Münchner Sicherheitskonferenz 2023 „Russlands Invasion ist nur Teil eines größeren Trends“

Soldaten der chinesischen Volksbefreiungsarmee. Quelle: imago images

Die Münchner Sicherheitskonferenz stellt ihren Jahresbericht 2023 vor – und mahnt die westliche Welt darin zu mehr Eile bei der Partnersuche. 

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Es ist eine der großen Erzählungen des Kriegs in der Ukraine: Präsident Wolodymyr Selenskyj kämpft als ungewollter Held, der dem Schurken aus Moskau die Stirn bietet. Diese Geschichte übernimmt auch der Münchner Sicherheitsbericht 2023, aber er fügt eine wichtige Beobachtung hinzu: Selenskyj sei zur „Miniatur-Metapher“ geworden für die „das weltweit in Zeitlupe ablaufende Ringen zwischen Kräften der Demokratie und der Autokratie.“

Der Bericht wird traditionell vor der Münchner Sicherheitskonferenz veröffentlicht – quasi das Logbuch der wichtigsten außen- und sicherheitspolitischen Trends. Er steht dementsprechend sehr im Zeichen des russischen Angriffskriegs, der in dieser Woche seinen ersten Jahrestag begeht. Aber eben nicht nur. Das Paper beschäftigt sich auch mit dem großen Konflikt, der hinter der Invasion Wladimir Putins steht. Demnach brauche es eine neue „liberale und regelbasierte internationale Ordnung“, schreiben die Autoren der MSC, um die „demokratische Widerstandsfähigkeit in einer Zeit des scharfen Systemwettbewerbs mit autokratischen Regimen“ zu garantieren.

Wichtig sei hier vor allem die zukünftige Rolle von Staaten wie Brasilien und Indien. Letzteres besucht Olaf Scholz Ende Februar. Bei Ersterem hatte der Bundeskanzler sich erst Ende Januar eine Absage in Bezug auf Munitionslieferungen für die Ukraine abgeholt. Brasiliens Präsident Lula da Silva gab an, neutral bleiben zu wollen und ausgerechnet mit der Hilfe von China im Konflikt zu vermitteln. 

von Max Biederbeck, Florian Güßgen, Cordula Tutt, Max Haerder, Dieter Schnaas, Silke Wettach, Rüdiger Kiani-Kreß, Sonja Álvarez

Auf einmal, so zeigt der Krieg, hängt so viel an solchen Entscheidungen. Denn Deutschland braucht die Staaten des globalen Südens. Das geht los mit Gasimporten aus Katar oder Abu Dhabi, reicht von Magnesium aus Südafrika und Lithium aus Chile – und endet noch lange nicht mit Charmeoffensiven gegenüber viel zu lange vernachlässigten Handelspartnern in Südostasien und Afrika. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nennt es „De-Risking“.  Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, Franziska Brandner sagt: „Wir haben Globalisierung gesagt, aber allenfalls Teilglobalisierung gemacht.“

Die Münchner Sicherheitskonferenz mahnt, dass diese Aufholjagd um neue Partner schneller gehen muss. Denn: „Russlands Invasion ist nur Teil eines größeren Trends“, den vor allem China vorantreibe. Zwar distanziere sich Peking öffentlich vom Krieg Moskaus und auch von dessen Drohungen mit Atomwaffen. Doch im Hintergrund wolle Machthaber Xi Jinping weiter seine Vision für die internationale Ordnung durchdrücken. Es sei zu befürchten, dass Xi in Zukunft „eine immer aggressivere Außenpolitik verfolgen wird, um von drohenden wirtschaftlichen Problemen abzulenken“, schreibt die MSC. Die Annexion von Taiwan ist nur ein Beispiel. Gleichzeitig bekomme der Politiker in der Kommunistischen Partei immer mehr Macht. Ein „giftiger Cocktail“, wie es im Bericht heißt.



Noch funktioniert die Eindämmung nicht

Dem gilt es zu begegnen, doch bei besagter Suche nach Verbündeten tut sich der Westen schwer. Und ist selbst Schuld, wie die MSC kritisiert. EU und USA würden aktuell mit einer schiefen Prämisse in Verhandlungen mit den Staaten des globalen Südens eintreten. Dieser habe sich demnach „wissentlich oder unwissentlich an den russischen Bemühungen, internationale Normen zu schwächen“ beteiligt.

Das allerdings stimmt laut MSC-Daten nur sehr bedingt. Viele Länder hätten zwar ihr „Vertrauen in die Legitimität und Fairness des internationalen Systems“ verloren. Weil Mitspracherechte bei internationalen Fragen fehlten, Anliegen klein geredet und Bedrohungslagen ignoriert wurden. Auch gab es kaum Hilfe bei Lebensmittelpreisen, beim Zugang zur Energie oder der Beschaffung von Corona-Impfstoffen. „Für viele Staaten sind diese Versäumnisse eng mit dem Westen verbunden“, heißt es im Bericht.

Der MSC-Index zeigt allerdings, dass diese Unzufriedenheit keineswegs in den Wunsch mündet, dass China und Russland mehr Einfluss bekommen. Stattdessen wollten Staaten wie Indien, Brasilien und Südafrika vor allem eine größere eigenständige Rolle in der internationalen Gemeinschaft einnehmen. „Das ist nicht mit autoritärem Revisionismus gleichzusetzen“, schreibt die MSC. 

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Um die Ausdehnung Russlands und Chinas also politisch einzudämmen, müsse sich die Botschaft westlicher Demokratien an ihre Partner radikal ändern. Statt taub gegenüber dem Rest der Welt zu sein, sollten ein Jahr nach der Zeitenwende tragfähige Netzwerke auf Augenhöhe entstehen. Bundeskanzler Scholz wird bei seinem Indien-Besuch schon bald die nächste Chance dazu bekommen. 

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