Bundestagswahlen Schulz will auch bei Niederlage SPD-Chef bleiben

Unabhängig vom Bundestagswahl-Ergebnis will Martin Schulz SPD-Chef bleiben. Auch im Falle einer Niederlage würde er sich erneut um die Posten bewerben – doch jetzt ist er erst einmal als Wahlkämpfer gefordert.

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Der Kanzlerkandidat wurde beim Parteitag Mitte März mit dem historischen Ergebnis von 100 Prozent der Stimmen zum SPD-Chef gewählt. Quelle: dpa

Berlin SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz will auch im Fall einer Niederlage bei der Bundestagswahl Parteivorsitzender bleiben. „Ich werde mich auf dem nächsten Parteitag natürlich um eine Wiederwahl bewerben“, kündigte er am Montag in Berlin bei einer Leserveranstaltung des Redaktionsnetzwerks Deutschland an. „Die SPD kann längere Rhythmen in der Amtszeit ihrer Vorsitzenden ganz gut gebrauchen.“ Auch dem nächsten Bundestag will der SPD-Politiker unabhängig vom Wahlergebnis angehören, sofern er gewählt wird: „Es wäre doch unlogisch, dieses Mandat nicht anzunehmen“, sagte er.

Die SPD liegt in den Umfragen nach einem Höhenflug nach der Nominierung von Schulz zum Kanzlerkandidaten jetzt wieder deutlich hinter der CDU/CSU. Schulz kommt auch nicht an die persönlichen Werte von Kanzlerin Angela Merkel heran. Könnte der Kanzler direkt gewählt werden, würden sich nach einer neuen Yougov-Umfrage 42 Prozent für Merkel und nur 22 Prozent für Schulz entscheiden. Auch bei der Bewertung der Arbeit kann Schulz gegenüber Merkel nicht aufholen. 61 Prozent der Befragten bescheinigten Merkel, dass sie einen sehr guten oder eher guten Job als Kanzlerin mache. Bei Schulz bewerteten nur 35 Prozent seine Arbeit als Kanzlerkandidat mit sehr gut oder eher gut.

Doch noch sind knapp sieben Wochen Wahlkampf. Dabei ist das niedersächsische Drama ist das Letzte, was die SPD und ihr Kanzlerkandidat Martin Schulz gerade brauchen. Als liefe der Angriff der Sozialdemokraten auf Merkels CDU nicht schon holprig genug. Drei verlorene Landtagswahlen. Strategische Fehler im Berliner Willy-Brandt-Haus. Ein Kandidat, der jedenfalls in der öffentlichen Wahrnehmung immer wieder abtaucht, und dessen inhaltliche Vorstöße nicht so richtig verfangen. Eine Kanzlerin, die sich aus dem Sommerurlaub nicht zu melden braucht, weil Kritik an ihr abzuperlen scheint wie Sommerregen an der Wanderjacke. Und natürlich Umfragewerte, die auf das Vor-Schulz-Niveau gefallen sind.

Ein Gutes könnte die Regierungskrise in Hannover samt VW-Vorwürfen gegen Ministerpräsident Stephan Weil allerdings haben: Die SPD ist so damit beschäftigt, auf die vermeintlich intrigante CDU zu schimpfen und Angriffe abzuwehren, dass keine Zeit für Selbstzerfleischung bleibt. Wenigstens öffentlich steht die Partei geschlossen hinter ihrem Spitzenkandidaten, der weiter Kanzlerkandidat heißt, auch wenn das Rennen gegen Angela Merkel gerade ziemlich aussichtslos wirkt. Nun droht auch noch der Regierungsverlust in Niedersachsen.

15 Prozentpunkte Rückstand auf die CDU kann die SPD nicht schönrechnen. Sie hört aber auch nicht auf, dagegen anzurennen. An diesem Dienstag bricht Schulz zum vierten und letzten Teil seiner Sommerreise auf. Er war im Horst-Seehofer-Land Bayern, zu Hause in NRW, in Hamburg nach den G20-Krawallen. Diesmal geht es in den Osten, wo die Sozialdemokraten auch wegen der starken Linken Probleme haben. Schulz besucht ein Bildungswerk bei Freiberg, Technologie-Unternehmen in Chemnitz und ein Mehrgenerationenhaus in Jena. Er grillt in einer Kleingarten-Anlage im sachsen-anhaltinischen Landsberg und schaut in einem Potsdamer Wissenschaftspark vorbei.

„Anerkennung der Lebensleistung der Menschen im Osten“ – damit will die SPD punkten in Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Bildung, Forschung, Generationengerechtigkeit, die Sorgen der ganz normalen Kleingärtner – das sind schöne Wahlkampfthemen, aber ist es das, was Deutschland jetzt interessiert?

Spannender dürfte werden, was Schulz zu Elke Twesten zu sagen hat, der Ex-Grünen, die es zur CDU zieht, und die damit die rot-grüne Koalition in Niedersachsen kippt. Und zur Rolle der Landesregierung in die VW-Diesel-Affäre, die Ministerpräsident und VW-Aufsichtsrat Stephan Weil zusätzlich unter Beschuss bringt. Beides bringt auch der Bundes-SPD Probleme: Die Union kann gegen Rot-Grün keilen und es riecht nach allzu großer Nähe zur Autobranche. Eine komplette Regierungserklärung zum Probelesen an Volkswagen schicken, das wirkt nun mal schräg - selbst wenn es sich begründen lässt und auf VW-Wunsch nicht viel geändert wurde.

Bis auf einen knappen Facebook-Post zu Twesten hat Schulz bisher weitgehend geschwiegen zur Niedersachsen-Krise - dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte er nur, er rechne dort mit einem Lagerwahlkampf Rot-Grün gegen Schwarz-Gelb. Stattdessen ging er gemeinsam mit Fraktionschef Thomas Oppermann per Gastbeitrag in den Funke-Zeitungen auf Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen los. Thema verfehlt? Naja. Klare Kante gegen die CDU-Ministerin und gegen neue Milliarden für Panzer - da wirkt die SPD glaubwürdig. Mit klarer Kante gegen Konzern-Kungelei tut sie sich im Moment eher schwer.

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