Ukraine-Krieg Die Regierung lenkt im Streit um Waffenlieferungen ein

Ein Flugabwehrpanzer vom Typ Gepard 1A2. Quelle: imago images

Verteidigungsministerin Lambrecht trifft am Dienstag ihren US-Amtskollegen. Gleichzeitig eskaliert der Streit um die Lieferung schwerer Waffen – auf den Druck hin lenkt die Regierung nun ein und liefert Gepard-Panzer.

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Wenn Verteidigungsministerin Christine Lambrecht am Dienstag ihren Amtskollegen aus den USA auf der US-Airbase in Ramstein trifft, dann ist das Thema klar: Gerade erst ist Lloyd Austin aus der Ukraine zurückgekommen, wo er weitere 300 Millionen Dollar Militärhilfe im Kampf gegen Russland zugesagt hat. Austins Botschaft bei diesem Besuch wird er jetzt als Forderung gegenüber Lambrecht wiederholen: „Die Ukrainer können gewinnen, wenn sie die richtige Ausrüstung haben.“ Heißt im Klartext: Wenn auch ein Nato-Partner wie Deutschland endlich mit der Lieferung schwerer Waffen beginnen würde.

Die USA schicken bereits Waffensysteme im Wert von 800 Millionen Dollar in die Ukraine – oder bereiten deren Transport vor: Dabei handelt es sich um in Russland gebaute M17-Transporthubschrauber, gepanzerte Mannschaftstransporter und Haubitzen vom Kaliber 155mm. Auch andere Nato-Partner stellen der Ukraine mittlerweile schweres Gerät zur Verfügung: Frankreich, Belgien und die Niederlande versprechen laut Presseberichten ebenfalls Haubitzen, Polen hat Kampfflugzeuge angeboten. Die Briten wollen neben 120 gepanzerten Fahrzeugen und neuen Antischiffsraketen weitere Luftabwehrsysteme sowie bewaffnete Drohnen liefern. 

Und Deutschland? Steckt noch immer in einer quälenden Debatte über das „Wie“ und „Ob“ von Lieferungen fest, die in dieser Woche sogar die Regierungskoalition selbst zu spalten droht. So groß ist der Druck, dass jetzt Bewegung in die Sache zu kommen scheint. Die Bundesregierung hat grünes Licht für die Lieferung von Gepard-Panzern gegeben. Aber dazu gleich mehr.

Bloß nicht Putin reizen. Also finden wir uns aus Furcht vor einem Atomkrieg damit ab, dass Russland Europas Grenzen verschiebt? Das ist moralisch verwerflich. Politisch verheerend. Und hilft nicht mal der Wirtschaft.
von Dieter Schnaas

Was Lambrecht bisher als Antwort für ihren US-Amtskollegen im Gepäck hatte, scheint hierzulande weder die Opposition, noch  Koalitionspartner oder Industrievertreter wirklich zu überzeugen: den Ringtausch. Dahinter steckt die Idee, dass Slowenien eine größere Zahl an T-72-Kampfpanzern sowjetischer Bauart an die Ukraine abgeben soll. Um die Lücke zu schließen, könnte der Nato-Partner dann später Marder-Schützenpanzer und Fuchs-Radpanzer aus Deutschland erhalten. Lambrecht und auch Bundeskanzler Olaf Scholz selbst wollten mit dieser Idee eigentlich die anschwellende Kritik am Zögern und Zaudern der Bundesrepublik entkräften. „Es geht um die nächsten Tage“, gab Lambrecht den Zeitplan vergangenen Donnerstag vor. 

Passiert ist bisher wenig. Und die Kommunikation wirkt chaotisch. Beim Verteidigungsministerium hieß es zunächst, die Slowenen hätten dem Angebot aus Deutschland bisher noch gar nicht zugestimmt. Ein erstes Telefonat auf Fachebene gab es offenbar erst am Freitag. Außerdem dauere die Nachlieferung von deutschem Material samt Ausbildung und Ertüchtigung mindestens neun Monate. Unklar bleibe, ob die Slowenen eine dadurch entstehende Lücke in ihrer Landesverteidigung überhaupt solange zulassen werden, sagt Generalleutnant Kai Rohrschneider, Abteilungsleiter der Führung Streitkräfte: „Wir fahren die Einsatzbereitschaft dieser Armee mit solch einem Austausch herunter, deshalb ist das für Militärs keine triviale Frage.“

Wahrscheinlich bleibt in dieser Lesart ein Szenario, in dem Slowenien erst einmal nur einen kleinen Teil seiner Panzer abgibt, um dann auf Nachschub zu warten. Die Selbstverteidigungspolitik des Bundes droht damit allerdings zur mickrigen Symbolpolitik zu verkommen. Auch von der selbstbewussten Zusage, es könne binnen weniger Tage mit den Lieferungen losgehen, bleibt auf Nachfrage bisher nur ein „Dauert noch“ übrig.

Gleichzeitig wächst der politische Druck

In diese Zögerlichkeit hinein preschen nun jene, die zügiger mehr wollen. Die Union etwa legte am Wochenende einen eigenen Beschlussantrag für die Lieferungen schwerer Waffen vor. Darin fordern CDU/CSU „in Quantität und Qualität unverzüglich und spürbar“ mehr Material für die Ukraine. Der Vorstoß löste so große Verunsicherung bei der Ampel-Regierung aus, dass deren Fraktionen eilig einen eigenen Antrag ins Spiel brachten – offensichtlich um der Gefahr zu begegnen, dass verstimmte Parlamentarier aus den eigenen Reihen für den Vorschlag der Opposition stimmen und damit eine Regierungskrise auslösen könnten. 



Es ist kein Geheimnis, dass Grüne, FDP und die SPD unterschiedliche Ansichten über die Lieferungen von Panzern haben. Aus Koalitionskreisen hört man entsprechend schon wieder neue Verstimmungen. Sie beruhen auf Nachbesserungsversuchen des Regierungsantrags seitens des Kanzleramts. Dort hatte man offenbar versucht, Passagen über „schwere Waffen“ im Vorfeld abzuschwächen. Von Beteiligten heißt es jetzt, dass der Passus nun doch wieder im Antrag stehe, der diese Woche in den Bundestag geht. „Weil es ihn sonst schlicht nicht geben wird." Einigkeit zwischen Regierungszentrale und -fraktionen klingt anders.

Deutsche Waffenschmieden stehen jedenfalls betont bereit. Der Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall hat der Ukraine die Lieferung von 88 gebrauchten Leopard-Kampfpanzern angeboten. Das geht aus Unterlagen hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegen. Danach beinhaltet das Angebot auch die Ausbildung der Besatzung in Deutschland, Training für die Instandsetzung, Werkzeug, Ersatzteile, einen Servicestützpunkt und Munition. Außerdem hat der Rüstungskonzern laut einem Bericht der „Welt am Sonntag“ bereits die Genehmigung für die Lieferung von 100-Mardern beim Bundessicherheitsrat beantragt, in dem übrigens auch Bundeskanzler Scholz sitzt. 

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Genau um diese Panzer hatte es zuvor ein längeres Hin- und Her gegeben, weil das Verteidigungsministerium Zweifel an der Einsatzbereitschaft der Geräte geäußert hatte und auch die Aufrichtigkeit des Angebots angezweifelt. Immer wieder kamen in diesem Zusammenhang Listen von Rheinmetall an die Öffentlichkeit, die der Regierung präsentierten, was der Konzern alles im Stande sei zu liefern, „wenn denn mal endlich ein Auftrag kommt, die Wagen wiederzubeleben“, wie es aus dem Unternehmensumfeld heißt. 

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Auf den offenen Druck aus Düsseldorf reagieren die Ministerialen bis heute verschnupft. Und auch in der Branche selbst kam das rheinische Dauerfeuer nicht gut an. „Auch wenn es eilt, sollte Rheinmetall doch genau wissen, dass sich manche Dinge durch Bloßstellungen nicht beschleunigen lassen“, so ein Branchenkenner. Am Montag gab ein Regierungssprecher jetzt zum ersten Mal an, dass man nun „zeitnah“ über die Marder entscheiden wolle. 

Bei offenbar erschöpften Beständen der Bundeswehr und steigendem Druck aus den eigenen Reihen bleibt der Regierung mittlerweile nicht mehr viel anderes übrig, als doch auf schwere Waffen aus den Beständen der Industrie zu setzen. Selbst wenn Olaf Scholz jüngst in einem Interview noch vor diesem Weg gewarnt hat - nach Medienberichten vom Dienstagmorgen will die Regierung beim Treffen in Ramstein Flugabwehr-Panzer des Typs Gepard zusagen. Sie basieren auf dem Leopard 1 und kommen vom Rüstungshersteller Krauss-Maffei Wegmann. KMW verfügt über eine mittlere zweistellige Zahl dieser Panzer aus der aufgelösten Heeresflugabwehrabwehr der Bundeswehr. Der Gepard kann auch im Kampf gegen Bodenziele eingesetzt werden.  US-Verteidigungsminister Austin wird es gerne hören. 


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