Annegret Kramp-Karrenbauer Der gefährliche Retro-Kurs von AKK

Annegret Kramp-Karrenbauer Quelle: dpa

Zurück in die Zukunft: Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer inszeniert sich als Konservative mit der Extraportion Gestern. Was die Funktionäre bejubeln, könnte ihre Wahlchancen allerdings deutlich mindern.

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Angela Merkel verfolgte in ihrer Amtszeit fast immer die gleiche Strategie: Für sie zählte nicht, was bei den Parteifunktionären gut ankam, sondern bei den Wählern. Ihr Kanzlerinnen-Kalkül: Die Funktionäre mögen zwar aufmucken, wenn ich den Mindestlohn abnicke, den Ausstieg aus der Atomkraft beschließe oder mal eben die Wehrpflicht abschaffe. Aber sie wählen am Ende eh CDU. Deshalb kümmere ich mich lieber um jene Millionen Wähler, die weitgehend ideologiefrei sind - und deshalb für pragmatische Lösungen zugänglich.  

Für diesen Politikstil ist Merkel viel kritisiert worden, ihr wurden unter anderem Beliebigkeit und die Entkernung der CDU vorgeworfen. Allerdings ist die Kanzlerin damit alles in allem gut gefahren. Zwar reichten die Wahlergebnisse der CDU in ihrer Ära zumeist nicht mehr an die Zeiten von Konrad Adenauer und Helmut Kohl heran. Und mit der AfD ist eine neue Partei am rechten Rand entstanden, von der niemand weiß, ob sie auch wieder verschwindet. Aber im Vergleich zur dauersiechenden SPD und vielen um ihre Existenz kämpfenden früheren Volksparteien in Europa stehen die Christdemokraten noch immer ordentlich da. 

Das könnte sich allerdings bald ändern. Und zwar ausgerechnet durch Merkels Wunsch-Nachfolgerin. Die inzwischen auch nicht mehr ganz so frische CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, die grundsätzlich alle wichtigen Entscheidungen von Merkel mitgetragen hat, bemüht sich seit ihrem knappen Sieg über Friedrich Merz sichtlich um ein Image als Konservative mit der Extraportion Gestern.

Bei den Funktionären der Partei mag es gut ankommen, wenn AKK Grenzschließungen als Ultima Ratio fordert, Toilettenwitze zum dritten Geschlecht macht oder zur Debatte um die Zukunft der EU die Forderung beiträgt, den zweiten Sitz des Europaparlaments in Straßburg abzuschaffen.

All das fällt in die Kategorie „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“. Es ist zweifelhaft, ob die CDU-Chefin hinter ihren eigenen, teils kleinlich-dumpfen Forderungen, steht – oder sich eben nur besonders anstrengt, irgendwie konservativer zu wirken. Überzeugte AfD-Wähler dürfte sie so allerdings kaum zurückholen, weil die häufig eh keinem Politiker mehr etwas glauben – und wenn, dann nur durch konkrete Taten und nicht durch letztlich hohle Phrasen.

Entscheidender ist, dass AKK damit die Wähler der Mitte irritiert – und vielleicht sogar verschreckt. Es sind die Frauen und Männer, die in jenen Merkel-Entscheidungen, die von den Funktionären als Sozialdemokratisierung der CDU beklagt wurden, eher eine Entstaubung der Partei sahen. 

Natürlich wollen auch die meisten Menschen der politischen Mitte einen funktionierenden Staat, der äußere und innere Sicherheit garantiert. Aber muss es wirklich auch Grenzschließungen geben? 

Natürlich machen auch sie mal einen schlechten Scherz. Aber ist das Bedienen plumper Klischees nicht unterhalb des Niveaus einer Möchtegern-Kanzlerin? 

Natürlich sollte die EU nicht unnötig Geld verschwenden. Aber ist ein zweiter Dienstsitz des Parlaments derzeit wirklich das größte Problem in Europa?

Und nein: Das ist kein typisches Berlin-Mitte-Gerede. Denn die CDU verharrt in Umfragen bei rund 30 Prozent. Von allgemeiner Aufbruchstimmung kann also nicht die Rede sein. Und auch nicht von einer AKK-Euphorie. Im Gegenteil: Zuletzt gingen ihre Beliebtheitswerte sogar deutlich zurück. Die Mehrheit der Bevölkerung traut ihr das Amt der Kanzlerin derzeit nicht zu. Diesen Trend bestätigt auch das aktuelle Elite-Panel der WirtschaftsWoche: Demnach hält nur jeder vierte Entscheider AKK für eine geeignete Nachfolgerin von Merkel.

Vielleicht macht sie ja noch den gleichen Lernprozess durch wie Merkel: Schließlich dachte die damalige CDU-Chefin anfangs auch, es genüge, die eigene Partei zu begeistern. Auf dem Leipziger Parteitag 2003 beschlossen berauschte Christdemokraten radikale Reformen des Sozialsystems und des Steuerrechts. Knapp zwei Jahre später verspielte Merkel einen sicher geglaubten Wahlsieg fast noch – auch, weil der damalige Kanzler Gerhard Schröder in einem furiosen Wahlkampf die CDU-Vorschläge zerriss. Trotz einer im Vergleich zu heute geradezu desaströsen Wirtschaftslage wollte der Großteil der Bevölkerung dann doch nicht allzu viel Veränderung - und lieber einen pragmatischen Kurs der Mitte.

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