Umstrittener Gesetzentwurf Grundsteuer-Reform: Gestoppt oder gefloppt?

Kritiker der umstrittenen Grundsteuer-Reform befürchten zusätzlich Belastungen für Mieter in Großstädten. Quelle: imago images

Der Streit um die Grundsteuer reißt nicht ab: Bayern bestätigt den Stopp der Reform und will eine landeseigene Regelung, Finanzminister Scholz dementiert und Experten halten den jetzigen Entwurf für völlig fehlgeleitet.

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Das Bundesfinanzministerium hat einen Bericht zurückgewiesen, wonach der Entwurf von Ressortchef Olaf Scholz (SPD) zur Reform der Grundsteuer gestoppt worden ist. Die Ressortabstimmung sei seit längerem eingeleitet, erklärte ein Sprecher von Scholz am Donnerstag in Berlin. Es sei immer klar gewesen, dass sich das Kabinett erst nach einer Expertenanhörung zu einer möglichen Öffnungsklausel damit befassen werde. Eine Öffnungsklausel würde den Bundesländern individuelle Berechnungsverfahren ermöglichen, was insbesondere Bayern fordert. Eine einheitliche, bundesweite Regelung der Grundsteuer wäre damit im Kern wirkungslos, die Länder dürften eigene Wege gehen.

Laut Scholz sollen Experten am 10. Mai im Finanzministerium zur Öffnungsklausel gehört werden. Neben dem Bundesfinanzminister selbst sollen die Landesfinanzminister von Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz sowie vier Verfassungsexperten daran teilnehmen, anschließend solle der der Gesetzentwurf dem Kabinett vorgelegt werden.

Zuvor hatte die „Bild“-Zeitung berichtet, das Kanzleramt habe den Gesetzentwurf zur Grundsteuer gestoppt. Er werde nicht in die Ressortabstimmung gehen, Scholz müsse sich vor einer Kabinettsbefassung zunächst mit der CSU einigen.

Bayern Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte zuvor bestätigt, dass Scholz seine Grundsteuer-Pläne nochmal ändern müsse. „Ohne Bayern und die CSU gibt es keine neue Grundsteuer. Aus. Das steht fest“, sagte Söder am Donnerstag am Rande einer Osteuropa-Reise in Sofia. Der Vorschlag von Scholz werde nicht Gesetz werden. Es sei eben in der großen Koalition selbstverständlich, dass ein Entwurf nicht ins Kabinett komme, wenn die CSU einem Vorhaben nicht zustimme. Es sei die Rechtsauffassung Bayerns und des CSU-geführten Bundesinnenministeriums, dass eine Länderöffnungsklausel ohne Grundgesetzänderung möglich sei.

Nach den Plänen von Scholz sollen bei der Berechnung der Grundsteuer in Zukunft vor allem der Wert des Bodens und die durchschnittliche Miete eine Rolle spielen. Die Grundstücke sollen nach Scholz' Entwurf nun zum 1. Januar 2022 neu bewertet werden, danach alle sieben Jahre. Erstmals soll die neu berechnete Grundsteuer 2025 fällig werden.

Bayern will dagegen ein Modell, bei dem sich die Steuerhöhe pauschal an der Fläche orientiert. Diesen Ansatz unterstützen auch viele Experten, weil eine flächenbasierte Grundsteuer transparenter, einfacher in der Erhebung und mit geringerem bürokratischem Aufwand umsetzbar sei.

Reiner Braun, Vizechef des Wirtschaftsforschungsinstituts Empirica, das sich auf Immobilienmärkte spezialisiert hat, kritisiert etwa den Scholz-Entwurf als den Versuch, eine eierlegende Wollmilchsau zu finden. „Die neue Grundsteuer soll aufkommensneutral sein, die Mieter allenfalls entlasten und die Vermieter eher belasten sowie befürchtete Härtefälle vermeiden und nebenbei auch noch irgendwie die Wohnungsknappheit lösen“, kritisiert Braun. Reformgegner befürchteten hingegen deutliche Steuererhöhungen, Belastungsverschiebungen und mehr Bürokratie. Auch Vertreter der Immobilienwirtschaft wie Haus&Grund und der Städte- und Gemeindebund wetterten gegen den Entwurf.

Was Sie über die Grundsteuer-Entscheidung wissen müssen

Braun schlägt hingegen ein „zoniertes Bodenwertmodell“ vor. Die Kommunen erfassen ohnehin die Bodenwerte je nach Lage, eine Datenbasis läge somit schon vor. Anhand dieser Bodenwerte oder auch der Mieten vor Ort ließen sich Wohngebäude so pauschal bewerten, anstatt für jedes Einzelobjekt eine aufwändige Bewertung vornehmen zu müssen, wie im Scholz-Entwurf vorgesehen.

Braun denkt dabei an eine pragmatische Lösung: Lege man den Wert eines Quadratmeters Wohnfläche standardmäßig bei 100 fest, könnten pauschaliert Wohnwertzonen für gute Lagen (Bewertung 120), Villenviertel (150), schlechtere Lagen (80) oder Außenbereiche (60) festgelegt werden. Für das kommunale Steueraufkommen bekämen Städte und Gemeinden im Gegenzug die Möglichkeit, die Zonen zuzuschneiden und deren Grenzen alle paar Jahre anzupassen.

Auch dieses Modell kenne Gewinner und Verlierer, so Braun. „Im Unterschied zu allen anderen Vorschlägen begrenzt die Pauschalierung über Wohnwertzonen aber die Extrema ganz erheblich, kann dennoch Bauland mobilisieren und führt nicht zu automatischen Steuererhöhungen in der Zukunft“, sagt der Empirica-Vizechef.

Beispiele zur Berechnung der Grundsteuer

Das Steueraufkommen von 14 Milliarden Euro jährlich – eine zentrale Einnahmequelle der Kommunen – soll nach Vorgaben von Finanzminister Scholz in der Summe erhalten bleiben, auch wenn es in Einzelfällen oder Wohngebieten zu deutlichen Änderungen käme. Damit wäre auch nach dem derzeitigen Reformentwurf zu rechnen, weil sich die vom Bundesverfassungsgericht angemahnte derzeitige Grundsteuerberechnung im Westen auf Immobilienbewertungen von 1964, im Osten sogar auf Bewertungen von 1935 stützt. Der Deutsche Städtetag hatte bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass die Kommunen ihre Hebesätze nach einer Reform anpassen wollen, so dass die Einnahmen aus der Grundsteuer nicht steigen.

Mit Material von dpa.

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