Kurz nach nach der Wahl des ultrarechten Politikers zum Präsidenten klingelt bei Jair Bolsonaro - dem „Trump der Tropen“ - das Telefon. Das Original ist dran. US-Präsident Donald Trump will dem neu gewählten Präsidenten Brasiliens gratulieren. „Es war ein sehr freundschaftliches Gespräch“, sagt Bolsonaro nach dem Telefonat.
Die beiden Männer haben so einiges gemeinsam. Bei Trump heißt es „Amerika zuerst“, Bolsonaro setzt auf „Brasilien zuerst“. Beide hegen eine Faszination für das Militär, lieben die direkte Kommunikation über Twitter und vergreifen sich gerne mal im Ton. Sie haben glühende Anhänger und eingefleischte Feinde. Dazwischen gibt es nicht viel.
Der rechte Wahlsieger in Brasilia wird in Sachen Handel, Steuerpolitik und Klimapolitik auf den Spuren des US-Präsidenten Donald Trump wandeln, den der Ex-Fallschirmjäger bewundert. Das Land am Amazonas geriet nach einem von steigenden Rohstoffpreisen getragenen Boom in eine Rezession, von der es sich nur langsam erholt. Die bisherige linke Regierung versuchte die Wirtschaft mit Subventionen und höheren Staatsausgaben zu päppeln. Doch 2017 sprang mit 1,0 Prozent ein für ein Schwellenland nur mageres Wachstum heraus. Nun will Bolsonaro umsteuern.
Bolsonaros Pläne für Brasilien
In der brasilianischen Wirtschaft hat nach der schwersten Rezession seit Jahrzehnten eine Erholung begonnen. Investoren und Geschäftsleute hoffen, dass Bolsonaro das Wachstum beschleunigt. Er hat gesagt, dass er nicht viel von Wirtschaft verstehe und dass er seinem Berater Paulo Guedes folgen werde, einem Banker und Ökonomen, der an der Universität von Chicago studiert hat.
Unter Bolsonaro könnte der Staatssektor der größten Volkswirtschaft Lateinamerikas schrumpfen, unter anderem durch eine Halbierung der Zahl der Ministerien, Privatisierung vieler staatlicher Unternehmen und Verringerung von Einfuhrzöllen. Solche Vorschläge haben Anleger optimistisch für die Zukunft Brasiliens gestimmt, doch viele sind vage geblieben und es ist unklar, wie viel Einfluss Guedes haben wird.
Wie will Bolsonaro das angeschlagene Rentensystem sanieren und die Staatsfinanzen in Ordnung bringen? Im internationalen Vergleich erlaubt das System Arbeitern einen zu frühen Renteneintritt und es zahlt zu hohe Renten, weswegen das Haushaltsdefizit zu hoch ist, um nachhaltig zu sein.
Einschnitte dürften aber unbeliebt sein, weswegen Bolsonaro im Parlament eine breite Koalition finden müsste, um seinen Vorschlag durchzubringen. Sein wichtigster Vorschlag ist, ein System privater Konten zu schaffen, mit denen Bürger für ihre Rente sparen.
In der Außenpolitik will Bolsonaro Trump nacheifern. Er zieht zwischenstaatliche Handelsabkommen multilateralen vor, will die Botschaft in Tel Aviv nach Jerusalem verlegen und gegenüber dem Nachbarland Venezuela eine härtere Haltung einnehmen. Er hat vorgeschlagen, Venezolaner, die vor dem Chaos in ihrer Heimat fliehen, in Flüchtlingslager zu stecken.
Bolsonaro hat sich hart gegenüber China geäußert, dem wichtigsten Handelspartner Brasiliens. Im Februar besuchte er Taiwan, das von der Pekinger Staatsführung als chinesisches Territorium beansprucht wird. Er sagte einem brasilianischen Radiosender, Brasilien könne nicht „China oder irgend einem anderen Land erlauben, zu kommen und Brasilien zu kaufen, statt in Brasilien zu kaufen“.
Im Zentrum von Bolsonaros Wahlkampf stand sein Versprechen, mit Härte gegen die zunehmende Gewalt in Brasilien vorzugehen und der Polizei mehr Freiraum für die Anwendung von Gewalt zu geben. Er hat Polizisten, die im Einsatz töten, mehr Schutz zugesagt und sagte, ein Beamter, der einen Landstreicher töte, solle „gefeiert, nicht strafrechtlich verfolgt“ werden.
Menschenrechtsaktivisten fürchten, dass Polizisten in dem Land, in dem Polizeigewalt bereits verbreitet ist, mehr Unschuldige ungestraft töten könnten. Nach Darstellung Bolsonaros sind die Gesetze gegenwärtig zu restriktiv und die Polizei sollte mehr Möglichkeiten haben, sich zu verteidigen.
Er möchte Bürgern auch den Besitz von Schusswaffen erleichtern. Bolsonaro ist bekannt für eine Geste, bei der er mit seinen Fingern eine Pistole darstellt. Während des Wahlkampf sagte er, „gute Bürger“ sollten sich und ihr Eigentum verteidigen können.
Zudem hat er versprochen, das Mindestalter für Strafmündigkeit auf 16 herabzusetzen. Strafrechtsexperten haben gewarnt, dass dies zu mehr Inhaftierungen führen würde.
Manche Analysten haben gesagt, dass Bolsonaros Maßnahmen zu mehr Gewalt führen könnten. Andere haben bezweifelt, dass er die Kriminalität rasch verringern kann, da die Sicherheitspolitik weitgehend in die Zuständigkeit der Regierungen der Bundesstaaten fällt.
Als ehemaliger Armeehauptmann hat Bolsonaro während seiner 27 Jahre im Parlament oft den Interessen des Militärs den Vorzug gegeben. Er hat versprochen, dies als Präsident weiterhin zu tun und sein Kabinett mit Offizieren zu besetzen. Den ehemaligen General Augusto Heleno hat er als Verteidigungsminister angekündigt. „Die Nation hofft auf die Streitkräfte als Garantie gegen Barbarei“, schrieb er in seinen Regierungsplan.
Mehr als die Hälfte des Amazonas-Regenwalds liegt in Brasilien. Umweltschützer befürchten, dass Bolsonaro größere Teile des Urwalds für Abholzung und Bergbau opfern wird. Er hat gefordert, die Anerkennung von Gebiete von Ureinwohnern zu beenden, mit der diese vor verschiedenen Formen der Ausbeutung geschützt werden. „Nicht ein Zentimeter wird für indigene Reservate demarkiert werden“, sagte er.
Bolsonaro hat angekündigt, wie auch US-Präsident Donald Trump aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen. Kürzlich ruderte er aber zurück und sagte, Brasilien werde in dem Abkommen bleiben, falls es die Gerichtsbarkeit über sein Amazonasgebiet behält.
Viele Beobachter glauben, dass Bolsonaros enge Beziehungen zu Vertretern der Agrarindustrie im Parlament zu einer Schwächung des Umweltschutzes führen werden, da die Interessen von Farmern siegen werden. Beispielsweise hatte er angekündigt, die Ministerien für Landwirtschaft und Umwelt zusammenzulegen. Umweltschützer befürchten, dass dies dazu führen würde, dass mehr Boden landwirtschaftlich genutzt werden darf. Kürzlich sagte Bolsonaro, er erwäge, die beide Ministerien separat zu erhalten, spreche darüber aber noch mit Vertretern der Agrarindustrie.
Er hat im Wahlkampf angekündigt, Unternehmen unter Staatseinfluss zu privatisieren - darunter auch den von Korruptionsskandalen erschütterten Ölkonzern Petrobras . Dieser ächzt unter einem gigantischen Schuldenberg von 74 Milliarden Dollar. Der künftige Präsident Brasiliens hat mit dem Thema Wirtschaft jedoch nach eigenen Worten nicht allzu viel am Hut.
Er will seinem Berater und designierten Superminister für Finanzen, Planung und Handel, Paulo Guedes, weitgehend freie Hand geben. Dieser plant, der Wirtschaft mit einer Steuerreform neuen Schwung zu verleihen und damit die Basis zum Aufbau von zehn Millionen neuen Jobs zu legen. Doch wenn die Lohnsteuer wie von Guedes geplant gesenkt wird, dürfte dies laut Kritikern neue Löcher in die Staatskasse reißen: Brasilien hat laut Auswärtigem Amt mit cirka acht Prozent bereits „ein dramatisches Haushaltsloch“.
Wirtschaftsinteressen vor Umweltschutz
Zugleich will sich die kommende Regierung mit dem umstrittenen Ausbau von Atom- und Wasserkraftwerken im Amazonas-Gebiet über Bedenken von Umweltschützern hinwegsetzen, wie der Ex-General und Bolsonaro-Berater Oswaldo Ferreira ankündigte. „Falls Brasilien zu früheren Wachstumsraten zurückkehren soll, was wir alle wollen, wird Energie benötigt, die nicht aus anderen Quellen bezogen werden kann.“ Brasilien hat beim Ausbau neuer Erzeugungskapazitäten bislang vorrangig auf erneuerbare Energien gesetzt. Laut Auswärtigem Amt in Berlin verbindet Deutschland und Brasilien auf diesem Gebiet eine „Energiepartnerschaft“.
Hier könnte es zu einer Zäsur kommen. Denn Bolsonaro hat angekündigt, dafür sorgen zu wollen, dass Brasilien aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigt. Er würde damit dem US-Vorbild folgen. Laut Bolsonaros Berater für Landwirtschaft, Nabhan Garcia, sollen zudem Bauern, die in ökologisch-sensiblen Regenwaldgebieten gegen Umweltvorschriften verstoßen, künftig mit milderen Strafen davonkommen. Zudem will er neue Abholzungen im Amazonas-Gebiet zulassen. Dabei ist der riesige Regenwald der größte CO2-Speicher der Welt und für das Klima von entscheidender Bedeutung. „Wenn er alles umsetzt, was er angekündigt hat, wird es ein Desaster“, sagt Carlos Rittl von der Beobachtungsstelle für das Klima.
Wie Trump setzt Bolsonaros einflussreicher Wirtschaftsberater zudem auf bilaterale Handelsabkommen. Guedes sieht Brasilien durch die im Rahmen der Mercosur-Freihandelszone eingegangenen Verpflichtungen zu sehr eingeschränkt. Dies könnte aus europäischer Sicht zu einschneidenden Veränderungen führen, denn Brasilien und Deutschland haben sich bislang gemeinsam für Fortschritte bei den Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen Mercosur und der EU eingesetzt.
Doch im Beraterkreis um Bolsonaro gibt es Differenzen darüber, welchen Wirtschaftskurs der neue Präsident einschlagen soll. So setzte Ex-Militär Ferreira ein dickes Fragezeichen hinter die Ankündigung, Petrobras privatisieren zu wollen. Er hält den halb-staatlicen Ölkonzern für wertvolles Tafelsilber, von dem sich Brasilien auch aus strategischen Gründen nicht trennen dürfe.
Das Auswärtige Amt in Berlin sieht die Lösung der Probleme bei Petrobras als einen der Schlüssel für den wirtschaftlichen Erfolg des Landes: „Durch die Erschließung der 2008 entdeckten umfangreichen Rohöl- und Erdgasvorkommen an der südöstlichen Atlantikküste könnte Brasilien zu einem der wichtigsten Erdölproduzenten weltweit aufsteigen. Petrobras ist allerdings seit Jahren mit erheblichen Korruptionsvorwürfen konfrontiert, die seine Leistungsfähigkeit und potenzielle Investitionsfähigkeit erheblich schwächen.“
Wo Bolsonaro die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas hinsteuern will, ist noch unklar. Sein designierter Wirtschaftsminister Paulo Guedes gilt als Anhänger der ultraliberalen Chicago-Schule. Er würde gerne das Rentensystem privatisieren, Steuern senken und alle Staatsbetriebe sofort privatisieren, darunter auch Brasiliens Kronjuwel - den Ölkonzern Petrobras. Da sind Konflikte programmiert. Denn die Militärs, die Bolsonaro im Schlepptau mit in die Regierung bringt, setzen auf staatlich gelenkte Schlüsselindustrien.
Die brasilianische Börse hat derweil am Montag die Wahl des ultrarechten Politikers Jair Bolsonaro zum Präsidenten gefeiert. Der Leitindex in Sao Paulo sprang in der Spitze um 3,1 Prozent auf ein Allzeithoch von 88.377 Punkten. Vor allem die Aktien einiger Konzerne mit staatlicher Beteiligung standen höher im Kurs. So stiegen die Papiere des Ölkonzerns Petrobras zeitweise um vier Prozent. Händler verwiesen auf Privatisierungsversprechen Bolsonaros. Die Landeswährung Real wertete um fast eineinhalb Prozent zum Dollar auf. Die Anleger setzen Börsianern zufolge auf marktfreundliche Reformen. „Diese machen sich vor allem an der Person Paulo Guedes fest, dem von Bolsonaro ein kombiniertes Wirtschafts- und Finanzministerium zugedacht wird“, erläuterte DZ-Bank-Analyst Stefan Grothaus. Da die Märkte des Landes schon nach der ersten Runde der Wahlen zugelegt hätten, sei das Aufwärtspotenzial begrenzt.