Schäubles Europa-Abschied „Acht Jahre sind genug“

Mit der aktuellen Sitzung der Eurogruppe verabschiedet sich Wolfgang Schäuble von der europäischen Bühne. Es ist ein bewegender Moment – sogar für seine politischen Gegner. Doch ohne Seitenhieb kommt keiner aus.

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Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble nimmt an diesem Montag zum letzten Mal an einem Treffen der Finanzminister der Eurogruppe teil. Neben ihm sitzt der niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem. Quelle: dpa

Brüssel Der EU-Wirtschaftskommissar läuft zu rhetorischer Höchstform auf. „Wolfgang Schäuble ist ein Mann von großer Intelligenz, immensem Mut und einem guten Sinn für Humor“, fabuliert Pierre Moscovici. Sein Abschied werde für alle „ein sehr emotionaler Moment“.

Der französische EU-Kommissar hat eigentlich wenig Grund, derart von Wolfgang Schäuble zu schwärmen. Der deutsche Christdemokrat und der französische Sozialist waren in der Eurogruppe immer wie Feuer und Wasser. Während Schäuble sein Image als finanzpolitischer Hardliner pflegte, ließ Haushaltswächter Moscovici mit Defizitsündern wie Italien und Frankreich Großzügigkeit walten. Zum Glück erwähnt Moscovici dann immerhin in einem Nebensatz, dass er und Schäuble „nicht immer einer Meinung gewesen“ seien. So schrammt der Franzose gerade noch an der puren Heuchelei vorbei.

Schäuble selbst nutzt die Gelegenheit, um dem ungeliebten französischen EU-Kommissar einen letzten Seitenhieb zu verpassen. Die EU-Kommission verfüge ja durchaus über genügend Befugnisse, um die Haushaltsregeln des Europäischen Stabilitätspaktes durchzusetzen. „Sie muss sie nur wahrnehmen“, sagt Schäuble maliziös.

Er merkt das unmittelbar vor Beginn der monatlichen Sitzung der Eurogruppe an. Es wird Schäubles letzte Sitzung sein. In acht Jahren hat der 75jährige heftige Turbulenzen erlebt: Fünf Euro-Staaten – Griechenland, Spanien, Irland, Portugal und Zypern – standen am Abgrund der Pleite und mussten von den europäischen Partnern mit Krediten aufgefangen werden.

Der Euro-Rettungsfonds und die Bankenunion mit der EZB-Bankenaufsicht und dem europäischen Bankenabwicklungsfonds wurden quasi über Nacht aus der Taufe gehoben. „Allen ist bewusst geworden, wie fragil die Konstruktion der Währungsunion ist“, erinnert sich Schäuble. Doch schließlich sei doch noch alles gut gegangen. „Wir haben den Euro stabil gehalten, das ist gut gelungen“, sagt der scheidende Minister.

Dass Schäuble an diesem Gelingen einen entscheidenden Anteil hat, bestreitet in der Eurogruppe weder Freund noch Feind. Als Vertreter des größten und wirtschaftlich mit Abstand stärksten Euro-Staates fällt dem deutschen Kassenwart automatisch eine Führungsrolle zu. Das politische Urgestein Schäuble füllte sie in einer Weise aus, die manch einem nicht gefiel, aber allen Respekt abnötigte. „Wir werden seine Erfahrung, seine Klugheit und seine Sturheit vermissen“, bemerkt Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem. Er selbst werde in der Eurogruppe einen „persönlichen Freund“ verlieren, fügt der Niederländer hinzu. Eine kleine Spitze hält er auch bereit für den Besserwisser Schäuble. Der Deutsche habe ihm ja immer wieder gute Ratschläge gegeben, „manchmal gefragt, manchmal ungefragt, aber immer willkommen“, so Dijsselbloem.

Da der Niederländer ebenso wie der Deutsche aus einem Land mit gesunden Staatsfinanzen kommt, zogen die beiden politisch oft an einem Strang. Dijsselbloem verhielt sich dabei allerdings diplomatischer als Schäuble. Der ließ den finanzpolitisch schwächer aufgestellten Staaten in Südeuropa wenig durchgehen – vor allem dann, wenn sie von sozialistischen Regierungen geführt wurden. Mit dem konservativ regierten Spanien verfuhr Schäuble moderat. Dagegen bekam der linke griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras immer wieder die volle Breitseite. Höhepunkt war Schäubles Forderung nach einem Rauswurf Griechenlands aus der Eurozone vor drei Jahren.

Inzwischen hat sich der Pulverdampf gelegt. Und manche Griechen würden kurioserweise sogar gerne an Schäuble festhalten. Denn sein Nachfolger könnte ja womöglich noch schlimmer sein, jedenfalls wenn er von der FDP kommt. Ob der nächste deutsche Finanzminister womöglich das Hilfsprogramm für Hellas aufkündigen werde, fragt ein griechischer Journalist den Eurogruppenchef Dijsselbloem. Der beruhigt ihn: Nein, das dritte Kreditprogramm für Griechenland werde wie geplant im August 2018 weiterlaufen – egal wer in Deutschland Finanzminister wird.

Schäuble selbst gibt sich an diesem Tag bescheiden. „Um mich geht es ja hier nicht“, behauptet er wider besseren Wissens. Wehmut will er sich nicht gestatten. Der Eurozone gehe es wieder gut und deshalb sei es nun auch eine „gute Zeit, um aufzuhören und etwas anderes zu machen“, sagte Schäuble. Denn: „Acht Jahre sind genug.“

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