz klar.
Bei großen chinesischen Konzernen wissen wir genau, dass der chinesische Staat involviert ist. Nicht die Ungewissheit bereitet hier Sorge, sondern der Gedanke: China ist keine Demokratie, sondern eine Parteioligarchie, die Weltpolitik betreibt. Viele in Deutschland befürchten offenbar, dass China auch seine Unternehmensbeteiligungen für diese Politik ausnutzen könnte.

Sie glauben das nicht?
Dass die Chinesen über Investitionen durchaus Einfluss üben, sehen wir an der Seidenstraßeninitiative. Aber das betrifft Staaten, die gerade erst am Beginn einer marktwirtschaftlichen Entwicklung stehen. Die Vermutung, China könne versuchen, über Unternehmensanteile an einem Energieversorger politischen Druck in einem Land wie Deutschland auszuüben, erscheint mir allzu weit hergeholt.

Ein weiterer Unterschied ist, dass Frankreich ein befreundeter Staat ist – China ist zwar ein wichtiger Wirtschaftspartner, aber allzu viele politische Interessen verbinden Deutschland und China nicht.
Ich neige zu der hergebrachten Auffassung, dass es zwischen Staaten keine Freundschaft gibt. Es gibt Interessen, die mehr oder minder gleichgerichtet sind. Je mehr das der Fall ist, desto besser ist das Verhältnis der Staaten zueinander. Momentan kann ich nicht sehen, dass die grundsätzliche Interessenlage zwischen Deutschland und China einerseits und Frankreich und Deutschland andererseits so unterschiedlich ist. Beide Staaten sind wichtige Handelspartner für uns. Das Problem ist im Moment, dass externe Effekte, nämlich globale Spannungen zwischen China und den USA, auf unsere Beziehung zu China abfärben, weil die USA nun einmal unser wichtigster Nato-Partner ist.

Ein letzter Unterschied: Auf Frankreich-Reisen ermahnt die Bundeskanzlerin die französische Regierung nicht, die Menschenrechte einzuhalten.
Ich halte nichts davon, andere Länder über die Menschenrechte zu belehren. Der Anspruch universeller Geltung der Menschenrechte ist unrealistisch. Die Idee der Menschen- und Bürgerrechte ist ein Erzeugnis der europäischen Aufklärung, deswegen müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass es Kulturkreise gibt, in denen diese Rechte nicht oder nur teilweise zur Geltung kommen. Wenn es gute Gründe gibt, zu solchen Ländern Beziehungen zu unterhalten und mit ihnen Handel zu treiben, sollten wir das tun – auch wenn uns ihre Menschenrechtspolitik nicht gefällt. Alles andere würde dazu führen, dass es mit diesen Ländern überhaupt keinen Austausch mehr gibt. Und daran kann niemand ein Interesse haben.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%