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Politiker und Bürokraten wollen die Wirtschaft durchplanen. Quelle: imago images

Haltet euch aus der Wirtschaft raus!

Hauke Reimer
Hauke Reimer Stellvertretender Chefredakteur WirtschaftsWoche

Der Drang von Politikern und Bürokraten, möglichst viele Branchen durchzuplanen, ist einfach übermächtig. Die Folgen sind kostspielig.

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Die Illusion ist nicht tot zu kriegen, aller Erfahrung zum Trotz: dass Staatsplaner wirtschaftliche Probleme besser in den Griff bekommen als Angebot und Nachfrage. Täglich liefert die Politik Beispiele für diese Hybris.

Brüssel etwa will sich jetzt um Produktion und Einkauf von Chips kümmern. Wer es schlau macht, bekommt seine Fabrik komplett finanziert. Ein Kommissar entscheidet später, wer welche Chips zugeteilt bekommt. Frankreich, seit Ludwig XIV. und seinem Minister Colbert auf staatswirtschaftlichem Kurs, hat hier erkennbar die Feder geführt. Wenn die Chipplaner mit ähnlicher Expertise gesegnet sind wie die Masken-, Impfstoff- und Medikamenteneinkäufer in Brüssel und Berlin, wird am Ende keiner die Chips mehr brauchen.

Erst zu spät, dann das Falsche, erst zu wenig und am Ende zu viel bestellt: Trial and Error zwischen Rationierung und Verschwendung kennzeichnet bürokratisches Handeln – mit dem Ergebnis, dass der deutsche Staat den Herstellern jetzt noch 400 Millionen Dosen Coronaimpfstoffe abnehmen muss, die hoffentlich nicht mehr gebraucht werden. Und beteiligt ist an CureVac, einem revolutionären Impfstoffhersteller, der keinen Impfstoff auf dem Markt hat. Noch verbucht der Bund mit CureVac zwar Kursgewinne, aber das dürfte nicht mehr lange anhalten. Wenn der Staat sich in Krisen an Unternehmen beteiligt, dann kommt er schwer wieder raus.

Mit dem Commerzbank-Paket aus der Finanzkrise liegt der Bund immer noch 60 Prozent im Minus. Die rund 700 Millionen Euro für Galeria Karstadt Kaufhof wird er ebenso wenig bald wiedersehen wie die Hunderte Millionen, die in die TUI flossen. Der Chef des Reiseriesen vermittelte zwar den Eindruck, TUI zahle jetzt Kredite an den Bund zurück, in Wahrheit reduziert er aber nur gar nicht beanspruchte staatliche Kreditlinien.

Dumm nur: Das Standardargument der Politik bei Eingriffen – Rettung von Jobs – verfängt angesichts der Personalnot in vielen Branchen nicht mehr. Künftig stellt sich noch häufiger die Frage, ob hier nicht anderswo gebrauchte Beschäftigte mit Staatsgeld an wenig zukunftsträchtige Großunternehmen gefesselt werden. Aber ein neuer Grund ist längst gefunden: Klimaschutz bietet ein weites Feld für Eingriffe zur Behebung vermeintlicher Defizite, von der Rohstoffversorgung mit Lithium über Batterieproduktion und Subventionen für Wasserstoff bis zu Bauauflagen zu Dämmung, Heizungstausch oder Solardächern – ein Eldorado für Regulierer und Lobbyisten, das dazu moralisch noch gut abgesichert scheint.

Mehr zum Thema: Warum kommt der Bürokratieabbau seit Jahrzehnten nicht voran? Wettbewerbsökonom Justus Haucap über die Ursachen von ineffizienter Verwaltung, mögliche Gegenstrategien – und das lange Leben des „Bundesschnapsamtes“.

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