Globale Mindeststeuer Scholz‘ Steuerrevolution – oder nur eine große Illusion?

Olaf Scholz (SPD) hat mit den anderen Finanzministern der führenden G7-Staaten, so wie beispielsweise Janet Yellen aus den USA, eine Mindestbesteuerung für Unternehmen beschlossen. Quelle: AP

Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz spricht von einem historischen G7-Beschluss im Kampf gegen Niedrigsteuerländer. Doch der Weg ist noch weit und das Konzept löchrig. Ein Kommentar.

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Ein solcher verbaler Gefühlsausbruch ist für den Spitzengenossen Olaf Scholz selten, sehr selten. „Historisch“ sei der Beschluss, den die Finanzminister der führenden G7-Staaten am Samstag in London fassten, „unsere intensiven Bemühungen der vergangenen drei Jahre tragen Früchte“. Die sieben wichtigsten Industrienationen hätten sich hinter das Konzept einer Mindestbesteuerung für Unternehmen gestellt. Allerdings ist das, was der Bundesfinanzminister als „sehr gute Nachricht für die Steuergerechtigkeit und die Solidarität“ nun der Welt verkündete, weder wirklich neu noch gewiss oder überhaupt wahrscheinlich.

Viel wahrscheinlicher ist dagegen, dass die Staatengemeinschaft noch lange über die „Steuerrevolution“ (Scholz) verhandelt und es zahlreiche Schlupflöcher geben wird, die am Ende für viel mehr Bürokratie und ein wenig mehr Steuereinnahmen sorgen. Letztlich dürften die nun geschürten Erwartungen für eine Welt ohne Steueroasen eine Hoffnung bleiben (– und eine süße Illusion für den SPD-Kanzlerkandidaten nach der Wahl in Sachsen-Anhalt).

Das Statement der G7-Finanzminister bezieht sich vor allem auf Konzerne mit mehr als 750 Millionen Euro Jahresumsatz. Sie sollen in Zukunft weltweit mindestens 15 Prozent Steuern zahlen und überdies, wenn sie hochprofitabel sind, auf ihren Ansatzmärkten einen gewissen Obolus an die dortigen Fiski entrichten. Ähnliches hatten die Finanzminister schon im April verkündet. Damals war noch der Mindeststeuersatz offen, die Spannweite der Spekulationen reichte von 12,5 bis 21 Prozent, nun schlug die US-Finanzministerin Janet Yellen eben 15 Prozent vor. Das nächste Mal wollen sich die Finanzminister wieder am 9./10. Juli in Venedig treffen, und zwar im Rahmen der führenden G20-Staaten. Dann wollen sich die Minister einmal mehr und final in die Hand schwören, den Steuerwettbewerb einzudämmen. Und dann müssen sich die 139 Länder im Rahmen der OECD-Gespräche noch darauf verständigen, wie die künftigen Säulen der Steuerwelt genau aussehen sollen.

Spätestens an dieser Stelle sind ernsthafte Zweifel an der Steuerrevolution anzumelden. Es ist schwer vorstellbar, dass kleinere Länder wie Irland oder Ungarn da mitmachen wollen, die bei G7 und G20 keine Stimme haben. Es dürfte kaum möglich sein, große Newcomer wie China und Indien konsequent einzubinden. Und es ist nach bestehender Rechtslage unmöglich, innerhalb der EU zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten Steuersanktionen gegen gestaltende Unternehmen durchzusetzen. Darüber hinaus gibt es einen entscheidenden Webfehler bei der Neuordnung der Steuerwelt: Jedes Land hat seine eigenen Regeln bei der Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage, verschiedene Abschreibungsregeln, Ausnahmetatbestände, steuerliche F&E-Förderprogramme, Finanzierungstatbestände etc. pp.

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Wenn aber die Bemessungsgrundlagen schon stark voneinander abweichen, wie sollen dann die Steuerquoten passgenau miteinander verglichen werden können? Aus diesem Gründen hat es auch die EU für sich bislang nicht geschafft, das Steuerrecht im Kreis der 27 Mitgliedsstaaten zu harmonisieren. Da ist es schon einfacher, eine Weltsteuerreform zu verkünden. Egal, was am Ende dabei herauskommt. Träumen wird man schließlich dürfen, auch Herr Scholz.

Mehr zum Thema: Eine Reform des Weltsteuerrechts steht kurz bevor. Unternehmen sollen sich nicht mehr am Fiskus vorbeischleichen, Digitalkonzerne extra zur Kasse gebeten werden. Doch das Ende des Steuerwettbewerbs bedeutet das nicht.

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