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Die Rolle der Chinesen im Handelskrieg

Martin Feldstein Quelle: Bloomberg, Montage
Martin S. Feldstein US-amerikanischer Ökonom, Professor für Wirtschaftswissenschaften und ehemaliger Oberster Wirtschaftsberater für US-Präsident Ronald Reagan Zur Kolumnen-Übersicht: Post aus Harvard

Kein anderes Schwellenland hat in den vergangenen Jahrzehnten derartige Entwicklungssprünge gemacht wie China. Doch die eigene Marktöffnung ist noch unzureichend. Es ist an der Zeit für China, ausländischen Unternehmen den Marktzutritt erleichtern und so den Konflikt mit den USA zu entschärfen.

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Ich gestehe: Ich bin ein großer Bewunderer Chinas und seiner Fähigkeit, wirtschaftspolitische Strategien so anzupassen, dass die Wachstumsrate hoch bleibt. Als ich 1982 zum ersten Mal nach China reiste, erlebte ich ein sehr armes Land. Die Landwirtschaft war verstaatlicht. Da die Bauern das Recht verloren hatten, ihren eigenen Grund und Boden zu bestellen, war die landwirtschaftliche Produktionsleistung extrem niedrig. Jenseits der Landwirtschaft war individuelles Eigentum an Produktionsmitteln verboten. Eine Familie durfte zwar eine Nähmaschine für den Eigengebrauch besitzen, aber es war nicht möglich, zwei Nähmaschinen anzuschaffen und jemanden einzustellen, der bei der Herstellung von Kleidungsstücken hilft.

Unter der Führung von Deng Xiaoping begann der Wandel. Grundstücke wurden an ihre früheren Eigentümer zurückgegeben. Diese durften den Überschuss, den sie über die staatlich verpflichtende Quote hinaus erwirtschafteten, behalten. Dadurch stieg die Agrarproduktion stark an. Die Bauern produzierten eine Reihe zusätzlicher Produkte wie Blumen und Gemüse, die sie direkt an die Kunden verkauften. Die Beschränkungen beim Eigentum an Produktionsmitteln und der Einstellung von Arbeitskräften wurden nach und nach gelockert.

Die Folge: Heute sorgt der Privatsektor für das Gros der wirtschaftlichen Aktivität in China. Seit 1982 wuchs das chinesische Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Schnitt um über sieben Prozent, das reale Pro-Kopf-BIP liegt heute 18 Mal höher als damals. Seit Beginn der Reformen Dengs konnten sich 800 Millionen Menschen aus der Armut befreien. Obwohl die Produktionsleistung pro Kopf in China immer noch lediglich ein Viertel des amerikanischen Wertes beträgt, herrscht in den großen Städten Chinas ein beeindruckender Lebensstandard.

Deng erklärte einmal: „Reich zu werden ist ruhmreich.” Die Menschen in China haben darauf reagiert. Private Unternehmungen florieren, es gibt einen breit gestreuten Aktienbesitz – und offensichtlich mehr Selfmade-Milliardäre als in den USA.
Ein Hauptgrund für das rasche Wachstum Chinas ist die Kombination aus privaten Anreizen und einem effektiven Bildungssystem. China blickt auf eine uralte Tradition der Förderung der klügsten Studenten auf Basis anspruchsvoller Prüfungen zurück. Schon die Hofbeamten im Dienste des Kaisers wurden durch schriftliche Prüfungen über Konfuzianismus ausgewählt. Heute ist die Alphabetisierung umfassend. In landesweiten Prüfungen wird ermittelt, wer die Spitzenuniversitäten besuchen darf. Über eine Million chinesischer Studierender haben in den USA ein Studium absolviert.

So weit die Geschichte. Doch nun, da das Land an der Spitze der Weltwirtschaft angekommen ist, muss es Reformen umsetzen. Es gilt vor allem, jene internationalen Bestimmungen einzuhalten, denen China im Rahmen seines Beitritts zur Welthandelsorganisation (WTO) 2001 zustimmte. Fakt ist: In seinem Bestreben, mit dem Westen gleichzuziehen, hat China Technologie von westlichen Firmen gestohlen. Schon unter Präsident Barack Obama beschuldigten die USA China, Netzspionage gegen amerikanische Unternehmen betrieben und deren geistiges Eigentum gestohlen zu haben. 2013 unterzeichneten die Präsidenten Xi und Obama ein Kommuniqué, in dem festgelegt wurde, auf derartige Praktiken zu verzichten.

Allerdings eignet sich China weiterhin US-Technologie an. Das geschieht, indem man von ausländischen Unternehmen, die in China aktiv sein wollen, fordert, Joint Ventures mit chinesischen Firmen einzugehen. Über dieses Konstrukt erhalten die chinesischen Partner dann die Technologie der US-Unternehmen. Die WTO verbietet ihren Mitglieder zwar, den Marktzugang an Bedingungen wie einen verpflichtenden Technologietransfer zu knüpfen. Aber die Chinesen behaupten, verpflichtend sei ja gar nichts – die Firmen müssten ja nicht in China Geschäfte machen. Das ist unaufrichtig.

Mit der Ankündigung umfangreicher Zölle auf chinesische Einfuhren will die neue US-Regierung China nun dazu bringen, die WTO-Regeln zum Technologietransfer einzuhalten. Die Botschaft scheint bei den Chinesen anzukommen. Jüngst sagte Xi, dass China zumindest in der Autoindustrie keine Joint Ventures mehr verlange – er räumte also implizit ein, dass diese Forderung die WTO-Regeln verletze.

Doch es ist Zeit für China, auf die Forderung nach der Bildung von Joint Ventures ganz zu verzichten. Die USA und China sollten offen erklären, dass kein ausländisches Unternehmen ein Joint Venture eingehen oder einem Technologietransfer als Bedingung für geschäftliche Aktivitäten zustimmen muss. So viel ist klar: Chinas derzeitige Politik facht den Handelskonflikt weiter an.

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