USA-Reise „In den USA trifft Robert Habeck auf viele leuchtende Augen“

Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, auf Unternehmensbesuch bei der Firma Trumpf in den USA. Quelle: dpa

In Chicago trifft Robert Habeck auf deutsche Unternehmer, die investieren wollen. Auch in den USA kämpfen sie mit Fachkräftemangel – doch hier erlebt Habeck die Dynamik, die er in Deutschland (noch) nicht entfesseln konnte.

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„Nur das Holz ist aus Texas.“

Robert Habeck steht vor einem Laser von Trumpf und schaut durch ein gelbes Fenster, hinter dem die Maschine, das TruLaser Center 7030, unermüdlich Bleche schneidet. Digital und vollautomatisch, beste Wertarbeit und smarte Industrie 4.0 aus Deutschland. Er lässt sich sogar von Deutschland, dem sächsischen Standort in Neukirch aus, steuern. Alles in dieser Fabrik im Nordwesten von Chicago ist erdacht oder erbaut in Deutschland, naja, fast alles.

Die Materialien der Fabrik, ein filigraner Bau, der an eine Kunsthalle erinnert, stammen natürlich aus den USA. Recycelter Stahl, Glas – und die Wände aus texanischer Douglasie. Habeck hat sie schon beim Hereingehen entdeckt, hat mehrmals die Hand darüber streichen lassen, die Maserung, die Schwärzung gelobt. Und irgendwann sagt er den Satz: „Nur das Holz ist aus Texas. Der Rest ist deutsche DNA.“

Es ist die letzte Station des Wirtschaftsministers auf der Reise durch die USA, die ihn nach Washington, New York und Chicago geführt hat. Hier, am Lake Michigan in Illinois, sitzen Tochterunternehmen vieler deutscher Unternehmen. Habeck hat eine Gruppe von Managern getroffen, von Haribo bis Claas; ein Vertreter des Landmaschinenherstellers ist sogar aus Omaha, Nebraska angereist.

Smarte Technik aus Deutschland: Habeck beobachtet das TruLaser Center 7030 bei der Arbeit. Quelle: Horst von Buttlar

Auch die USA leiden unter Fachkräftemangel

„Hier trifft er auf viele leuchtende Augen“, sagt Michael Ahrens, der Generalkonsul in Chicago. 96 Prozent der Unternehmen, so ergab eine Umfrage der deutsch-amerikanischen Handelskammer, wollen innerhalb der nächsten drei Jahre investieren, fast jedes Dritte über 10 Millionen Dollar. Die Unternehmer erzählen von Fabriken, die innerhalb weniger Monate hochgezogen werden, vom Inflation Reduction Act, von günstiger Energie – aber auch von sehr hohen Löhnen und Fachkräftemangel.

Ja, auch in den USA läuft nicht alles wie von selbst, nur weil die Milliarden fließen. Claas etwa hat, nachdem es nicht mehr genug qualifizierte Leute bekam, vor drei Jahren sein eigenes Ausbildungsprogramm nach deutschem Vorbild gestartet. Die Erfahrungen sind gut. Nun beginnt bald der zweite Jahrgang.

Trotz dieser Probleme findet der Wirtschaftsminister hier in den USA die Wachstumsgeschichte, die er in Deutschland gerne hätte, ja, die er so dringend braucht. Denn wenn der Aufschwung nicht spätestens 2025 kommt, dürfte es eng für ihn werden, das ist auch Habeck klar. Dann ist sein Name verbunden mit Rezession, Deindustrialisierung und Abstieg. Und nicht mit der Rettung nach Gas-Krise, Inflation und Rezession, nicht mit der Diversifizierung der Energieversorgung und schon gar nicht mit einer erfolgreichen grünen Transformation der deutschen Industrie.

Auf seiner USA-Reise trifft Robert Habeck auch mit deutschen Gründern zusammen, die dorthin expandieren. Viele ihrer Probleme sind bekannt. Doch hier zeigt der Minister eine Seite, die in Berlin zu verkümmern droht.
von Horst von Buttlar

Was ein wenig ungerecht wäre, aber so läuft Politik nun mal. Vor allem, wenn die Wirtschaft nicht läuft. Abstieg oder Aufbruch, das ist die Fallhöhe. Habeck wollte den Aufbruch und kämpft seit 2022 gegen den Abstieg des Standortes.

Trumps Zölle würden bis zu 150 Milliarden Euro kosten

Im Handgepäck des Regierungsfliegers hatte der Minister die frischen schwachen Prognosen des Ifo-Instituts – es hat seine Wachstumsprognose für das laufende Jahr um einen halben Prozentpunkt auf 0,2 Prozent gekürzt, das zweite Mal seit Dezember. Immerhin, für 2025 erwartet das Ifo nun ein Wachstum von 1,5 Prozent.

Und dann gab es noch eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) dazu, was eine zweite Amtszeit von Donald Trump – wenn er seine geplanten Zölle einführt – die deutsche Wirtschaft kosten könnte: bis zu 150 Milliarden Euro. Das Gespenst von Trump, es hat den Wirtschaftsminister auf vielen Terminen verfolgt – wobei der Protektionismus von Joe Biden nicht weniger entschlossen, nur eben freundlicher ist.

Bei so viel Düsterkeit macht der Besuch einer Smart Factory im Vorzeigemittelstand mehr Freude, ein Rundgang durch eine Halle, die vollgestopft ist mit Weltmarktführertechnologie. Es ist eine Art Selbstvergewisserung: Eigentlich können wir Deutschen es doch. Genauer: Manches können wir immer noch am besten.

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von Malte Fischer, Julian Heißler

Wie die eigene Oper in einem fremden Theater

Die Charts, die der Nordamerika-Chef von Trumpf, Lutz Labisch, in seinem Begrüßungsvortrag an die Wand wirft, sind wie eine Regen-Dusche. Trumpf ist seit 2020 von 3,5 Milliarden auf 5,4 Milliarden Euro Umsatz gewachsen, von 14.000 auf über 18.000 Mitarbeiter. Das Geschäft hat sich allerdings – nach den Corona-Nachholeffekten – abgekühlt, der Auftragseingang liegt bei 5,1 Milliarden Euro.

Auf einem Chart kann der Minister sehen, wo es zuvor am dynamischsten lief: in den USA. Plus 43 Prozent. Mehr als in Asien, mehr als in Europa. Der US-Anteil liegt mit 22 Prozent inzwischen über dem in Deutschland (15 Prozent).

Robert Habeck kann hier in Amerika also besichtigen, was zu Hause (noch) nicht funktioniert hat: eine Transformation, die entfesselt, ein Umbau mit Wachstum, mit grünen Technologien, neue Fabriken, die effizienter und nachhaltiger sind. Es ist, als ob die eigene Oper in einem fremden Theater aufgeführt wird. Die Suche nach dem verlorenen Wachstum.

Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz lässt sich bei einem Unternehmensbesuch bei der Firma Trumpf die Steuerung eines Lasers mit einem Roboterarm zeigen. Quelle: dpa

Streit um Exportgenehmigungen

„Der Roboter streikt wohl“, witzelt Habeck.

Er steht nun vor einer anderen Scheibe, hinter der Bleche vollautomatisch von einem Roboter gebogen werden. Aber plötzlich stoppt die Maschine. Die Ursache klärt sich bald: Ein Fotograf hat eine Lichtschranke durchbrochen. An jeder Station zeigt der Trumpf-Mitarbeiter dem Wirtschaftsminister, was möglich ist: Teile für Traktoren etwa, die durch Trumpfs Laser für die Hälfte der Kosten hergestellt werden können. Ein automatisches Tracking, das Kunden rund um die Uhr zeigt, was ihre Bestellung macht. Eine Wand mit Monitoren, die zeigen, wie jeder Prozess mit Daten erfasst wird.

Der Besuch bei dem Laserhersteller hat einen nicht spannungsfreien Kontext. Denn eigentlich war das Unternehmen nicht gut auf das Wirtschaftsministerium zu sprechen. Trumpf wartete im vergangenen Jahr auf Ausfuhrgenehmigungen des bei Habecks Ministerium angesiedelten Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) nach Asien. Die Chefin, Nicola Leibinger-Kammüller, machte ihren Ärger im Herbst sogar öffentlich. Sie beklagte, es hätten sich Aufträge im Wert von 85 Millionen Euro aufgestaut. Trumpf fürchtete, Geschäft in Asien zu verlieren. Inzwischen sei der Stau abgearbeitet, versichert Habeck in Chicago. 80 Prozent der Exportanträge, so hört man im Ministerium, sollen inzwischen erledigt sein.

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von Christian Ramthun

Wunsch nach einem „Mini-Freihandel“

Der Streit ist die andere Seite der US-Medaille: Unternehmen, die die Rivalität zwischen den USA und China spüren, weil ihre Produkte ein Streben nach Autonomie, einen technologischen Vorsprung, ein „De-Risking“ oder „Decoupling“ fördern oder bremsen sollen. Für Trumpf war das Bafa zu rigide, ja geschäftsschädigend – weil es um Standardlaser ging. Bei dem Besuch in der Smart Factory spielt der Streit aber keine Rolle. Zumal die Hauptbotschaft der Reise eine andere sein sollte: Es schnurrt zwischen den USA und Deutschland, trotz mancher Differenzen.

Das Wort „Level Playing Field“ – also faire Wettbewerbsbedingungen – fällt auf der Reise ziemlich oft, auch bei Habecks öffentlichen Statements. Wenn man schon keine Handelsabkommen mehr schließen kann, muss man sich auf einigen Feldern verständigen und Spielregeln definieren: bei kritischen Rohstoffen, Halbleitern oder Batterien.

Als „eine Art Mini-Freihandel“ bezeichnet Habeck diese Idee: eine Vereinbarung für den freien Austausch technischer Produkte. Er hofft dabei unter anderem auf den Trade and Technology Council (TCC), ein Gremium, in dem Standards für Zukunftstechnologien diskutiert werden. Auf der Reise hat es wohl Fortschritte gegeben – auch wenn Beobachter bezweifeln, dass es im Wahlkampfjahr noch Durchbrüche gibt.

Robert Habeck wirkte gelöster auf dieser Reise, die Anspannung vom Haushaltsstreit ist ihm nicht mehr anzumerken, als habe er wieder mehr Spaß gefunden. Denn seine Energie, Dinge zu verändern und zu gestalten, ist ungebrochen.

Durchatmen statt Dauerstreit: Der Minister wirkt in Chicago gelöst und zuversichtlich. Quelle: dpa

Was erstaunlich ist, projiziert sich doch viel der Kritik auf die Grünen – für viele sind sie nicht die Problemlöser, sondern das Problem. Und Habeck hat noch anderthalb Jahre Zeit, diesen Eindruck zu drehen.

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