Inflation Mittelstand lehnt konzertierte Aktion ab

Die Vorsitzende der Mittelstandsunion Gitta Connemann (CDU) Quelle: imago images

Die Bundesregierung spricht heute mit den Tarifpartnern über die Möglichkeit einer steuer- und abgabenfreien Einmalzahlung, um eine Lohn-Preis-Spirale zu verhindern. Unternehmen blicken kritisch auf das Vorhaben.

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Die Vorsitzende der Mittelstandsunion (MIT) Gitta Connemann (CDU) fordert ein umfassendes Maßnahmepaket gegen die Inflation und nicht nur eine konzertierte Aktion von Regierung und Tarifpartnern. „Insgesamt müssen belastende Gesetze wie das Lieferkettengesetz ausgesetzt und die Lohnnebenkosten gedeckelt werden, denn Deutschland hat schon jetzt die höchste Steuer- und Abgabenlast in Europa“, sagte Connemann der Wirtschaftswoche. Die Koalition müsse vor allen Dingen ihre Zusage einhalten, die Sozialabgaben auf 40 Prozent zu begrenzen. „Weitere Belastungen wie die geplante Erhöhung des Zusatzbeitrags in der Gesetzlichen Krankenversicherung sind Gift für die deutsche Volkswirtschaft“, warnte die MIT-Chefin.

Kritisch sieht sie auch die fehlende Einbindung der Opposition. „In der Krise müssen alle an einem Strang ziehen und dafür müssen alle an einen Tisch“, sagte Connemann. „Dazu hätte auch die Opposition gehört. Diese Chance hat der Bundeskanzler leider vergeben.“  Wenn eine konzertierte Aktion gelingen solle, dürfe sie „nicht zu einer Alibiveranstaltung werden“, so Connemann. Jeder könne und müsse seinen Beitrag leisten. „Dies gilt an erster Stelle für die Bundesregierung. Der Kanzler darf seine Verantwortung nicht auf die Tarifpartner abwälzen.“ 

Die Mittelstands-Vorsitzende zweifelt nicht an der Bereitschaft der Unternehmen zur Hilfe, aber die könne nicht jeder leisten. „Die Bundesregierung erwartet offenbar eine Einmalzahlung der Arbeitgeber zum Inflationsausgleich“, sagte Connemann. „Die Betriebe, die nach zwei Jahren Pandemie und trotz explodierender Betriebskosten noch Luft haben, werden ihren Beschäftigten zur Seite springen. Die Zahlungen müssen aber steuer- und abgabenfrei sein, sonst kommt kaum etwas im Geldbeutel der Mitarbeiter an“. Entscheidend sei die Freiwilligkeit. Die Vereinbarungen „müssen auf rein freiwilliger Basis erfolgen“, forderte die MIT-Chefin. „Eine Einmischung in das Tarifgeschäft darf es nicht geben“. 

Die Kernfrage sei, was die Bundesregierung bei einer konzertierten Aktion selbst in den Korb lege. „Appelle und Prüfaufträge reichen nicht, der Kanzler muss konkrete Handlungszusagen machen“, sagt die CDU-Politikerin. Sie fordert eine „Brücke in den Winter“, denn „Entlastung ist das Gebot der Stunde“. Vor allen Dingen müssten Energie und Sprit bezahlbar bleiben - auch im Fall von Gasmangellagen. Dafür solle die Bundesregierung die Stromsteuer „auf das europäische Mindestmaß runter- und die Pendlerpauschale ab dem ersten Kilometer raufsetzen“.

Besser als eine konzertierte Aktion sei jedoch langfristig die Abschaffung der kalten Progression, sagte Connemann. „Von einer Anpassung der Einkommenssteuertarife würden Arbeitnehmer, viele Betriebe und manche Rentner profitieren“. Der Staat müsse seine „Steuergewinne an Bürger und Betriebe zurückgeben“.

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Die Spitzen der Arbeitgeber und Gewerkschaften kommen heute im Kanzleramt mit den Vertretern der Bundesregierung zusammen. Bundeskanzler Olaf Scholz sowie sein Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wollen die Tarifparteien dazu bringen, anstelle eines hohen Lohnabschlusses eine einmalige Sonderzahlung zu vereinbaren. Um diesen „Bonus“ gegen die Inflation attraktiver zu machen, bietet die Koalition an, die Zahlung von Steuern und Sozialabgaben zu befreien.

Die Vertreter der wichtigsten Wirtschaftsforschungsinstitute nehmen ebenfalls an dem Treffen teil.  Sie sollen eine Analyse der aktuellen Lage abgeben, um die Dringlichkeit von Einmalzahlungen besser bewerten zu können. Dabei steht auch die Frage im Vordergrund, ob Einmalzahlungen überhaupt geeignet sind, die Entwicklung einer Lohn-Preis-Spirale zu stoppen. In den Genuss einer solchen Vereinbarung würden vor allem tarifgebundene Beschäftigte kommen. Die machen aber nur rund die Hälft aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland aus. Auch die Rentner, die von steigenden Energie- und Heizkosten sowie von der Verteuerung der Lebensmittel besonders hart getroffen sind, blieben außen vor.

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