Rezession Die Lage ist noch schlimmer als bisher befürchtet

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) sieht in den aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland „ein Geschäftsrisiko“. Quelle: imago images

Deutschland schrumpft nach 2023 auch 2024. Und die weiteren Aussichten sind „trübe“. Die traditionelle Konjunkturumfrage des DIHK, der vier Millionen Unternehmen vertritt, zeigt die prekäre Situation des Standorts Deutschland – und die Notwendigkeit einer politischen Zeitenwende. Ein Kommentar.

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Es sind erschreckend klare Worte der Deutschen Industrie- und Handelskammer, die vier Millionen Unternehmen vertritt. Sie prognostiziert für das Jahr 2024 „einen erneuten Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,5 Prozent“. Die Aussichten seien „trübe“, die Erwartungen „tief im negativen Bereich“, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen „ein Geschäftsrisiko“. 

Was DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben an diesem Donnerstag bei der Präsentation der Konjunkturumfrage im Berliner Haus der deutschen Wirtschaft sagte, ist zutiefst alarmierend. Erst zum zweiten Mal in der deutschen Nachkriegsgeschichte dürfte die Wirtschaftsleistung in zwei aufeinanderfolgenden Jahren sinken. 

Habeck: „So können wir nicht weitermachen“

Triste Rezession also statt dem „grünen Wirtschaftswunder“, von dem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erst im vorigen Mai sprach. Fabulierte, muss man aus heutiger Sicht sagen. Sein Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gibt die dramatische Wirtschaftslage nur scheibchenweise zu. Gestern sprach Habeck noch von einem Miniwachstum von 0,2 Prozent. Dies sei bereits „dramatisch schlecht“. Und: „So können wir nicht weitermachen.“

Wirtschaftsminister Robert Habeck senkt die Prognose für das Wirtschaftswachstum dieses Jahr deutlich. Die Lage sei „dramatisch schlecht“, warnte er – und griff damit überraschend der offiziellen Prognose vor.

Wahrlich nicht. Und erst recht nicht, wenn man sich die minus 0,5 Prozent der DIHK-Prognose vor Augen führt. Aber wie dann? 

Zwei Jahre lang hat Habeck an einer grünen Transformation von Gesellschaft und Wirtschaft gewerkelt, keine Rücksicht auf Befindlichkeiten der Bürger und auf die Belastbarkeit der Unternehmen genommen. Dabei hätte er, der ja „von Hause aus von Hühnern, Schweinen und Kühe melken kommt“ (Parteifreundin Annalena Baerbock 2021 im Wahlkampf) doch von Anfang an wissen müssen: Die Wirtschaft muss auch gehegt und gepflegt, darf nicht nur abkassiert werden.

Kopfschütteln im Wirtschaftsministerium

Erst jetzt spricht der Wirtschaftsminister von einer notwendigen Unternehmenssteuerentlastung. Fragt man jedoch in das Wirtschaftsministerium hinein, so bekommt man zur Antwort nur Kopfschütteln: Es gibt keinen ausgegorenen Plan für Steuersenkungen. Und das, was Habeck offenbar spontan in aller Öffentlichkeit zusammenstrickt – Gegenfinanzierung durch neue Schulden –, stößt auf Widerspruch bei Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Der würde am liebsten sofort den Soli (den auch und vor allem Unternehmen bezahlen) abschaffen. Plus Steuerreform bei gleichzeitigen Kürzungen konsumptiver Ausgaben.

Schneller schlau: Rezession

Beim Thema überbordende Bürokratie, etwa der EU-Lieferkettenrichtlinie und anderen Brüsseler Projekten, ist der grüne Wirtschaftsminister immer noch auf dem Regulierungstrip, statt laut „Stopp!“ zu rufen. Das tut stattdessen Lindner mit der FDP, die sich dafür öffentlich schelten lassen müssen.

"Die Ampel-Regierung kann es nicht!" - so lautet der fatale Eindruck bei Millionen Bürgerinnen und Bürgern. Bei der nachträglichen Berlinwahl sind SPD und FDP massiv abgestraft worden, die Grünenwähler scheinen derweil noch ganz zufrieden mit der transformativen Performance zu sein.

Auch die Unternehmen beschleicht immer mehr der Verdacht: Die Ampel kann es nicht! Wenn selbst heimatverbundene Familienunternehmen wie Miele massiv Arbeitsplätze daheim abbauen und Produktion ins Ausland verlagern, dann ist der Standort Deutschland in großer Gefahr.

Weiter werkeln oder Zeitenwende

Auf ein Happy End mögen nicht mehr viele Unternehmen hoffen. Bei der DIHK-Umfrage gaben 57 Prozent der Unternehmen die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen als Geschäftsrisiko an. Folglich wollen 33 Prozent ihre Investitionen in Deutschland verringern und nur noch 24 Prozent erhöhen. 

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Wie viele Alarmsignale braucht die Ampel-Koalition noch, um umzusteuern? Und zwar richtig, in der Wirtschafts-, Finanz- und der damit verwobenen Sozialpolitik. Keine Tändelei mehr um eine Lockerung der Schuldenbremse, um dann auf Pump  wie bisher noch anderthalb Jahre bis zum Ende der Legislaturperiode weiter zu werkeln. Für Bundeskanzler Scholz ist es an der Zeit, zu sagen: Wir brauchen eine Zeitenwende, damit Deutschland nicht ärmer wird und sich Arbeit und Unternehmertum wieder lohnen!

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