Oswald Metzger "42 Regierungsjahre haben die FDP versaut"

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"Die CDU muss den Mittelstand an sich binden"

"Die bitterste Stunde für die Liberalen seit vielen Jahrzehnten"
Der nordrhein-westfälische FDP-Vorsitzende Christian Lindner sprach nach dem Ausgang der Bundestagswahl am Sonntagabend von der „bittersten Stunde für die Liberalen seit vielen Jahrzehnten“. Man habe in der Öffentlichkeit nicht überzeugt. „Da kann es ja überhaupt keinen Zweifel daran geben.“ Die FDP schafft es nach der ersten Hochrechnung nicht mehr in den Bundestag. Auf die Frage, ob die Partei jetzt auseinanderbricht, sagte Lindner, es gebe ausreichend liberales Wählerpotenzial. Das gelte es jetzt abzurufen. Quelle: dpa
Der Kieler FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki kritisierte die Wahlkampfstrategie seiner Partei. „Ich finde das eine beachtliche Leistung, dass man mit fünf Ministern der größten Bundestagsfraktion aller Zeiten innerhalb von vier Jahren die FDP von 14,6 auf 5 Prozent oder darunter bringt“, sagte Kubicki am Sonntag der Nachrichtenagentur dpa. „Eine ordentliche Wahlkampfstrategie mit einem souveränen Auftreten sieht anders aus.“ Quelle: dpa
Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel hat sich hocherfreut über das Ergebnis der Union bei der Bundestagswahl gezeigt. „Das ist ein Superergebnis“, sagte die strahlende CDU-Chefin unter dem Jubel ihrer Anhänger. „Wir werden damit verantwortungsvoll und sorgsam umgehen.“ Neben den CDU-Mitgliedern bedankte sich Merkel besonders bei der CSU und ihrem Vorsitzenden Horst Seehofer vor die Unterstützung. Quelle: dpa
Unionsfraktionschef Volker Kauder sagte in der ARD: „Wir haben einen klaren Auftrag der Wähler, die Regierung zu bilden.“ Das Ergebnis zeige, dass die Wähler wollten, dass Angela Merkel Kanzlerin bleibe. Die Union freue sich riesig. Ein Ergebnis von weit mehr als 40 Prozent habe man für eine Volkspartei schon gar nicht mehr für erreichbar gehalten. Quelle: dapd
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat sich begeistert vom Wahlerfolg der Union gezeigt. „Das ist fantastisch. So deutlich über 40 Prozent, das haben wir seit über 20 Jahren nicht geschafft“, sagte die stellvertretende CDU-Vorsitzende in der ARD. „Wir hoffen sehr für die FDP, dass die Zahlen im Laufe des Abends noch steigen.“ Zu einer möglichen großen Koalition mit der SPD wollte sich von der Leyen nicht äußern. „Deutschland muss stark bleiben in Europa, das ist das Motto des Abends“, sagte sie. Quelle: dpa
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles wollte nach dem Ausgang der Bundestagswahl am Sonntagabend in einer ersten Reaktion keine Koalitionsaussage treffen. Dies werde zuerst in den Gremien besprochen. Man habe sich sicherlich einen höheren Zuwachs gewünscht, sagte sie im ZDF. Nun sei die Gewinnerin der Wahl gefragt, CDU-Vorsitzende Kanzlerin Angela Merkel. Quelle: dpa
CDU-Vize Armin Laschet wertete das Ergebnis als Regierungsauftrag für Kanzlerin Angela Merkel. „Die Deutschen wollen, dass sie vier Jahre weiter regiert“, sagte Laschet, der auch CDU-Chef in Nordrhein-Westfalen ist. Das Ergebnis sei „in erster Linie Anerkennung für die Arbeit von Angela Merkel“. Laschet lobte den zurückhaltenden Kurs der Parteivorsitzenden in den vergangenen Wochen ohne starke Angriffe auf den politischen Gegner: „Der Wahlkampf war richtig, die Themen waren richtig, und die Zukunftsidee war richtig.“ Quelle: dpa

Sie waren in den 70er Jahren in der SPD, dann einige Jahre parteilos. 1987 traten Sie den Grünen bei, für die Sie von 1994 bis 2002 im Bundestag saßen. Gibt es für erklärte Ordoliberale wie Sie bei den Grünen keinen Platz mehr?

Heute mit Sicherheit nicht. Ich hatte als Schüler auch mit linken Ideen Tuchfühlung und war in der SPD. Ich trat aus, weil die SPD mir zu staatsfixiert war, auch in Bezug auf die innere Sicherheit. Nach sieben Jahren Parteilosigkeit trat ich den Grünen bei. Aber schon damals hatte ich marktwirtschaftliche Grundüberzeugungen, für die ich auch als Abgeordneter gestritten habe. Damals gab es unter Joschka Fischer als Fraktionschef Freiraum für marktwirtschaftliche Reformbestrebungen. Da waren Leute wie Christine Scheel, Margareta Wolf oder Andrea Fischer, die spätere Gesundheitsministerin.  Wir wurden das „neoliberale Quartett“ genannt.

Als 1998 die rot-grüne Koalition an die Regierung kam, vertraten Wirtschaftsverbände wie Olaf Henkels BDI die Ansicht, die Grünen seien reformorientierter als die SPD, was die Sozialsysteme, das Steuerrecht oder die Haushaltskonsolidierung betrifft. Die Zeiten sind längst passee.  Aber diese Erfahrungen haben mich auch persönlich geprägt. Hätte es damals diesen Resonanzraum nicht gegeben, hätte ich es als ordoliberaler Grüner die fast 21 Jahre nicht ausgehalten. 2007 trat ich aus, weil ich soziale Grundsicherungsmodelle und andere Versprechungen nicht mittragen konnte. Die Grünen haben sich links von der SPD positioniert. Und das als Partei, die gerade in Baden-Württemberg viele bürgerliche Wähler hat und mit Winfried Kretschmann ganz andere Milieus anspricht als linke!

Kretschmann wäre Ihr Wunschpartner für die CDU?

Kretschmann hat mich damals 2005 in die Landespolitik geholt, weil er glaubte, dass die Grünen in Baden-Württemberg satisfaktionsfähige Finanzpolitiker brauchen, um 2006 eine Koalition mit der CDU einzugehen. Das ist bekanntlich nicht an den Grünen gescheitert, sondern an dem damaligen CDU-Fraktionschef Stefan Mappus. Hätte die CDU damals mit den Grünen koaliert, würde sie heute noch den Ministerpräsidenten stellen, davon bin ich überzeugt. Dann würden die Koalitionsoptionen in ganz Deutschland anders aussehen. Davon hätten die Grünen profitiert und auch die CDU. Aber selbst im realpolitischen grünen Landesverband Baden-Württemberg hat nach dem Ende der rot-grünen Koalition 2005 eine Tendenz Richtung Etatismus und sozialstaatlicher Freigiebigkeit eingesetzt.

Wieso sind Sie als Ordoliberaler 2007 eigentlich nicht in die FDP gegangen?

Natürlich habe ich das überlegt. Aber die FDP ist für mich zunehmend zu einer Klientelpartei degeneriert. Ihr kam es in den letzten Jahren nicht auf strukturelle Fragen an, sondern es ging ihr darum, Milieus zu bedienen, aus denen ihr Spenden zukommen. Der Höhepunkt war die Steuererleichterung für Hotels. Das ist ein Verrat an freiheitlichen Bestrebungen. Ich habe mich bewusst für die CDU entschieden und ich will in ihr den Wirtschaftsflügel stärken. Ich weiß, dass eine Volkspartei wie die CDU natürlich eine starke soziale Ader hat, Leistungen unters Volk bringen muss, um Wahlergebnisse zu erreichen, die den Anspruch einer Volkspartei rechtfertigen. Außerdem lässt sich Gemeinwohl nicht radikalliberal definieren als Summe des Eigennutzes.

Forum der Freiheit

Die FDP galt als politische Stimme des Ordoliberalismus. Sollte die CDU diese Rolle jetzt übernehmen?

Die FDP hat diese Rolle nicht optimal erfüllt. Gerade im traditionell von der FDP besetzten Wirtschaftsressort hätte eine gestandene Persönlichkeit vom Schlage eines Grafen Lambsdorff natürlich gut getan. Wenn jetzt die FDP ganz fehlt, müssen alle Strategen in der Union hellwach sein. Die CDU als Volkspartei muss versuchen, den Mittelstand an sich zu binden, indem die liberale Stimme innerhalb der Partei hörbar wird. Wenn der Wirtschaftsflügel innerhalb der Union jetzt nicht gestärkt wird, so meine Sorge, dann geht - gerade in einer Koalition mit der SPD - der Marsch der Union in die linke Mitte weiter.

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