Bonn Grünen-Parteitag: Parteispitze sagt „Ja“ zur Realpolitik

„Wenn wir jetzt neue Brennstäbe kauften, würde das langfristige Investitionen in die Atomkraft bedeuten“, sagte Lang dem „Spiegel“. „Das ist nicht der Weg in die Zukunft.“ Neue Brennstäbe seien die rote Linie. Quelle: dpa

Die Delegierten der Grünen freuen sich zwar über das Wiedersehen nach fast drei Jahren Pause. Doch die Krisen, auf die sie als Regierungspartei Antworten müssen, dämpfen die Stimmung.

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Mit einem Bekenntnis zu realpolitischen Zwängen und Verantwortungsbewusstsein haben die Grünen ihren Bundesparteitag in Bonn begonnen. Mit den Worten „Ob wir es wollen oder nicht - am Ende werden wir die Welt gerettet haben müssen“, gab die Bundesgeschäftsführerin Emily Büning in ihrer Begrüßungsrede am Freitag den Kurs für die nächsten Tage vor.

„Wir machen Politik für die Realität, die da ist“, betonte die Parteivorsitzende Ricarda Lang. Mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sagte sie: „Ich bin davon überzeugt, dass wir mehr Waffen liefern müssen, dass wir schneller werden müssen - die Zeit der Zögerlichkeit ist vorbei.“ Wer deshalb die Rolle der Grünen als Friedenspartei infrage gestellt sehe, müsse wissen, der einzige Kriegstreiber in diesem Konflikt sei der russische Präsident Wladimir Putin.

Der dreitägige Bundesparteitag mit rund 800 Delegierten ist das erste Vor-Ort-Treffen der Grünen seit Beginn der Corona-Pandemie. Überschattet wurde das Treffen der Partei, die tief in der Anti-Atom-Bewegung verwurzelt ist, vom Koalitionsstreit um die Restlaufzeit der letzten drei Atommeiler. Die Parteispitze hatte kurz vor dem Beginn des Parteitages betont, das Ergebnis der geplanten Abstimmung zu diesem Thema sei für die anstehenden Gespräche mit SPD und FDP bindend. „Warum sollen wir sie sonst beschließen?“, antwortete Parteichef Omid Nouripour auf eine entsprechende Frage von Journalisten.

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„Wohin uns 16 Jahre Unionspolitik geführt haben, das sehen wir jetzt“, sagte Bundesgeschäftsführerin Büning. CDU und CSU hätten die Wende hin zu mehr Energie aus erneuerbaren Quellen nicht nur verschlafen, sondern „aktiv sabotiert“.

Erwartet wurden die Delegierten am Nachmittag in Bonn von einigen Dutzend Demonstranten, die unter anderem gegen den geplanten Braunkohle-Abbau im nordrhein-westfälischen Lützerath und gegen die grüne Wirtschaftspolitik protestierten. Die Kritik an der Entscheidung, die Ortschaft abzubaggern, war auch im Saal sichtbar. Während die grüne NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur vorne auf der Bühne über den Ausstieg aus der Kohleverstromung 2030 sprach, hob hinten in der letzten Reihe ein junger Delegierter aus Baden-Württemberg ein Pappschild mit der Aufschrift „Lützi bleibt“ in die Höhe.

Der Parteitag steht unter dem Motto „Wenn unsere Welt in Frage steht: Antworten“. Zu den 1.000 geladenen Gästen zählten die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi und der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm.

Zuerst wollten die Delegierten darüber beraten, welche zusätzlichen Hilfen Leistungsempfänger angesichts der hohen Inflation noch erhalten sollten. Der Bundesvorstand formulierte in seinem Antrag: „Für uns ist klar: Das Bürgergeld muss perspektivisch noch weiter steigen, und eine bedarfsgerechte und inflationsfeste Neuberechnung der Regelsätze muss kommen.“ Die gegenwärtig vereinbarte Erhöhung sei lediglich ein erster Schritt hin zu einer „armutsfesten Grundsicherung“.

Mit dem Bürgergeld will die Ampel-Koalition zum 1. Januar 2023 das Hartz-IV-System in seiner heutigen Form ablösen. Mit ihrem dritten Entlastungspaket Anfang September hatten SPD, Grüne und FDP zudem beschlossen, dass die Regelsätze für die rund fünf Millionen Bezieher der Grundsicherung um 50 Euro steigen sollen. Etwa für alleinstehende Erwachsene steigt er von 449 auf 502 Euro. Künftig soll der Bedarf vorausschauend an die Teuerungsraten angepasst werden.

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Um Kernkraft und andere Fragen rund um die Sicherung der Energieversorgung im Winter sollte es auf dem Parteitag erst am späten Freitagabend gehen. Für das Wochenende sind Debatten zum Klimaschutz und zu außenpolitischen Fragen vorgesehen. Dazu gehören beispielsweise umstrittene Rüstungsexporte, etwa nach Saudi-Arabien. Und es geht um die Frage, ob die Bundesregierung laut genug gegen die Niederschlagung der Proteste im Iran protestiert.

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