Es sind erschreckend klare Worte der Deutschen Industrie- und Handelskammer, die vier Millionen Unternehmen vertritt. Sie prognostiziert für das Jahr 2024 „einen erneuten Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,5 Prozent“. Die Aussichten seien „trübe“, die Erwartungen „tief im negativen Bereich“, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen „ein Geschäftsrisiko“.
Was DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben an diesem Donnerstag bei der Präsentation der Konjunkturumfrage im Berliner Haus der deutschen Wirtschaft sagte, ist zutiefst alarmierend. Erst zum zweiten Mal in der deutschen Nachkriegsgeschichte dürfte die Wirtschaftsleistung in zwei aufeinanderfolgenden Jahren sinken.
Habeck: „So können wir nicht weitermachen“
Triste Rezession also statt dem „grünen Wirtschaftswunder“, von dem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erst im vorigen Mai sprach. Fabulierte, muss man aus heutiger Sicht sagen. Sein Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gibt die dramatische Wirtschaftslage nur scheibchenweise zu. Gestern sprach Habeck noch von einem Miniwachstum von 0,2 Prozent. Dies sei bereits „dramatisch schlecht“. Und: „So können wir nicht weitermachen.“
Wahrlich nicht. Und erst recht nicht, wenn man sich die minus 0,5 Prozent der DIHK-Prognose vor Augen führt. Aber wie dann?
Zwei Jahre lang hat Habeck an einer grünen Transformation von Gesellschaft und Wirtschaft gewerkelt, keine Rücksicht auf Befindlichkeiten der Bürger und auf die Belastbarkeit der Unternehmen genommen. Dabei hätte er, der ja „von Hause aus von Hühnern, Schweinen und Kühe melken kommt“ (Parteifreundin Annalena Baerbock 2021 im Wahlkampf) doch von Anfang an wissen müssen: Die Wirtschaft muss auch gehegt und gepflegt, darf nicht nur abkassiert werden.
Kopfschütteln im Wirtschaftsministerium
Erst jetzt spricht der Wirtschaftsminister von einer notwendigen Unternehmenssteuerentlastung. Fragt man jedoch in das Wirtschaftsministerium hinein, so bekommt man zur Antwort nur Kopfschütteln: Es gibt keinen ausgegorenen Plan für Steuersenkungen. Und das, was Habeck offenbar spontan in aller Öffentlichkeit zusammenstrickt – Gegenfinanzierung durch neue Schulden –, stößt auf Widerspruch bei Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Der würde am liebsten sofort den Soli (den auch und vor allem Unternehmen bezahlen) abschaffen. Plus Steuerreform bei gleichzeitigen Kürzungen konsumptiver Ausgaben.
Schneller schlau: Rezession
Der Begriff Rezession bedeutet Rückgang und stammt aus dem Lateinischen. Es handelt sich um eine Rezession, wenn die Wirtschaft nicht wächst, sondern schrumpft – sich also in einem Abschwung beziehungsweise Rückgang befindet. Für die Bemessung der Konjunktur dient das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Offiziell tritt eine sogenannte technische Rezession ein, wenn das BIP in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen im Vergleich zu den jeweiligen Vorjahresquartalen nicht wächst, sondern zurückgeht.
Die Rezession ist eine der vier Phasen, die der Konjunkturzyklus einer Volkswirtschaft durchlaufen kann. Sie folgt auf die Phase der Hochkonjunktur und kann im schlimmsten Fall in eine Depression übergehen. Auf eine Depression folgt dann früher oder später ein Aufschwung.
Eine Rezession zeichnet sich durch unterschiedliche Merkmale aus. Dazu gehören unter anderem:
- Rückgang der Nachfrage
- überfüllte Lager
- Abbau von Überstunden und beginnende Kurzarbeit
- Entlassung von Arbeitskräften
- ausbleibende Investitionen
- teilweise Stilllegung von Produktionsanlagen
- stagnierende oder sinkende Preise, Löhne und Zinsen
- fallende Börsenkurse
Zu den Ursachen einer Rezession gehören unterschiedliche Punkte, die sich nur schwerlich verallgemeinern lassen. Aktuell wirkt sich etwa der Krieg in der Ukraine erheblich auf die Konjunktur in Europa und den USA aus.
In einer Rezession halten Unternehmen und private Haushalte ihr Geld in der Regel beisammen. Zu den Folgen einer Rezession zählen steigende Arbeitslosenzahlen, außerdem arbeiten mehr Menschen in Kurzarbeit. Beides führt zu geringerer Nachfrage. Denn wenn die Bürger weniger Geld verdienen, konsumieren sie auch weniger. Dies ist wiederum schlecht für Unternehmen, die dadurch weniger verkaufen und auf ihren Lagerbeständen sitzen bleiben. Die fehlenden Einnahmen können zu weiteren Entlassungen führen, sodass die Arbeitslosigkeit weiter steigt.
Auch Menschen, die auf der Suche nach einem neuen Job sind, stehen in einer Rezession vor Problemen. Denn wer sich um eine neue Stelle bewirbt, dürfte während einer Rezession Schwierigkeiten haben eine entsprechende Stelle zu finden – denn geht es Unternehmen wirtschaftlich schlechter, stoppen sie Neueinstellungen.
Durch eine steigende Inflation sinkt die Kaufkraft der Menschen. Durch eine sinkende Kaufkraft sinkt wiederum die Konsumbereitschaft der Menschen, da sie ihr Geld beisammen halten, statt es für Waren und Güter auszugeben.
Beim Thema überbordende Bürokratie, etwa der EU-Lieferkettenrichtlinie und anderen Brüsseler Projekten, ist der grüne Wirtschaftsminister immer noch auf dem Regulierungstrip, statt laut „Stopp!“ zu rufen. Das tut stattdessen Lindner mit der FDP, die sich dafür öffentlich schelten lassen müssen.
Auch die Unternehmen beschleicht immer mehr der Verdacht: Die Ampel kann es nicht! Wenn selbst heimatverbundene Familienunternehmen wie Miele massiv Arbeitsplätze daheim abbauen und Produktion ins Ausland verlagern, dann ist der Standort Deutschland in großer Gefahr.
Weiter werkeln oder Zeitenwende
Auf ein Happy End mögen nicht mehr viele Unternehmen hoffen. Bei der DIHK-Umfrage gaben 57 Prozent der Unternehmen die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen als Geschäftsrisiko an. Folglich wollen 33 Prozent ihre Investitionen in Deutschland verringern und nur noch 24 Prozent erhöhen.
Wie viele Alarmsignale braucht die Ampel-Koalition noch, um umzusteuern? Und zwar richtig, in der Wirtschafts-, Finanz- und der damit verwobenen Sozialpolitik. Keine Tändelei mehr um eine Lockerung der Schuldenbremse, um dann auf Pump wie bisher noch anderthalb Jahre bis zum Ende der Legislaturperiode weiter zu werkeln. Für Bundeskanzler Scholz ist es an der Zeit, zu sagen: Wir brauchen eine Zeitenwende, damit Deutschland nicht ärmer wird und sich Arbeit und Unternehmertum wieder lohnen!
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