So verstricken sich die Städte in einem kleinkarierten Konkurrenzkampf statt eine gemeinsame Start-up Strategie für den Standort Deutschland zu entwickeln. Und das wird von vielen kritisch gesehen. Etwa von James W. Sore, Finanzchef der Investment-Plattform Syndicate-Room. „Deutsche Städte sollten ein Cluster bilden“, findet er. „München für Technologie, Berlin und Düsseldorf für E-Commerce. Frankfurt spezialisiert sich auf Fintechs. Nur so kann Deutschland wirklich zum europäischen Einfallstor werden für britische Firmen.“
Wahrscheinlicher ist indes das Gegenteil, nach dem Motto: jeder ist sich selbst der Nächste. Bayern etwa hat schon verkündet, junge Firmen in den kommenden Jahren mit 330 Millionen Euro zu fördern. Nordrhein-Westfalen hält mit läppischen 12,5 Millionen dagegen – allerdings gestreckt auf drei Jahre.
Es hat ein zermürbender Wettlauf eingesetzt um „Germanys next Mittelstand“, den am Ende der ohnehin schon reiche Süden gewinnen dürfte. Auch, weil es an einer einheitlichen Ansiedlungsstrategie aus dem Wirtschaftsministerium fehlt.
Welche deutschen Branchen der Brexit treffen könnte
Jedes fünfte aus Deutschland exportierte Auto geht laut Branchenverband VDA ins Vereinigte Königreich. Präsident Matthias Wissmann warnte daher vor Zöllen, die den Warenverkehr verteuerten. BMW etwa verkaufte in Großbritannien 2015 rund 236 000 Autos - über 10 Prozent des weltweiten Absatzes. Bei Mercedes waren es 8 Prozent, bei VW 6 Prozent. BMW und VW haben auf der Insel zudem Fabriken für ihre Töchter Mini und Bentley. Von „deutlich geringeren Verkäufen“ in Großbritannien nach dem Brexit-Votum berichtete bereits Opel. Der Hersteller rechnet wegen des Entscheids 2016 nicht mehr mit der angepeilten Rückkehr in die schwarzen Zahlen.
Für die deutschen Hersteller ist Großbritannien der viertwichtigste Auslandsmarkt nach den USA, China und Frankreich. 2015 gingen Maschinen im Wert von 7,2 Milliarden Euro auf die Insel. Im vergangenen Jahr liefen die Geschäfte weniger gut. In den ersten zehn Monaten 2016 stiegen die Exporte nach Großbritannien dem Branchenverband VDMA zufolge um 1,8 Prozent gemessen am Vorjahr. 2015 waren sie aber noch um 5,8 Prozent binnen Jahresfrist gewachsen. Mit dem Brexit sei ein weiteres Konjunkturrisiko für den Maschinenbau dazugekommen, sagte VDMA-Präsident Carl Martin Welcker im Dezember.
Die Unternehmen fürchten schlechtere Geschäfte wegen des Brexits. Der Entscheid habe bewirkt, dass sich das Investitions- und Konsumklima in Großbritannien verschlechtert habe, sagte jüngst Kurt Bock, Präsident des Branchenverbands VCI. Für die deutschen Hersteller ist Großbritannien ein wichtiger Abnehmer gerade von Pharmazeutika und Spezialchemikalien. 2016 exportierten sie Produkte im Wert von 12,9 Milliarden Euro ins Vereinigte Königreich, rund 7,3 Prozent ihrer Gesamtexporte.
Für Elektroprodukte „Made in Germany“ ist Großbritannien der viertgrößte Abnehmer weltweit. 2015 exportierten deutsche Hersteller laut Branchenverband ZVEI Waren im Wert von 9,9 Milliarden Euro in das Land, 9,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Im vergangenen Jahr liefen die Geschäfte mit dem Vereinigten Königreich nicht mehr so gut. Nach zehn Monaten verzeichnet der Verband ein Plus bei den Elektroausfuhren von 1,7 Prozent gemessen am Vorjahr. Grund für die Eintrübung seien nicht zuletzt Wechselkurseffekte wegen des schwachen Pfunds, sagte Andreas Gontermann, Chefvolkswirt des ZVEI.
Banken brauchen für Dienstleistungen in der EU rechtlich selbstständige Tochterbanken mit Sitz in einem EU-Staat. Derzeit können sie grenzüberschreitend frei agieren. Mit dem Brexit werden Barrieren befürchtet. Deutsche Geldhäuser beschäftigten zudem Tausende Banker in London, gerade im Investmentbanking. Die Deutsche Bank glaubt indes nicht, dass sie ihre Struktur in Großbritannien „kurzfristig wesentlich“ ändern muss. Die Commerzbank hat ihr Investmentbanking in London schon stark gekürzt. Um viel geht es für die Deutsche Börse. Sie will sich mit dem Londoner Konkurrenten LSE zusammenschließen. Der Brexit macht das Projekt noch komplizierter.
In SoHo ist es dunkel geworden. Draußen auf der Bateman Street hat es angefangen zu regnen, als Wirtschaftsförderer Franzke zu Tisch bittet. 25 Gäste, die Hälfte aus London, die andere aus Berlin, hat er eingeladen um ihnen zum Abschluss des Tages die neue Küche der Hauptstadt zu zeigen.
Es gibt Grünkohl, Entenbrust und Austern. Fünf Gänge mit drei Weinen. Franzke sitzt am Kopfende des Tisches und zieht Bilanz: „Es war gut besucht, viel mehr als ich gedacht hätte. Der Brexit hat das hier richtig gepusht.“
In Deutschland, glaubt er, mache das Berlin jedenfalls so schnell keiner nach. Nächstes Mal will er mit seinem Popup-Zirkus deshalb wieder in die große weite Welt ziehen. Shanghai scheint ihm interessant. Und warum eigentlich nicht auch mal direkt ins Silicon Valley gehen? Die Sache mit dem Brexit jedenfalls ist ja optimal gelaufen.