Vor EU-Gipfel Merkel zweifelt wohl an Einigung über EU-Haushalt und Wiederaufbaupaket

Beim EU-Video-Gipfel geht es vor allem um die Wiederaufbauhilfen in der Coronakrise. Die Kanzlerin warnt vor einem fatalen Zeichen der Handlungsunfähigkeit.

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Die Bundeskanzlerin auf dem Weg zur Fraktionssitzung der Union. Quelle: dpa

Kurz vor dem wichtigen EU-Gipfel zum milliardenschweren Finanzpaket für die wirtschaftliche Erholung nach der Coronakrise ist kein Kompromiss in Sicht. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Dienstag in einer Sitzung der Unionsfraktion im Bundestag nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur, sie rechne an diesem Freitag nicht mit einer Einigung in den Verhandlungen über den EU-Haushalt und das Wiederaufbaupaket. Sie hoffe, dass es im Juli einen erheblichen Fortschritt gebe. Es sei jedoch auch unklar, ob die Themen dann schon zu Ende verhandelt werden könnten.

Merkel wurde von Teilnehmern mit den Worten zitiert: „Wünschenswert wäre es.“ Wenn Europa ohne einen Haushalt 2021 und ohne Konjunkturprogramm dastehe, wäre dies eine „Ausgeburt des nicht Handlungsfähigen. Und das wollen wir alle vermeiden.“

Deutschland übernimmt am 1. Juli für ein halbes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft. Die Kanzlerin will an diesem Donnerstag im Bundestag eine Regierungserklärung zum EU-Gipfel und auch zu ihren Zielen für die Ratspräsidentschaft abgeben.

Merkel sagte, die Kunst werde darin bestehen, die mittelfristige finanzielle Vorausschau mit dem Fonds zusammenzubringen. „Die Verhandlungslage ist komplexer geworden, aber vielleicht dadurch auch einfacher“, wurde sie von den Teilnehmern zitiert. Wer mit dem Haushalt nicht ganz zufrieden sei, schätze womöglich mehr den Wiederaufbaufonds - und umgekehrt.

Auch Deutschland werde aus dem Wiederaufbaufonds Geld bekommen – nach den aktuellen Vorschlägen um die 20 Milliarden Euro, sagte Merkel weiter. Es müsse dann geklärt werden, wofür das Geld eingesetzt werden müsse, um die Zukunftsfähigkeit zu verbessern und das deutsche Konjunkturprogramm zu ergänzen. Deutschland könne hier ein gutes Beispiel für andere Länder sein.

Streit über kreditfinanziertes Geld als Zuschuss

Die EU-Kommission plant einen EU-Haushaltsrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 im Umfang von 1,1 Billionen Euro und will diesen mit einem schuldenfinanzierten Konjunktur- und Investitionsprogramm im Umfang von 750 Milliarden Euro verbinden. Über das Paket verhandeln am Freitag erstmals die EU-Staats- und Regierungschefs bei einem Videogipfel. Umstritten ist im Kreis der 27 Mitgliedsländer unter anderem, ob kreditfinanziertes Geld als Zuschuss vergeben werden soll und ob Empfänger im Gegenzug Reformen zusagen müssen.

Auch der Umfang des Krisenprogramms ist offen. Beim Haushaltsrahmen gibt es ebenfalls viele Streitpunkte, darunter die Gesamthöhe sowie mögliche Rabatte für Nettobeitragszahler. Daran waren die Verhandlungen vor der Corona-Krise gescheitert.

Europa-Staatsminister Michael Roth sagte vor Beratungen mit seinen EU-Kollegen in Brüssel: „Es ist noch ein sehr, sehr weiter Weg bis zur Einigung.“ In Europa gehe es nie ohne Streit und lange Sitzungen. Doch brauche man nun Kompromissbereitschaft und Handlungsfähigkeit. „Es steht viel auf dem Spiel“, sagte der SPD-Politiker in einer Videobotschaft. Vor allem in den von der Pandemie besonders betroffenen EU-Ländern müsse man die wirtschaftliche Erholung rasch starten. Dabei gehe es weniger um einen „Wiederaufbau“ als um eine zukunftsweisende Veränderung.

Roth bekräftigte die deutsche Forderung, die Auszahlung von EU-Geldern an die Einhaltung von Demokratie, Grundwerten und Rechtsstaatlichkeit zu koppeln: „Wenn irgendwo systematisch die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit gebrochen werden, dann muss das finanzielle Konsequenzen haben.“ Roth und seine EU-Kollegen bereiteten den Gipfel vom Freitag vor.

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