Digitalisierung Roboter machen uns nicht überflüssig

Roboter machen uns nicht überflüssig. Quelle: REUTERS

Globalisierung, Prekarisierung, Digitalisierung: Hören wir auf, über Arbeit angstbeladen zu debattieren. Wenn wir es richtig anpacken, schlummert in der Berufswelt der Zukunft die Quelle eines neuen Wirtschaftswunders.

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Die Sozialdemokratie ist im 19. Jahrhundert aus der Arbeiterbewegung heraus entstanden. Arbeit ist seit jeher der Dreh- und Angelpunkt sozialdemokratischer Politik. In den vergangenen Jahren ist die Rolle von Arbeit jedoch immer enger und defensiver diskutiert worden. Ob in den Debatten über die Digitalisierung oder auch schon zuvor zur Globalisierung: Arbeit stand immer unter Druck. Dieser Diskussion sollten wir eine andere Richtung geben.

In den 1990er- und 2000er-Jahren dominierte der Diskurs, Produktionsverlagerungen und globaler Wettbewerb würden Arbeitsplätze und Löhne in Deutschland gefährden. In den neueren Debatten zur Digitalisierung erwarten einige Beobachter gar die Apokalypse auf dem Arbeitsmarkt. Die Befürchtung ist, dass Roboter und künstliche Intelligenz menschliche Arbeit fast völlig überflüssig machen könnten. Diesen Abgesang halten wir für falsch. Auch wenn uns Globalisierung und Digitalisierung natürlich vor neue Herausforderungen stellen: Die Bedeutung von Arbeit in der Gesellschaft wird nicht geringer. Im Gegenteil! Wenn wir den Wandel, der vor uns liegt, richtig gestalten, dann ist die Arbeit der Zukunft eines der wirksamsten Mittel der Gesellschaftspolitik.

Die Prognosen dazu, wie viele Jobs in Zukunft wegfallen werden, gehen sehr stark auseinander. Die ehrliche Antwort ist, dass niemand genau weiß, wie sich die Digitalisierung auswirken wird. Worin sich aber alle Experten einig sind, ist, dass die Arbeit der Zukunft weg von Routinen und hin zu mehr Kreativität führen wird. Die Konsequenz ist, dass durch diese Verschiebung das gesellschaftlich-transformative Potenzial der Arbeit größer und nicht kleiner wird. Das eröffnet neue Chancen.

In diesen Tagen wird in Deutschland endlich wieder über Industriepolitik gestritten. Diese Diskussion ist lange überfällig. Die Rolle des Staates in der Wirtschaft wurde lange Zeit zu defensiv interpretiert. Es darf nicht die Rolle des Staates sein, lediglich Marktversagen zu korrigieren. Es geht vielmehr darum, Märkte selbst zu schaffen und den Wirtschaftsprozess politisch zu gestalten. Unsere Gesellschaft soll sich nicht der Wirtschaft unterordnen, sondern die Wirtschaft den Idealen unserer Gesellschaft anpassen.

Durch eine offensive Industriepolitik entstehen gute Arbeitsplätze, neue Technologien und gesellschaftlicher Wohlstand – in dieser Reihenfolge. Wer den Gegensatz von Klima- und Arbeitsmarktpolitik zementiert und am Status quo festhalten will, wird am Ende am meisten verlieren. Mehr noch: Ohne das Festhalten am Wert der Arbeit ist eine moderne Industriepolitik nicht vorstellbar. Schließlich entstehen nur durch qualifizierte Arbeitsplätze neue Technologien, um die großen Probleme unserer Zeit anzugehen.

Dies betrifft auch den Bereich der Digitalisierung. Datenpolitik und die Entwicklung künstlicher Intelligenz werden entscheidend für Jobs und Wachstum sein. Das globale Rennen ist längst eröffnet. Es kann für uns nicht um die Frage des Ob, sondern nur um die Frage des Wie gehen. Der Staat selbst muss sich in die Position des Treibers begeben und offensiv den Aufbruch für künstliche Intelligenz in Wirtschaft, Wissenschaft und auch in der Politik forcieren.

Auch im Dienstleistungssektor brauchen wir einen offensiven Arbeitsbegriff und eine politische Strategie. Von der Kinderbetreuung bis hin zur Pflege müssen unsere öffentlichen Dienstleistungen durch bessere und mehr Arbeit aufgewertet werden. Eine alternde Gesellschaft kann sich auf Dauer keinen schwächelnden Sozialstaat oder ein verbesserungswürdiges Bildungssystem erlauben.

Der Umbau des Sozialstaates oder die Verbesserung des Bildungssystems sind ohne mehr und bessere Arbeit nicht machbar. Wie soll die Knappheit an Kitaplätzen ohne mehr motivierte Erzieherinnen und Erzieher beseitigt werden? Wie soll ohne mehr Lehrerinnen und Lehrer verstärkt auf individuelle Bedürfnisse in Schulen eingegangen werden? Es gibt darauf nur eine Antwort: Ohne mehr und bessere Arbeit geht es nicht.

Der Umbau des Sozialbereiches profitiert von mehr Personal mit besserer sozialer Kompetenz. Das Bildungssystem sollte die kreativen und problemorientierten Fähigkeiten der Zukunft stärker in den Fokus der Ausbildung rücken.

Gute Arbeit wird also auch in Zukunft das Fundament unseres Wohlstandes und ein wichtiger Gradmesser für die Qualität unseres Zusammenlebens sein. Wenn wir Arbeit weiter wertschätzen und gezielt gestalten, können wir damit unsere Gesellschaft zu einer besseren machen. Einer Gesellschaft, in der Zusammenhalt, Miteinander und Füreinander da sein einen festen Platz haben und neuer Wohlstand eine Zukunft hat.

Es ist daher an der Zeit, in der öffentlichen Diskussion die Bedeutung von Arbeit für die Gestaltung unserer gesellschaftlichen Zukunft offensiver zu diskutieren. Sie ist Grundlage für das Meistern der großen Herausforderungen unserer Zeit und zugleich ein Wettbewerbsvorteil für Deutschland. Wenn der anstehende Wandel in der Arbeitswelt richtig strukturiert wird.

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