Streit um Nord Stream-Sanktionen „Ein inakzeptabler Angriff“

Der transatlantische Streit um Nord Stream 2 schwelt bereits seit langem. Im US-Kongress wird ein derzeit Gesetz vorbereitet, dass insbesondere beteiligte Unternehmen scharf sanktionieren soll. Quelle: dpa

Der neuerliche Versuch der amerikanischen Politik, die russische Gaspipeline Nord Stream 2 zu verhindern, sorgt für außenpolitische Spannungen. Berlin pocht auf Souveränität – und hofft auf europäischen Flankenschutz.

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Der wachsende amerikanische Druck auf Firmen und Institutionen, die sich am Bau der russischen Gaspipeline Nord Stream 2 durch die Ostsee beteiligen, stößt in Berlin auf immer schärfere Kritik. „Die Androhungen exterritorialer Sanktionen aus den USA sind ein inakzeptabler Angriff auf europäische Interessen“, sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete und Energieexperte Timon Gremmels der WirtschaftsWoche. „Nord Stream ist kein deutsches Projekt. Es sichert die Energieversorgung mehrerer EU-Partner. Das sollte man nicht vergessen.“ Etwas diplomatischer drückt sich der Transatlantikkoordinator der Bundesregierung aus: Die Amerikaner sollten „uns unsere Energiesouveränität zugestehen“, sagt Peter Beyer der WirtschaftsWoche.

Auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und das Auswärtige Amt äußerten sich bereits mit deutlicher Kritik am amerikanischen Vorgehen.

Der transatlantische Streit schwelt bereits seit langem. Im US-Kongress wird derzeit ein Gesetz vorbereitet, dass insbesondere beteiligte Unternehmen scharf sanktionieren soll. Gerade erst drohten drei US-Senatoren in einem Brief dem Ostseehafen Sassnitz mit „vernichtenden“ Strafen. Das Ziel der Amerikaner: die Fertigstellung der Pipeline aus Russland noch zu verhindern - ein weiterer Versuch, geopolitische Rivalen zu schwächen.

von Angela Hennersdorf, Christian Schlesiger, Silke Wettach

Für die SPD ist nun eine Reaktion auf europäischer Ebene gefragt: „Wenn die Amerikaner nicht von ihren Drohungen ablassen, muss es eine Antwort der EU geben. Und das heißt: Brüssel sollte mit Gegensanktionen drohen“, fordert Gremmels. In Brüssel jedoch gibt es sehr unterschiedliche Positionen zu Nord Stream 2. „Am besten wäre dieses Investment niemals geschehen“, sagt etwa Jerzy Buzek, früher polnischer Ministerpräsident und heute christdemokratischer Europaabgeordneter.

Buzek hat als Berichterstatter dafür gesorgt, dass die EU eine Gasrichtlinie bekommen hat, die dem Projekt enge Grenzen setzt. Mit Genugtuung hat er zur Kenntnis genommen, dass der Europäische Gerichtshof eine Klage von Nord Stream 2 gegen die Gasrichtlinie abgewiesen hat. Das ist die skeptische Fraktion.

Gleichzeitig will sich die EU die Sanktionen der USA gegen das Projekt auch nicht einfach gefallen lassen. Kürzlich erst zeigte sich Josep Borell, der Hohe Repräsentant für Auswärtiges „hoch besorgt“, über die wachsende Tendenz der USA mit Sanktionen zu drohen. Die EU hält deren exterritoriale Anwendung für einen Verstoß gegen das Völkerrecht, unterstreicht Borrell. Die Generaldirektion Finanzen der EU-Kommission will bis zum Jahresende ein Papier vorlegen, wie sich Europa gegen die Maßnahmen der USA wehren kann.

Trotz der scharfen Töne in Brüssel ist es jedoch wegen der US-Wahlen unwahrscheinlich, dass die EU zu Gegenmaßnahmen greift. „Es stellt sich die grundlegende Frage, wie die USA in drei Monaten aussehen“, sagt Kristine Berzina vom German Marshall Fund of The United States mit Blick auf die US-Wahl. „Alles was die USA jetzt tun, könnte vorübergehend sein.“ Sanktionen als Gegenmaßnahmen müsste die EU zudem einstimmig beschließen. „Wir dürfen nicht vergessen, dass die harsche Haltung der USA der vieler EU-Staaten entspricht.“

Das ist eines der größten Probleme der deutschen Regierung: In vielen Hauptstädten gilt die Pipeline tatsächlich als deutsches Projekt - und fragwürdig. Dass es die Gasversorgung mehrerer EU-Länder sichern soll, dass Gas generell eine größere Rolle im Zuge der Energiewende spielen muss - all das tritt derzeit in den Hintergrund.

Ebenso wie andere Argumente, wie sie etwa der SPD-Mann Gremmels vorbringt. Die USA „agieren scheinheilig“, sagt er. „Die Vereinigten Staaten importierten selber im großen Stil Öl auf Russland - sie machen also selber Geschäfte mit dem 'ihrem' vermeintlichen Feind.“ In der Tat importieren die Amerikaner durchaus im großen Still russisches Rohöl - so eindeutig und konsequent ist die Position jenseits des Atlantik also nicht.

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