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Warum nicht Massage- oder Biergutscheine?

Beat Balzli
Beat Balzli Ehem. Chefredakteur WirtschaftsWoche Zur Kolumnen-Übersicht: Balzli direkt

Das Land braucht jetzt ein intelligentes Konjunkturpaket, das keine Rücksicht auf Lobbyisten oder kommende Wahlen nimmt. Leider droht das Gegenteil.

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Eine Star-Trek-Tasse im Büro macht noch keinen Innovator. Der Vorschlag von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder zur Stützung des Tourismus ist keine Rocket-Science, sondern Populismus für Anfänger. Er will mit staatlich finanzierten Reisegutscheinen heimische Hoteliers fördern, um „Entlastung für die Branche und Freude für die Menschen“ zu bringen. Da fehlen jetzt nur noch Massage- oder Biergutscheine.

Söders Touristenbespaßung ist der Typus Konjunkturmaßnahme, vor dem sich gerade alle Ökonomen fürchten: teure Strohfeuer für Interessengruppen. Genau davon träumen aber Deutschlands Lobbyisten, die scharenweise die Exekutive belagern, um eine Bazooka für ihre Klientel zu beschaffen – ganz so, als gäbe es Geld im Überfluss für alles und jeden. Die Schuldenbremse liegt auf Eis, die nächste Bundestagswahl nicht. Die Flut der Wahlgeschenke von SPD und CDU gehört schon in normalen Zeiten zu den Systemfehlern einer Demokratie, in Coronazeiten erst recht.

Und so kommt es, wie es kommen muss. Deutschlands größte Branche buhlt um das prominenteste Stück des für Anfang Juni geplanten Konjunkturpakets. Die Autokönige fordern von der Regierung Kaufprämien für ihre Produkte. Und trotz viel Kritik ist Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier alles andere als abgeneigt. Er könne nicht erkennen, was an einem Instrument falsch sei, dass sowohl Firmen wie Gewerkschaften und Angestellte gut finden würden, sagte er kürzlich der WirtschaftsWoche. Altmaiers Erkenntnisproblem hängt wohl damit zusammen, dass er das Ergebnis der letzten Prämienaktion ignoriert. Damals nach der Finanzkrise zogen die Menschen geplante Autokäufe einfach vor. Zudem kauften sie vor allem günstige Kleinwagen – von ausländischen Herstellern.

Dabei liegt die intelligente Lösung längst auf dem Tisch. Die Wirtschaftsweisen lehnen zu Recht Branchenhilfen ab und fordern Maßnahmen, die zielgenau die richtigen Anreize schaffen und den Strukturwandel unterstützen: Ausweitung der Möglichkeiten zum steuerlichen Verlustrücktrag und -vortrag, tiefere Strompreise für Haushalte und Firmen sowie die Förderung von Investitionen in die Infrastruktur.

Söder hat diesen Rat übrigens nicht verinnerlicht. Er fordert neben den Urlaubsgutscheinen auch Kaufprämien für Autos – und leider nicht für „Bavaria One“-Raumschiffe. Die hätten wenigstens zu seiner Tasse gepasst.

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Wie kommt Deutschland aus der Krise? Die neue Wirtschaftsweise Monika Schnitzer nennt die Kriterien für ein kluges Konjunkturprogramm – und warnt vor einer Kaufprämie für Autos. Lesen Sie das Interview hier.

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