SPD stärkste Kraft in Niedersachsen Für Rot-Grün reicht es nicht

Die SPD hat die Landtagswahl in Niedersachsen am Sonntag überraschend klar gewonnen und Stephan Weil kann Regierungschef bleiben. Doch die Regierungsbildung dürfte schwierig werden.

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Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Quelle: dpa

Drei Wochen nach ihrer Schlappe bei der Bundestagswahl geht die SPD in Niedersachsen als Sieger vom Feld. Die Sozialdemokraten unter Ministerpräsident Stephan Weil wurden bei der Landtagswahl am Sonntag erstmals seit 19 Jahren wieder stärkste Kraft. "Überall freuen sich die Leute mit uns, dass bewiesen worden ist: Die SPD in Deutschland, die kann Wahlen gewinnen", sagte der sichtlich zufriedene Regierungschef. Die CDU musste Verluste hinnehmen und landete auf dem zweiten Platz. Die bisherige rot-grüne Koalition verlor dem vorläufigen Endergebnis zufolge aber die absolute Mehrheit. Rechnerisch sind nun eine große Koalition aus SPD und CDU sowie Drei-Parteien-Bündnisse aus Grünen und FDP mit der CDU oder der SPD möglich. Die FDP hat eine Allianz mit SPD und Grünen aber bereits ausgeschlossen.

Neben Grünen und FDP schafft auch die rechtspopulistische AfD erstmals den Einzug in den Landtag in Hannover, allerdings nur knapp. Die Linke bleibt draußen. CDU-Herausforderer Bernd Althusmann signalisierte die Bereitschaft seiner Partei, in eine Regierung einzutreten: "Auch wir - in welcher Konstellation auch immer - haben einen klaren Gestaltungsauftrag für Niedersachsen."

Dem vorläufigen Endergebnis zufolge kommt die SPD auf 36,9 (2013: 32,6) Prozent der Stimmen und die CDU auf 33,6 (2013: 36,0) Prozent. Die Grünen erhielten 8,7 (13,7) Prozent und die FDP 7,5 (9,9) Prozent. Die AfD kam auf 6,2 Prozent, die Linke verfehlte mit 4,6 (3,1) Prozent den Einzug in den Landtag.

Der Landeswahlleiterin zufolge besteht der neue Landtag aus 137 Sitzen. Davon entfallen 55 auf die SPD, 50 auf die CDU, zwölf auf die Grünen, elf auf die FDP und neun auf die AfD. SPD und Grüne kommen damit gemeinsam nur auf 67 Sitze, zur Mehrheit wären aber 69 erforderlich. Mit der AfD will keine der etablierten Parteien ein Bündnis eingehen.



Weil sagte, er werde außer mit der AfD mit allen Parteien im Landtag sondieren. Auf dieser Grundlage werde dann schnell eine "starke und handlungsfähige Landesregierung" gebildet. Althusmann zufolge hat sich die CDU in Niedersachsen deutlich vom Bundestrend der Partei abgekoppelt. Es gehe jetzt darum, klug zu überlegen, was man mit dem Resultat mache. Er räumte ein, er habe sich ein besseres Ergebnis gewünscht, fügte aber hinzu: "In Sack und Asche gehen müssen wir überhaupt nicht."

CDU-Generalsekretär Peter Tauber sagte im ZDF: "Jamaika halte ich in Niedersachsen für extrem schwierig." In der ARD forderte er die SPD auf, sich um eine Koalitionsbildung in Niedersachsen zu bemühen. "Die SPD hat von den Wählern klar einen Regierungsauftrag erhalten." Zugleich betonte Tauber, die CDU würde mitregieren. "Unsere Freunde vor Ort stehen bereit, um Verantwortung zu übernehmen." SPD-Bundeschef Martin Schulz sagte: "Das ist ein großartiger Sieg für die niedersächsische SPD, ein großartiger Erfolg für Stephan Weil."

SPD kann Trend stoppen

Die vorgezogene Neuwahl wurde notwendig, nachdem die Grünen-Abgeordnete Elke Twesten im August zur CDU übertrat. Turnusgemäß hätten die Niedersachsen erst im Januar 2018 gewählt. Noch im Sommer lag die CDU in Umfragen bei 40 Prozent und die SPD abgeschlagen bei 32 Prozent. Der Umschwung in den Umfragen setzte mit dem Parteiübertritt von Twesten ein - denn der Seitenwechsel hatte eine mobilisierende Wirkung für SPD und Grüne. Weil verkörperte im Wahlkampf den "Sie-kennen-mich"-Politiker und soliden Landesvater und bekam in Umfragen stets bessere Kompetenzwerte als sein CDU-Herausforderer. In einer ZDF-Umfrage vom Sonntag sprachen sich 50 Prozent für Weil als Ministerpräsident aus und 32 Prozent für Althusmann.

Das Ergebnis in Niedersachsen hat den Trend dieses Jahres zugunsten der SPD durchbrochen. Bei den Wahlen im Saarland, in Schleswig-Holstein, in Nordrhein-Westfalen und im Bund konnte die Union den Top-Posten verteidigen oder neu erobern. Die Flüchtlingspolitik spielte in Niedersachsen keine so große Rolle wie etwa bei der Bundestagswahl, weshalb die AfD Beobachtern zufolge einen Dämpfer hinnehmen musste. Entscheidender waren demnach eher die Themen Innere Sicherheit, Bildung und Verkehr. Weil und Althusmann gelten als Unterstützer ihrer Bundesvorsitzenden Schulz und Angela Merkel.

Mitte der Woche beginnen die Sondierungsgespräche von CDU/CSU, FDP und Grünen für ein Jamaika-Koalition im Bund. Das Wahlergebnis in Niedersachsen erschwert nach Einschätzung des Grünen-Politikers Jürgen Trittin die Gespräche: "Das schwächt die Union, und das macht Verhandlungen, macht Sondierungen nicht einfacher, sondern schwieriger", sagte Trittin, der in der Sondierungskommission seiner Partei sitzt, der ARD.



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