Sie waren in den 70er Jahren in der SPD, dann einige Jahre parteilos. 1987 traten Sie den Grünen bei, für die Sie von 1994 bis 2002 im Bundestag saßen. Gibt es für erklärte Ordoliberale wie Sie bei den Grünen keinen Platz mehr?
Heute mit Sicherheit nicht. Ich hatte als Schüler auch mit linken Ideen Tuchfühlung und war in der SPD. Ich trat aus, weil die SPD mir zu staatsfixiert war, auch in Bezug auf die innere Sicherheit. Nach sieben Jahren Parteilosigkeit trat ich den Grünen bei. Aber schon damals hatte ich marktwirtschaftliche Grundüberzeugungen, für die ich auch als Abgeordneter gestritten habe. Damals gab es unter Joschka Fischer als Fraktionschef Freiraum für marktwirtschaftliche Reformbestrebungen. Da waren Leute wie Christine Scheel, Margareta Wolf oder Andrea Fischer, die spätere Gesundheitsministerin. Wir wurden das „neoliberale Quartett“ genannt.
Als 1998 die rot-grüne Koalition an die Regierung kam, vertraten Wirtschaftsverbände wie Olaf Henkels BDI die Ansicht, die Grünen seien reformorientierter als die SPD, was die Sozialsysteme, das Steuerrecht oder die Haushaltskonsolidierung betrifft. Die Zeiten sind längst passee. Aber diese Erfahrungen haben mich auch persönlich geprägt. Hätte es damals diesen Resonanzraum nicht gegeben, hätte ich es als ordoliberaler Grüner die fast 21 Jahre nicht ausgehalten. 2007 trat ich aus, weil ich soziale Grundsicherungsmodelle und andere Versprechungen nicht mittragen konnte. Die Grünen haben sich links von der SPD positioniert. Und das als Partei, die gerade in Baden-Württemberg viele bürgerliche Wähler hat und mit Winfried Kretschmann ganz andere Milieus anspricht als linke!
Kretschmann wäre Ihr Wunschpartner für die CDU?
Kretschmann hat mich damals 2005 in die Landespolitik geholt, weil er glaubte, dass die Grünen in Baden-Württemberg satisfaktionsfähige Finanzpolitiker brauchen, um 2006 eine Koalition mit der CDU einzugehen. Das ist bekanntlich nicht an den Grünen gescheitert, sondern an dem damaligen CDU-Fraktionschef Stefan Mappus. Hätte die CDU damals mit den Grünen koaliert, würde sie heute noch den Ministerpräsidenten stellen, davon bin ich überzeugt. Dann würden die Koalitionsoptionen in ganz Deutschland anders aussehen. Davon hätten die Grünen profitiert und auch die CDU. Aber selbst im realpolitischen grünen Landesverband Baden-Württemberg hat nach dem Ende der rot-grünen Koalition 2005 eine Tendenz Richtung Etatismus und sozialstaatlicher Freigiebigkeit eingesetzt.
Wieso sind Sie als Ordoliberaler 2007 eigentlich nicht in die FDP gegangen?
Natürlich habe ich das überlegt. Aber die FDP ist für mich zunehmend zu einer Klientelpartei degeneriert. Ihr kam es in den letzten Jahren nicht auf strukturelle Fragen an, sondern es ging ihr darum, Milieus zu bedienen, aus denen ihr Spenden zukommen. Der Höhepunkt war die Steuererleichterung für Hotels. Das ist ein Verrat an freiheitlichen Bestrebungen. Ich habe mich bewusst für die CDU entschieden und ich will in ihr den Wirtschaftsflügel stärken. Ich weiß, dass eine Volkspartei wie die CDU natürlich eine starke soziale Ader hat, Leistungen unters Volk bringen muss, um Wahlergebnisse zu erreichen, die den Anspruch einer Volkspartei rechtfertigen. Außerdem lässt sich Gemeinwohl nicht radikalliberal definieren als Summe des Eigennutzes.
Die FDP galt als politische Stimme des Ordoliberalismus. Sollte die CDU diese Rolle jetzt übernehmen?
Die FDP hat diese Rolle nicht optimal erfüllt. Gerade im traditionell von der FDP besetzten Wirtschaftsressort hätte eine gestandene Persönlichkeit vom Schlage eines Grafen Lambsdorff natürlich gut getan. Wenn jetzt die FDP ganz fehlt, müssen alle Strategen in der Union hellwach sein. Die CDU als Volkspartei muss versuchen, den Mittelstand an sich zu binden, indem die liberale Stimme innerhalb der Partei hörbar wird. Wenn der Wirtschaftsflügel innerhalb der Union jetzt nicht gestärkt wird, so meine Sorge, dann geht - gerade in einer Koalition mit der SPD - der Marsch der Union in die linke Mitte weiter.