Merkel gegen Faymann Das Duell

Angela Merkel und Werner Faymann sind gerade keine guten Freunde. Die Bundeskanzlerin will die Flüchtlingszahlen durch den Türkei-Deal senken, Österreich setzt auf Abschottung. Doch es gibt einen großen Verlierer.

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Die deutsch-österreichischen Beziehungen waren nie völlig entspannt. Gerade sind Werner Faymann und Angela Merkel nicht einer Meinung. Quelle: dpa

Berlin Die deutsch-österreichischen Beziehungen waren nie völlig entspannt. Aber derzeit liefern sich die beiden großen Koalitionen in Berlin und Wien eine ungewöhnlich heftige tägliche Auseinandersetzung über den richtigen Weg aus der Flüchtlingskrise. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ auch am Donnerstag keinen Zweifel daran, dass sie den nationalen Alleingang Wiens zur Schließung von Grenzen für unsolidarisch und uneuropäisch hält. Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und seine Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) beharren dagegen auf ihrer Position – und sprechen von einer „Allianz der Vernunft“ mit den Balkanstaaten.

Überraschend ist vor allem die Härte der Auseinandersetzung – aus zwei Gründen: Zum einen sind sich alle 28 EU-Regierungen einig im Ziel, die Zahl der in die EU kommenden Flüchtlinge und Migranten erheblich zu reduzieren. Zum anderen war es ausgerechnet der Sozialdemokrat Faymann, der Merkel Anfang September um Hilfe gebeten hatte, weil Flüchtlinge aus Budapest Richtung Österreich strebten – und der dann immer wieder die humanitäre Verantwortung der EU betonte. Die Bundesregierung half dem südlichen Nachbarn damals durch eine als „einmalig“ deklarierte humanitäre Hilfsaktion aus der Patsche – die dann aber nicht einmalig blieb. Die Folge: Beide Nationen haben unterschiedliche Wege eingeschlagen.

Der deutsche Weg

Die Bundesregierung will die Zahl der Flüchtlinge vor allem dadurch reduzieren, dass sie in Syrien sowie den Nachbarländern der Region ansetzt. Die Türkei ist nach Ansicht Merkels das Schlüsselland, weil es bereits mehr als 2,7 Millionen syrische Bürgerkriegsflüchtlinge aufgenommen hat und gleichzeitig die Außengrenze der EU zu Griechenland darstellt.

Nur wenn die Türkei mitspielt, könne die Zahl der Neuankömmlinge dauerhaft und für alle EU-Staaten gesenkt werden, argumentiert Merkel. Nur so ließen sich humanitäre Katastrophen in europäischen Staaten verhindern. Deshalb, so Merkel und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, komme es auf die richtige Reihenfolge der vielen nötigen Schritte an, schon um nicht den Zerfall des Schengen-Raums zu riskieren. Deshalb hat sie auch den Forderungen des Koalitionspartners CSU widerstanden, die deutsch-österreichische Grenze zu schließen, weil sie einen Dominoeffekt nach Süden fürchtete.

Der österreichische Weg

Österreich, die anderen Balkanstaaten, aber auch die Osteuropäer und der aus Polen stammende EU-Ratspräsident Donald Tusk vertreten dagegen eine andere Philosophie: Nur durch eine Schließung der Grenzen sende man eine ausreichend klare Botschaft an Migranten und Flüchtlinge, dass der Weg nach Norden versperrt sei.

Tusk hatte schon vergangene Woche unmissverständlich gesagt: „Kommen Sie nicht nach Europa.“ Vergangenen Montag versuchte er den Satz „Die Balkanroute ist geschlossen“ in der Abschlusserklärung unterzubringen – was Merkel verhinderte.


Das Problem verschwindet nicht

Nun machen die Balkanstaaten alleine weiter. Der Dominoeffekt nach Süden und der Stau von Flüchtlingen und Migranten an der mazedonisch-griechischen wird dabei nicht gefürchtet, sondern ausdrücklich gewünscht. Nur dadurch, so die Philosophie, könne die Regierung in Athen dazu gebracht werden, endlich zu handeln.

Tatsächlich garantiert Griechenland bis heute nicht die Registrierung aller ankommenden Flüchtlinge. Weil die Zahlen der in Deutschland ankommenden Menschen tatsächlich drastisch gesunken sind, fordert Wien deshalb vom nördlichen Nachbarn statt Kritik sogar Dankbarkeit ein.

Genau das lehnt Merkel aber ab. „Ich persönlich bin der Meinung, dass diese einseitige Entscheidung Österreichs und dann in der Folge auch der Balkanländer zwar uns weniger Flüchtlinge bringt, auf der anderen Seite aber Griechenland in eine schwierige Situation bringt“, sagte sie. Das Problem verschwinde nicht. „Deshalb setze ich mich für eine wirklich europäische Lösung ein.“ Das wollen die Gegner ihres Konzepts aber nicht auf sich sitzenlassen. Deshalb dankte Tusk den Balkanländern ausdrücklich und sieht – im Gegensatz zu Merkel – die Grenzschließungen sogar als Umsetzung der EU-Gipfelbeschlüsse.

Gegensätzliche Interpretationen gibt es auch, was mit der von Merkel auf dem EU-Gipfel im Februar durchgesetzten „Priorität“ für den Türkei-Ansatz gemeint ist. Die Bundesregierung sah dies eigentlich als Verabredung, nun mit nationalen Alleingängen zumindest so lange zu warten, bis das nun für den 17. März geplante EU-Türkei-Abkommen abgeschlossen ist. Nur: Die österreichische Regierung und Tusk sehen das nicht so.

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