Türkei-Referendum Showdown im Konsulat

Seit Montag können in Deutschland lebende Türken über das Verfassungsreferendum in ihrer Heimat abstimmen. Wird Erdogans Strategie der Eskalation aufgehen – oder hat er es diesmal übertrieben?

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Eine Frau steht mit ihrem türkischen Pass und Ballons in den türkischen Nationalfarben zur Stimmabgabe an einem Wahllokal an. Quelle: dpa

Jetzt wird also abgerechnet, endlich. Seit Montagmorgen können in Deutschland lebende türkische Staatsbürger in insgesamt 13 Wahllokalen im ganzen Land ihre Stimme abgeben. Neben den elf konsularischen Vertretungen des Landes warten wegen der großen Nachfrage Urnen zusätzlich in eigens angemieteten Räumen in Fürth und Dortmund.

Die 1,4 Millionen Wahlberechtigten hierzulande haben ab jetzt zwei Wochen Zeit um sich zu entscheiden, ob sich das parlamentarische Staatssystem in der Türkei in ein präsidiales verwandeln soll.

In den vergangenen Wochen hat das Verfassungsreferendum Deutschland und der Türkei eine große diplomatische Krise beschert. Seitdem in der vergangenen Woche zumindest weitere Auftritte türkischer Minister hierzulande abgesagt wurden, ist zwar etwas Ruhe eingekehrt.

Doch einige Fragen stehen nach wie vor ungeklärt im Raum: Was bleibt von den Nazi-Vergleichen des türkischen Präsidenten? Was wird aus dem deutschen Journalisten Deniz Yücel? Und hat Erdogan der ganze Spuk am Ende tatsächlich genutzt?

Denn darauf läuft die derzeit gängigste Deutung der Ereignisse in den vergangenen Wochen hinaus. Erdogan habe den Zoff mehr oder weniger inszeniert, um den Wählern in Deutschland eine Benachteiligung ihrer Heimat vorzugaukeln. Auf diese Weise in ihrem Stolz getroffen würde deren Patriotismus geweckt. Um diesem schließlich Ausdruck zu verleihen, stürmten sie sodann die Wahllokale und gäben ihrem Präsidenten die Stimme.

Die Strategie an sich ist nicht neu. Schon bei vergangenen Wahlen hat Erdogan auf dieses Kalkül gesetzt, mal ist es besser aufgegangen (2015), mal schlechter (2014). Doch nie war die Eskalation so groß wie in diesem Jahr.

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Ob maximale Eskalation aber auch maximalen Erfolg bedeutet, ist lange nicht ausgemacht. Grundsätzlich gilt zwar wohl nach wie vor: Je größer die Wahlbeteiligung in Deutschland, desto mehr Stimmen kann Erdogan einsammeln. Denn die in Deutschland lebenden Wähler sind strukturell deutlich konservativer eingestellt als in anderen europäischen Ländern wie Frankreich oder Spanien, wo die türkische Linke stabile Mehrheiten vorweisen kann. Das liegt vor allem an der Wanderungshistorie. Nach Deutschland und in die Benelux-Länder emigrierten vor allem Türken aus dem ländlichen Raum auf der Suche nach Arbeit. In Frankreich oder Spanien stellen Angehörige des Bildungsbürgertums von der türkischen Westküste die Mehrheit.

Der erste Teil des Kalküls, die Wahlbeteiligung in die Höhe zu treiben, dürfte deshalb aufgehen. Zum einen hat die türkische Regierung in den vergangenen Jahren die Hürden für eine Wahl im Ausland immer weiter gesenkt, das komplizierte System der Registrierung und Anmeldung für zeitlich begrenzte Wahltermine ist entfallen.

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