Ehrung für Ex-Kanzlerin Hinter Wüsts Preis für Merkel verbirgt sich ein Graben

Hendrik Wüst zeichnet Angela Merkel mit der höchsten Auszeichnung des Landes NRW aus. Quelle: imago images

Angela Merkel erhält heute den NRW-Staatspreis aus der Hand von Hendrik Wüst. Der stellt sich demonstrativ hinter das Erbe der Ex-Kanzlerin. Die Ehrung wirft auch ein Schlaglicht auf die Spannungen innerhalb der CDU.

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Die Liste der Preisträger ist so bunt wie die Kostüme des Kölner Karneval. Im vergangenen Jahr wurde die Formel-1-Legende Michael Schumacher geehrt, davor erhielten so unterschiedliche Menschen wie Ex-Umweltminister Klaus Töpfer, der Gründer des Circus Roncalli, Bernhard Paul oder die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer die höchste Auszeichnung des Landes NRW. Nun also wird die frühere Kanzlerin gewürdigt. Warum? Schaut man in die Statuten, dann soll der Preis an Persönlichkeiten verliehen werden, die „herausragende Leistungen erbracht haben und Nordrhein-Westfalen durch Werdegang und Wirken verbunden sind“.

Wie es mit der besonderen Verbindung der ostdeutschen Ex-Kanzlerin zum Land an Rhein und Ruhr bestellt ist, sei einmal dahingestellt. Interessanter ist die Frage, wie man es mit den „herausragenden Leistungen“ der Altkanzlerin hält. Die eilt gerade von Würdigung zu Würdigung, lässt sich öffentlich interviewen, spricht über ihr Buch „Das also ist mein Land“ und erlebt so etwas wie eine Renaissance.

Kampf um Deutungshoheit

Aber es gibt auch andere Stimmen. Spätestens seit der „Zeitenwende“ herrscht Streit um die Bewertung ihrer 16 Kanzlerinnenjahre. In konservativen Kreisen in und außerhalb der Union sowie im Wirtschaftsflügel finden sich zahlreiche Merkel-Kritiker. Man tritt auch Friedrich Merz nicht zu nahe, wenn man dem CDU-Vorsitzenden unterstellt, dass er die Altkanzlerin sicher nicht mit dem NRW-Preis bedacht hätte, der ihr heute vor großem Publikum in der Kölner Flora von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) höchstselbst überreicht wird.

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Im Gegenteil fördert der ewige Merkel-Gegner Merz die konservative Denkfabrik R 21, die zuletzt in Berlin mit einem Kongress versuchte, die Ära Merkel in Bausch und Bogen zu verdammen. Gegründet wurde R 21 von dem in der Union höchst umstrittenen Historiker Andreas Rödder und der Ex-Bundesfamilienministerin Kristina Schröder. Rödders Aufrufe, jetzt in der Nach-Merkel-Zeit endlich energisch gegen linken Mainstream, Sprachvorschriften und alles andere vorzugehen, was Konservative immer schon empört hat, gefiel nicht jedem in der Union.

Man wirft ihm – und damit auch seinem Förderer Merz – vor, einen Kulturkampf vorzubereiten, eine Art Roll-Back der Merkel-Ära. Der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz sieht bereits einen „aggressiv-konfrontativen Konservatismus“ am Werk, der „im Widerspruch steht zum Stil der CDU, zu Maß und Mitte, mit dem die Partei zuletzt viele Wahlen gewonnen hat“.

Demonstratives Schweigen

Das Lager der Kritiker raufte sich auch die Haare, als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Merkel kürzlich mit der höchsten Stufe des Bundesverdienstkreuzes auszeichnete. Merkel verdiene diese Ehrung nicht, lautete der einhellige Tenor ihrer Gegner. Vor diesem Hintergrund war es auch wenig erstaunlich, dass niemand aus der aktuellen CDU-Spitze ins Schloss Bellevue eingeladen war – und von Parteichef Merz auch kein Wort des Glückwunschs vernommen wurde.

Ganz anders Hendrik Wüst. Der junge Ministerpräsident begründete die heutige Auszeichnung schon vorab mit prallem Lob für Merkel: Der NRW-Staatspreis sei gedacht als Würdigung „für ihren unermüdlichen Einsatz zum Wohl des deutschen Volkes in einer von internationalen Krisen geprägten Zeit, ihre Beiträge zur Stabilität der Europäischen Union, ihre außergewöhnlichen humanitären Leistungen und ihre herausragenden Verdienste um das Ansehen Deutschlands in der Welt“. Nicht zuletzt habe Merkel „in ihren 16 Jahren als Bundeskanzlerin unser Land und ganze Generationen geprägt“, so Wüst. Die Auszeichnung sei schließlich auch eine Anerkennung der Vorbildfunktion Merkels als erste Kanzlerin in der Geschichte der Bundesrepublik, „die zahlreichen Frauen als Ermutigung gedient hat und weiterhin dient“.

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Wüst profiliert sich gegen Merz

Anders als Merz, der als CDU-Partei- und Fraktionschef auch die Kanzlerkandidatur anstrebt, will sein Konkurrent Wüst die Merkel-Fans umgarnen, die Frauen, die Liberalen und die Wechselwähler. Wüst hält wenig von den konservativen Profilierungsversuchen seines Parteivorsitzenden, der von den Schwächen der Ampelkoalition nicht profitieren kann und auch die 30-Prozent-Marke bei den Umfragen bislang nicht zu durchbrechen vermag. Es geht auch nicht nur um den absehbaren Kampf um die Kanzlerkandidatur, die bereits in rund einem Jahr nach der Europawahl entschieden werden soll. Indem Wüst sich offensiv hinter Merkel stellt und auf indirekte, aber geschickte Weise Merz konterkariert, beansprucht er auch eine gewichtige Mitsprache innerhalb der Parteispitze. Die Kandidatenfrage ist das eine, die andere betrifft die Deutungshoheit innerhalb der CDU. Wie immer man auch die Amtszeit von Merkel bewerten mag – das Gerangel zwischen dem liberalen und konservativen Lager ist mit ihrem Rückzug nicht beendet.

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