Richard Grenell, seines Zeichens neuer US-Botschafter in Berlin, schrieb auf Twitter, deutsche Unternehmen sollten unverzüglich ihre Geschäfte mit dem Iran herunterfahren.
Unternehmensverbände reagierte mit Unverständnis auf Trumps Entscheidung. „Die deutsche Industrie bedauert den Rückzug der USA aus dem so mühselig und langwierig verhandelten Atomabkommen zutiefst“, erklärte BDI-Präsident Dieter Kempf. Für die deutschen Unternehmen sei essenziell, dass die EU jetzt versuche, mit China und Russland gemeinsam ein deutliches Bekenntnis zum Atomabkommen abzugeben.
Warum das Iran-Abkommen so wichtig für Deutschland ist
13 Jahre wurde über das Atomabkommen mit dem Iran verhandelt. Mit am Tisch saßen nicht nur die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats - USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich - sondern auch Deutschland. Der heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der den Kompromiss 2015 als Außenminister mit aushandelte, sprach damals von einem „historischen Erfolg der Diplomatie“. Es war nicht nur für ihn persönlich der größte Erfolg seiner Amtszeit, sondern auch einer der größten diplomatischen Erfolge, an dem Deutschland seit der Wiedervereinigung 1990 mitgewirkt hat.
Deswegen legt sich die Bundesregierung jetzt auch so ins Zeug, um das Abkommen zu retten. Bisher aber ohne zählbaren Erfolg. In Berlin wartet man einigermaßen machtlos darauf, was Trump verkündet.
Die deutsche Wirtschaft hatte große Hoffnungen in das Atomabkommen und die daraus folgende Aussetzung der Sanktionen im Januar 2016 gesetzt. Innerhalb von zwei Jahren erwartete der deutsche Industrie- und Handelskammertag eine Verdoppelung des Handelsvolumens von 2,4 Milliarden Euro (2015) auf fünf Milliarden. Innerhalb von fünf Jahren seien sogar zehn Milliarden Euro möglich, so die Ursprungsprognose.
Die tatsächliche Entwicklung ist zwar weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Die Tendenz nach oben ist dennoch deutlich erkennbar: Seit Anfang 2016 hat der deutsch-iranische Handel um 42 Prozent auf 3,4 Milliarden Euro zugelegt.
Die Drohungen Trumps mit einem Ende des Atomabkommens haben aber bereits jetzt negative Auswirkungen. „Diese Risiken gefährden die wieder verbesserten Wirtschaftsbeziehungen deutscher Unternehmen mit dem Iran erheblich“, sagt DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. „Sollte das Atomabkommen scheitern, würde dies nicht nur die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen treffen, sondern auch das Vertrauen in internationale Vereinbarungen.“
Sollte das Atomabkommen mit dem Iran scheitern, könnte das eine Kettenreaktion der atomaren Aufrüstung auslösen, die auch Europa bedrohen würde. Der Iran könnte dann sein Atomprogramm wieder in Gang setzen und damit auch Saudi-Arabien - neben Israel der mächtigste Gegner des Iran im Nahen Osten - dazu animieren, nach der Bombe zu greifen. Israel hat sie mutmaßlich schon, auch wenn die Regierung das nicht offiziell zugeben würde.
Die nukleare Abschreckung erlebt ohnehin schon seit einigen Jahren eine Renaissance. Alle Atommächte investieren in die Modernisierung ihrer Waffen. Alleine die Ausgaben der USA dafür werden für die nächsten zehn Jahre auf 400 Milliarden US-Dollar (336 Milliarden Euro) geschätzt. Auch in Deutschland sind nach Expertenschätzungen noch etwa 20 Atombomben stationiert, die auf dem Fliegerhorst Büchel in der Vulkaneifel lagern sollen.
Die Iran-Vereinbarung ist übrigens nicht das einzige Atomabkommen, das wackelt. Die USA und Russland werfen sich gegenseitig vor, gegen das Verbot landgestützter Mittelstreckenraketen zu verstoßen, das im Dezember 30 Jahre alt wurde. Es galt als Startsignal für die nukleare Abrüstung. Platzt es, wäre es ein maasiver Rückschlag für die Bemühungen um eine Reduzierung der Atomwaffen in Europa.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hatte in der Erwartung der Entscheidung gewarnt, damit könnte der Aufschwung im deutschen Iran-Geschäft der vergangenen Jahre abrupt abgebremst werden. „Das zarte Pflänzchen, das sich da zuletzt entwickelt hat, könnte dadurch wieder zertreten werden“, erklärte der Außenwirtschaftschef des DIHK Volker Treier. Kurz vor Trumps Ankündigung sagte er: „Der Schaden würde über das Bilaterale hinausgehen.“
Auch Außenhandelspräsident Holger Bingmann reagierte enttäuscht. „Mit der Entscheidung von Präsident Trump, die Sanktionen gegen den Iran nicht weiter auszusetzen, ist das Iran-Abkommen massiv beschädigt.“ Jetzt müsse man aber erst einmal abwarten, ob und gegebenenfalls wie schnell Trumps Entscheidung juristisch umgesetzt werden könne. „Deutsche Unternehmen, aber auch die der anderen Vertragspartner werden dadurch natürlich noch stärker verunsichert.“
Die deutsche Automobilindustrie forderte die EU-Kommission auf, sich für die Handelsbeziehungen mit dem Iran einzusetzen. Durch die US-Entscheidung sei eine neue Lage entstanden. „Nun ist die EU aufgefordert, eine klare Position zu beziehen, die neben außen- und sicherheitspolitischen Aspekten auch die Wirtschaftspolitik berücksichtigt“, sagt ein Sprecher des Verbandes der Automobilindustrie (VDA).
BDI-Präsident Dieter Kempf sieht ein grundsätzliches Problem: An dem Abkommen hänge auch die Glaubwürdigkeit in der Außen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik. „Unsere Unternehmen haben sich große Hoffnungen auf die Marktöffnung durch Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gemacht. Diese Aussichten sind nun eindeutig getrübt“, beklagte er. „Dieser einseitige Schritt erzeugt erhebliche Unsicherheit für die Weltpolitik“, meint auch Utz Tillmann, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI). Solange Iran nicht gegen die Vorgaben des Abkommens verstoße, sollten alle anderen Vertragsstaaten unbedingt daran festhalten.
Der Maschinenbauerverband VDMA sieht nun die iranische Führung in Teheran am Zuge. Die müsse entscheiden, ob sie am Atomabkommen auch ohne die USA festhalten wolle. VDMA-Geschäftsführer Thilo Brodtmann sagte, so lange die EU ihre Sanktionen nicht wieder aktivierte, sei ein legales Iran-Geschäft für die deutsche Wirtschaft grundsätzlich weiterhin möglich. Er verwies darauf, dass die deutschen Maschinenexporte in den Iran im vergangenen Jahr um gut 21 Prozent auf 901 Millionen Euro gewachsen seien. Die weitere Entwicklung sei nun aber kaum mehr vorherzusagen.
„Wir befürchten, dass ein Scheitern dazu führt, dass es Eskalationen gibt und wir in die Zeit von vor 2013 zurückfallen werden“, hatte Deutschlands Außenminister Heiko Maas noch kurz vor der Entscheidung bei einem Treffen mit seinem französischen Kollegen Jean-Yves Le Drian in Berlin gesagt.
Die Bedeutung des Iran als Handelspartner für Deutschland ist zwar derzeit überschaubar, aber die deutsche Wirtschaft hatte große Hoffnungen in das Atomabkommen und die daraus folgende Aussetzung der Sanktionen im Januar 2016 gesetzt. Innerhalb von zwei Jahren erwartete der deutsche Industrie- und Handelskammertag eine Verdoppelung des Handelsvolumens von 2,4 Milliarden Euro (2015) auf fünf Milliarden. Innerhalb von fünf Jahren seien sogar zehn Milliarden Euro möglich, so die Ursprungsprognose. Die tatsächliche Entwicklung ist zwar weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Die Tendenz nach oben ist dennoch deutlich erkennbar: Seit der Lockerung der Sanktionen Anfang 2016 wuchs der deutsch-iranische Handel um rund 42 Prozent. Im vergangenen Jahr setzte die deutsche Wirtschaft laut DIHK Waren im Wert von drei Milliarden Euro im Iran ab. Das war ein Plus von 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und von 45 Prozent seit 2015. Deutschland führte 2017 Waren aus dem Iran von 400 Millionen Euro ein. Damit belegt der Iran beim Handelsvolumen aktuell Rang 58 auf der Liste der wichtigsten deutschen Handelspartner.
Seit der Lockerung der Sanktionen hätten zwar viele deutsche Unternehmen ihre Repräsentanzen im Iran wiedereröffnet, vertrieben ihre Produkte auf dem iranischen Markt und planten Investitionen mit iranischen Joint-Venture-Partnern, sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. Allerdings blieben die deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen hinter ihren Möglichkeiten zurück.
Hauptproblem ist die Unternehmensfinanzierung. Viele europäische Großbanken weigern sich auch nach dem Deal und der Aufhebung der Sanktionen, Handelsprojekte zu finanzieren oder Infrastrukturprojekte und Industrieanlagen. Sie befürchten Strafmaßnahmen seitens der USA.
Die Druckmittel des Irans bei einem Ende des Atomabkommens
Nach den Erfolgen der sunnitischen Extremistenmiliz IS half der schiitische Iran bei der Ausbildung und Bewaffnung Tausender Milizionäre in dem Nachbarland. Bei einem Scheitern des Abkommens könnte die Regierung diese Gruppen ermuntern, verbale und vielleicht auch militärische Angriffe gegen die im Irak verbliebenen US-Truppen zu starten. Um einen direkten Konflikt zu vermeiden, könnte der Iran bestreiten, daran beteiligt gewesen zu sein.
Iran und die mit ihm verbündete Hisbollah sind dort seit 2012 aktiv. Sie unterstützen Tausende Kämpfer, die aufseiten von Präsident Baschar al-Assad stehen. Bei einem Ende des Abkommens gäbe es für den Iran nur wenig Anreize, ihre Verbündeten von Attacken auf Israel abzuhalten. Auch die 2000 US-Soldaten im Norden und Osten Syriens könnten dann in Gefahr sein. Sie sollen kurdischen Milizen beim Kampf gegen den IS helfen.
Die mit dem Iran verbündete schiitische Hisbollah hat bei den Parlamentswahlen zusammen mit Verbündeten mehr als die Hälfte der Sitze gewonnen und damit ihren Einfluss ausgebaut. Iran könnte die Hisbollah zu einer härteren Gangart auffordern und damit den Libanon destabilisieren. Zudem könnte die Hisbollah dazu animiniert werden, Angriffe auf Israel zu starten. Nach israelischen und amerikanischen Angaben hat der Iran der Hisbollah beim Aufbau von Fabriken zur Herstellung von Raketen mit präziser Steuerung geholfen. Die Spannungen zwischen Iran und Israel könnten wie 2006 zu einem Krieg zwischen dem jüdischen Staat und der islamistischen Gruppe führen.
Iran hat stets eine militärische Beteiligung am Bürgerkrieg im Jemen bestritten. Die Regierungen der USA und Saudi-Arabiens gehen aber davon aus, dass die Regierung in Teheran die schiitischen Huthi-Rebellen mit Raketen und anderen Waffen beliefert. Bei einem Ende des Atomabkommens könnte der Iran seine Hilfen für die Huthis aufstocken und so eine militärische Reaktion von Saudi-Arabien und Verbündeten provozieren.
Der Iran verfügt auch über Optionen, die direkt mit dem Atomprogramm zusammenhängen. So haben Vertreter des Staates erklärt, man könnte sich eventuell aus dem Atomwaffensperrvertrag zurückziehen. Zwar hat die Regierung in Teheran erklärt, nicht nach Atomwaffen zu streben. Aber der Rückzug aus dem Vertrag würde weltweit als alarmierendes Signal gewertet. Unabhängig davon könnte Iran stärker als bislang Uran anreichern. In dem Atomabkommen ist eine Obergrenze von 3,6 Prozent vorgesehen. Für Atombomben ist Uran mit einer Reinheit von 80 bis 90 Prozent nötig.
Dies führt beispielsweise bei den deutschen Maschinenbauern zu Problemen, heißt es vom VDMA. So könnten die deutschen Maschinenbauer durch das Scheitern des Abkommens mit dem Iran einen Markt mit Potenzial endgültig an die chinesische Konkurrenz verlieren. Schon heute beherrscht China fast die Hälfte des Markts. „Geht es um Projekte, bei denen alles mit der externen Finanzierung steht und fällt, haben deutsche Maschinenbauer keine Chance“, sagte VDMA-Exportexperte Klaus Friedrich im Gespräch mit der WirtschaftsWoche. „Wenn sich die Finanzierungslage in Europa nicht bessert, breitet sich China über wirtschaftliche Großprojekte weiter in Iran aus – und gewinnt so auch politische Einflussmöglichkeiten. Den gleichen Effekt hat das ständige Infragestellen des Atomabkommens, obwohl das Abkommen bis dato sehr erfolgreich ist.“