Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst Die Forderungen der Beamten sind wirklichkeitsfremd

Der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske und Ulrich Silberbach, Bundesvorsitzender dbb ziehen mit hohen Forderungen in die Verhandlungen. Quelle: dpa

Die Forderungen der Beschäftigten des Öffentlichen Diensts sind nicht nur überzogen. Die Argumente des Beamtenbunds schaden außerdem der Rechtfertigung des Beamtentums.

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Dass Gewerkschaften mit übertrieben hohen Forderungen in Tarifverhandlungen gehen, sollte eigentlich niemanden überraschen oder gar empören. Sofern der betroffene Arbeitgeber allerdings der Staat und damit letztendlich die Gemeinschaft der Steuerzahler ist, sieht das anders aus.

Verdi-Chef Frank Bsirske begründete die Forderung nach sechs Prozent Gehaltserhöhung in erster Linie damit, dass die Staatsbeschäftigten „Anschluss halten“ müssten mit der „Entwicklung in der Privatwirtschaft“. Beamtenbund-Chef Silberbach spricht von „über 17,1 Milliarden, die erstmal noch im Säckel da sind zum Verteilen“. Er scheint zu glauben, dass Beamte ein zumindest moralisches Recht auf einen Anteil an Steuermehreinnahmen hätten.

Sofern es um Erzieherinnen und Pflegekräfte geht, mag man Bsirskes Argument folgen. Diese Berufsfelder leiden tatsächlich unter einem Mangel an Attraktivität. Und deren Steigerung durch höhere Gehälter liegt auch im öffentlichen Interesse. Allerdings wenn es um Beamte geht, ist dieser Hinweis auf die Privatwirtschaft unangebracht. Zumal die Tariflöhne im Boom-Jahr im Branchenschnitt nur um etwas mehr als drei Prozent stiegen.

Gegen die überzogenen Forderungen stehen vor allem zwei gewichtige Argumente.

Erstens ein grundsätzliches: Beamte stehen in einem herausgehobenen Treueverhältnis zum Staat und genießen dafür besondere Privilegien. Der Sinn des Beamtenstatus und der damit verbundenen Rechte und Pflichten ist es gerade, dass sich Beamte nicht mit marktbedingten Schwankungen des Lohnniveaus und anderen Chancen und Risiken der Privatwirtschaft auseinanderzusetzen haben. Es gibt auch kein moralisches Recht von Beamten, von den konjunkturbedingt steigenden Steuereinnahmen zu profitieren. Der Staat ist schließlich kein gewinnorientiertes Unternehmen und seine Bürger und Steuerzahler sind keine Kunden. Wenn Überschüsse in öffentlichen Haushalten verbleiben, haben zuerst die Steuerzahler selbst ein Anrecht darauf und nicht die Beamten.

Wenn Silberbach und der dbb ihre übertriebenen Forderungen derart rechtfertigen, können sie sich nicht wundern, dass außerhalb der Amtsstuben die Akzeptanz der Beamtenprivilegien (von der weitestgehenden Arbeitsplatzsicherheit bis hin zu den Beihilfen im Krankheitsfall) immer weiter schwindet. Der dbb wird den Beamten langfristig keinen Gefallen tun, wenn er sich immer weiter zu einer „normalen“ Gewerkschaft hin entwickelt und deren Forderungskultur nachahmt. Er trägt damit letztlich nur zur Erosion der gesellschaftlichen Akzeptanz des Beamtentums bei.  

Dazu kommt ein fiskalisches Argument: Die Steuerzahler, also letztlich auch die große Mehrheit der Kollegen in den anderen Gewerkschaften des DGB können angesichts der sich unübersehbar eintrübenden Konjunkturaussichten und vor allem angesichts der völlig unproportional gestiegenen Staatsausgaben in den hinter uns liegenden Boom-Jahren kein Interesse an unverhältnismäßig steigenden Personalkosten in Bund, Ländern und Gemeinden haben.

Die vermeintliche „schwarze Null“ der aktuellen Staatshaushalte bietet nur scheinbar Spielräume. Denn eine verantwortungsvolle, stabilitätsorientierte Finanzpolitik muss sich stets vor Augen halten: Zu den offiziellen Staatsschulden kommen in den vor uns liegenden Jahren und Jahrzehnten gewaltige, weitgehend ungedeckte Zahlungsversprechen für Renten und nicht zuletzt Beamtenpensionen. Allein die Pensionsverpflichtungen für Bundesbeamte sind im Jahr 2017 auf 520 Milliarden Euro gestiegen, ein Plus von 42 Milliarden Euro gegenüber 2016. In den meisten Ländern sieht es nicht viel anders aus. Dem stehen kaum Vorsorgemaßnahmen gegenüber.

Letztlich können auch die Beamten, vor allem die jüngeren unter ihnen, selbst kein Interesse daran haben, dass sie Pensionsanrechte erwerben, die in einigen Jahren, wenn die demografische Falle zugeschnappt ist, vermutlich nicht mehr einlösbar sein werden. Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder sollte im Interesse der Steuerzahler hart verhandeln – und Bsirske und Silberbach sollten in erster Linie Anschluss halten an die Entwicklung in der demografisch-fiskalischen Wirklichkeit.

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