Streitgespräch Das Für und Wider der Steuerreform

Expertenrat: Hermann Otto Solms, Clemens Fuest, Torsten Albig und Brigitte Fischer über Steuersenkung, Schuldenbremse, Kommunalfinanzen.

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WirtschaftsWoche: Herr Solms, das Ergebnis der Steuerschätzung liegt vor, die Wahlen in NRW sind gelaufen, nichts hindert mehr die Diskussion Ihrer Pläne für eine große Steuerreform – außer der Tatsache, dass der Staat kein Geld in der Kasse hat. Haben Sie den Traum Ihrer Steuerreform 2010 ausgeträumt?

Solms: Wir haben uns im Koalitionsvertrag auf die Entlastung der Bürger in Höhe von 24 Milliarden Euro geeinigt. Acht Milliarden Euro haben wir den Bürgern bereits zurückgegeben. Jetzt geht es noch um Steuersenkungen in Höhe von weiteren 16 Milliarden. Daran hält sich die FDP. Wir werden das machen.

Albig: Als Oberbürgermeister einer mittelgroßen Kommune kann ich keine weiteren Steuerausfälle mittragen.

Herr Professor Fuest, kann die Wissenschaft zwischen den beiden Polen vermitteln?

Fuest: Diese Frage kann man nicht losgelöst vom Steueraufkommen diskutieren. Eine Senkung des Mittelstandsbauches bei der Einkommensteuer, wie es Herr Solms und die FDP fordern, führt zu weniger Staatseinnahmen. Wir müssen uns aber bei jedem Euro Entlastung fragen, ob der Staat sich das leisten kann. Auf dem gegenwärtigen Ausgabenniveau ist er unterfinanziert, und schon wegen der demografischen Entwicklung in Deutschland sehe ich nicht, dass diese Ausgaben irgendwann einmal nennenswert sinken werden. Ich jedenfalls kann in der heutigen Situation keine Steuersenkungen empfehlen, schon um den Konsolidierungspfad und die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse  nicht zu beschädigen.

Solms: Herr Fuest, auch wir wollen die Schuldenbremse einhalten, aber Sie müssen die Dimensionen beachten, um die es hierbei geht. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat durch einen Kunstgriff das Basisjahr der Schuldensenkung künstlich erhöht, indem er das Darlehen an die Bundesagentur für Arbeit in einen einmaligen Zuschuss umgewandelt hat. Das führt dazu, dass wir bereits im nächsten Jahr den durch die Schuldenbremse vorgegebenen Abbau der Neuverschuldung um das Doppelte übererfüllen.

Die Umwandlung dieses Darlehens in einen Zuschuss macht die Staatsfinanzen nicht besser – spricht das nun für oder gegen eine Steuerreform?

Solms: Für die nächsten zwei Jahre ist die Schuldenbremse schon erfüllt. Deswegen ist Herr Schäuble auch so locker in diesem Punkt, und das Einhalten der Schuldenbremse steht der Steuerreform vorerst nicht im Weg.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sieht dennoch keinen Spielraum mehr.

Solms:  Seine Sorgen kann ich gut verstehen, wenn ich an die zusätzlichen Ausgabenwünsche mancher Kabinettsmitglieder denke. Herr Schäuble wusste, als wir den Koalitionsvertrag verhandelten, wie die ökonomische Lage aussieht. Außerdem haben Bund, Länder und Kommunen nach der aktuellen Steuerschätzung Steuereinnahmen in Höhe von 510 Milliarden Euro. Nach der jetzigen Schätzung steigt dieser Wert auf 581,5 Milliarden Euro in 2014. Die Einnahmen des Gesamtstaates werden also bis dahin um 71 Milliarden Euro steigen. Da wird es doch noch möglich sein, eine leichte Steuerentlastung umzusetzen.

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