USA Die Regierungen sind verantwortlich für die Inflation

US-Notenbankchef Jerome Powell (links) hat in der Corona-Pandemie durch den Ankauf von Staatsanleihen die gigantischen Rettungspakete der US-Regierung von Joe Biden (rechts) mit der Notenpresse finanziert. Jetzt steigt die Inflation.  Quelle: REUTERS

In den USA hat die Regierung in der Corona-Pandemie riesige Rettungspakete geschnürt. Das hat die Staatsschulden in die Höhe getrieben. Nun sollen sie durch die Inflation real entwertet werden. Ein Gastbeitrag.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Bei der Frage nach den Ursachen für den starken Anstieg der US-Inflationsrate von Ende 2020 bis heute habe ich zunächst den Grund in der aggressiven Geldpolitik der US-Notenbank Fed gesehen – gemäß Milton Friedmans bekanntem Diktum, dass „Inflation immer und überall ein monetäres Phänomen ist“. Auch wenn die Geldpolitik wichtig bleibt, wird allmählich deutlich, dass die Finanzpolitik diesmal wohl einen noch bedeutsameren Einfluss hat.  

Von März 2020 bis März 2022 hielt die US-Notenbank die kurzfristigen nominalen Zinssätze bei null, während sie gleichzeitig ihre Bilanz durch quantitative Lockerungen von vier Billionen Dollar auf bis zu neun Billionen Dollar ausweitete. Es ist heute kein Geheimnis mehr, dass die Fed ab Ende 2020, wenn nicht sogar schon früher, weit hinter der Kurve lag. Weil sie erst im Frühjahr 2022 begann, den Leitzins anzuheben, lief ihr die Inflation davon. 

Allerdings lockerte die Fed die Geldpolitik im Gefolge der Lehman-Pleite ab 2008 ebenso aggressiv. Sie setzte damals die kurzfristigen Nominalzinsen für den Zeitraum von sieben Jahren (Anfang 2009 bis Ende 2015) auf null Prozent. Die Bilanz der Fed wuchs von 900 Milliarden Dollar im August 2008 auf mehr als vier Billionen Dollar – was damals ein enormer Betrag war. Dennoch blieb die Inflation zahm: Von 2009 bis 2019 lag sie im Durchschnitt bei etwa zwei Prozent pro Jahr. Die Inflationserwartungen blieben in etwa auf demselben Wert verankert.

Fiskalische Theorie des Preisniveaus

Wieso also legte die Inflation ab 2020 so stark zu? Ein offensichtlicher Unterschied zwischen den beiden Zeiträumen ist die massive fiskalische Expansion, die im Frühjahr 2020 als Reaktion auf die Covid-bedingte Rezession einsetzte. Sie umfasste staatliche Transferzahlungen, die die mit der Finanzkrise verbundenen Transfers weit in den Schatten stellten.

Ein Blick auf das Volumen der staatlichen Ausgaben seit dem zweiten Quartal 2020 zeigt das Ausmaß der fiskalischen Expansion. So ergeben sich bis zum ersten Quartal 2022 kumulative Mehrausgaben des Bundes von 18 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2021. Die größten Zuwächse (in Jahresraten) sind die Ausgaben von neun Billionen Dollar im zweiten Quartal 2020 und sieben Billionen Dollar im dritten Quartal 2020 unter Präsident Donald Trump, gefolgt von jeweils acht Billionen Dollar im ersten und zweiten Quartal 2021 unter Präsident Joe Biden.

Schneller schlau: Inflation

Wie sich eine derart expansive Fiskalpolitik auf die Inflation auswirkt, hat der Ökonom John Cochrane von der Hoover-Institution mit seiner fiskalischen Theorie des Preisniveaus gezeigt. Nehmen wir an, die Regierung plant nicht, ihre zusätzlichen Ausgaben durch Kürzungen an anderer Stelle oder durch Steuererhöhungen zu finanzieren. Wenn es zudem keinen formellen Zahlungsausfall bei Staatsanleihen geben soll, bleibt nur noch die Inflation: Sie muss die Staatsschulden real abschmelzen. Dazu bedarf es einer Überraschungsinflation. Das heißt, die Inflationsrate muss über das Niveau steigen, das die Wirtschaftssubjekte erwartet und in die Preis- und Lohnverhandlungen einkalkuliert haben. Und tatsächlich: der über die offiziell angestrebte Inflationsrate von zwei Prozent hinausgehende Anstieg des Preisniveaus beläuft sich von Mai 2020 bis Juli 2022 auf etwa elf Prozent.

Die Schuldenlast wächst

Die nominale Nettoverschuldung der öffentlichen Hand belief sich Mitte 2020 auf 21 Billionen Dollar, das sind rund 91 Prozent des BIP von 2021. In dieser Rechnung sind von der Bruttoverschuldung die Beträge abgezogen, die von staatlichen Treuhandfonds und Bundesbehörden gehalten werden, nicht jedoch die von der Fed gehaltenen Teile der Staatsschuld. Der unerwartete Anstieg des Preisniveaus um etwa elf Prozent senkte den realen Wert der staatlichen Nettoverschuldung um 2,3 Billionen Dollar. 

Um die gesamten pandemiebedingten Mehrausgaben des Staates von 4,1 Billionen Dollar durch Inflation zu entwerten, muss der unerwartete Anstieg des Preisniveaus größer ausfallen – in etwa 19 Prozent statt elf Prozent. Daraus ergibt sich: ab Juli 2022 kann die erforderliche Anpassung des Preisniveaus durch eine Inflation von 9,4 Prozent über ein Jahr, 5,7 Prozent über zwei Jahre oder 3,5 Prozent über fünf Jahre erreicht werden. Damit liegt das Ergebnis für fünf Jahre nicht weit von der aktuell an den Finanzmärkten erwarteten Inflationsrate über einen Fünfjahreshorizont entfernt.

Rezept zum Reichwerden? Das steckt hinter dem System von Deven Schuller

Ein selbsternannter Finanzexperte will seinen Kunden laut eigener Aussage dabei helfen, finanzielle Freiheit zu erreichen, und pflastert das Internet mit Werbung. Was steckt dahinter? Ein Selbstversuch.

Freiberufler-Report So viel verdienen Selbstständige in Deutschland

Zwei Euro mehr pro Stunde – und kaum noch ein Gender Pay Gap: Selbstständigen geht es auch in der aktuell schwierigen Lage recht gut. In welchen Bereichen sie am meisten verdienen.

Leistung Warum Manager es ihren Mitarbeitern nicht zu gemütlich machen sollten

Wenn sich Mitarbeiter sicher fühlen, bringen sie bessere Leistung. Das zumindest ist die Hoffnung. Tatsächlich ist oft das Gegenteil der Fall.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Es ist daher plausibel, dass der durch den Covid-19-Schock ausgelöste Anstieg der staatlichen Ausgaben zu einem dauerhaften, unerwarteten Anstieg des Preisniveaus um etwa 19 Prozent führen muss, damit der Staat seine reale Schuldenlast bedienen kann. Vor diesem Hintergrund scheint es denkbar, dass sich die Inflationsrate von aktuell 8,5 Prozent relativ schnell zurückbildet und in den nächsten fünf Jahren im Durchschnitt bei 3,5 Prozent liegt. Dabei gilt es zu bedenken: Auch wenn sich die Inflationsrate wieder zurückbildet, bleibt das Preisniveau dauerhaft erhöht. Damit zeigt sich: Die Hauptverantwortlichen für die aktuell hohe Inflation sind die Finanzminister. Sie haben mit ihrer Schuldenpolitik die Notenbanken unter Druck gesetzt, die Außenstände der Staaten durch steigende Preise zu entwerten. 

Übersetzung: Michelle Winner

Copyright Project Syndicate

Lesen Sie auch: Fünf Gründe, warum hohe Inflation bei zugleich schwerer Rezession droht

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%